Technics SL-1200GR – Rückkehr einer Ikone
Einen Technics können Sie an jeder Ecke Probe hören. Vorausgesetzt, Sie kommen noch rein. (Vintage-Werbeslogan mit Türsteher-Motiv)
Das Erscheinen des SL-1200G (die Standardversion der Anniversary Edition SL-1200GAE, FIDELITY Nr. 27) erzeugte bei den Fans ein Wechselbad der Gefühle. Der Jubel über einen Nachfolger des 2010 eingestellten SL-1200 erhielt nämlich einen starken Dämpfer, als offenbar wurde, dass der SL-1200G 3500 Euro kosten soll. Da erscheint es nachvollziehbar, dass preisbewusste Fans der Marke enttäuscht abwinkten. Schließlich kosteten die verschiedenen Vorgänger (in Japan ging es bis Mk6) laut offizieller Preisliste nie mehr als 800 Euro. Nun hat Technics nachgebessert und mit dem SL-1200GR eine bezahlbare Version dieses unsterblichen Klassikers im Programm. Sein Listenpreis beträgt 1500 Euro, und er soll nur in Europa auch in Schwarz als SL-1210GR verfügbar sein.
Reduced to the Max
Das „GR“ im Namen des Technics-Plattenspielers dürfte wohl für „Grand Class Reduced“ stehen, denn der Nachzügler ist offensichtlich eine abgespeckte Version des G-Modells. Das lässt sich schon am Gewicht ausmachen: Der GR wiegt mit gut elf Kilogramm praktisch genauso viel wie sein Vorgänger, aber deutlich weniger als sein großer Bruder mit 18 Kilo. Der Großteil des Gewichtsverlusts ist auf die weniger massive Deckplatte, eine leichtere, aber ebenso wirksame innere Dämpfung des Gehäuses, den um ein Kilogramm leichteren Teller sowie den vereinfachten Antrieb zurückzuführen.
Der eisenlose Direktmotor besitzt im GR nur einen einteiligen Rotor, was sich zwar auf die Antriebskraft, nicht aber auf die entscheidende Drehzahlkonstanz auswirkt. Die ist bei allen mir bekannten quarzgesteuerten Direktläufern jenseits von Gut und Böse. Berücksichtigt man alle Reduzierungen, so ist einerseits der Aufpreis zum teureren Bruder einleuchtend, andererseits ist auch der SL-1200GR so gut verarbeitet, dass man kaum von einem Billigheimer sprechen kann. Darüber hinaus verfügen beide 1200er-Varianten über exakt die gleiche Funktionalität. Dazu gehören die nicht mehr fest installierten Kabel für die Stromversorgung und die Signalweiterleitung, die drei Umdrehungsgeschwindigkeiten 33, 45 und 78, die höhenverstellbaren Füße, die vorbildliche Staubschutzhaube sowie ein S-förmiger Tonarm mit abnehmbarer Headshell nach SME-Standard. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass man sich schon gut überlegen sollte, ob man die 2000 Euro Aufpreis zum 1200G nicht lieber in Schallplatten investiert.
Die neue S-Klasse
Während das Tonarmrohr beim SL-1200G aus Magnesium besteht, kommt beim SL-1200GR Aluminium zum Einsatz. Auch werden einige Teile allem Anschein nach etwas kostengünstiger hergestellt. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Tonarm konstruktiv betrachtet ganz nah an der Perfektion ist. Das betrifft nicht nur die geniale Einstellungsmöglichkeit der Tonarmhöhe, auch die Auflagekrafteinstellung des statisch ausbalancierten Tonarms funktioniert so genau, dass wohl nur Perfektionisten unbedingt eine Tonarmwaage verwenden werden. Seine Kugellager sind so leichtgängig wie spielfrei. Einzig der Lift könnte etwas feinfühliger zu Werke gehen. Leider gehört die äußerst praktische Kunststofflehre von Technics zur Justage des Tonabnehmers in der Headshell nicht zum Lieferumfang.
Resonanztests mit den mir zur Verfügung stehenden Tonabnehmern deuten darauf hin, dass der neue Tonarm eine etwas höhere effektive Masse als der des SL-1210 Mk2 (12 g) aufweist. Leider findet sich in den Unterlagen zum GR keine diesbezügliche Herstellerangabe. Ich vermute sie in Verbindung mit der Originalheadshell bei zirka 15 Gramm. Dessen ungeachtet kann der Tonarm jedes von mir verwendete Tonabnehmersystem problemlos führen. Selbst das diesbezüglich als schwierig bekannte AEC C91 Black – besser bekannt unter dem Namen Decca – bereitet dem Technics-Tonarm keine Probleme. Die Kombination harmoniert sogar überraschend gut und beweist die universellen Qualitäten dieses weithin unterschätzten Tonarms. Er hat nur ein erwähnenswertes Manko: Will man nämlich eine andere als die ungewöhnlich flach bauende Technics-Headshell verwenden, kann man ihn im Zusammenspiel mit relativ vielen Tonabnehmern an seiner Basis nicht weit genug absenken, um die gewünschte Parallelität des Systems zur Plattenoberfläche herzustellen. Ein Tipp an dieser Stelle: Man besorge sich die deutlich dickere Gummimatte des Mk2. Damit kann man die LP genügend anheben, ohne dass es den optischen Gesamteindruck stört.
Da bereits die ersten Bilder von Umbauten mit anderen Tonarmen auf dem SL-1200G im Netz aufgetaucht sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dies auch dem GR widerfährt. Technics scheint das berücksichtigt zu haben. Man erkennt dies an der Kuppel in der Staubschutzhaube über dem Tonarmlager. Sie ist nämlich keineswegs ein Design-Gag, sondern sorgt für genügend Freiraum, falls man besonders hoch bauende Tonarme wie beispielsweise SME 3009 oder SME M2-9 montieren möchte.
Studioqualitäten
Bleiben wir beim Klangeindruck des Technics SL-1200GR, wie er geliefert und hoffentlich auch benutzt wird. Er klingt seinem Vorgänger SL-1210 Mk2 zum Verwechseln ähnlich. Mal vermeinte ich einen etwas profunderen Bass herausgehört zu haben, manchmal sogar eine etwas großzügigere Raumabbildung. Tonal verschwinden aber zumindest für mich die Unterschiede bis zur Ununterscheidbarkeit. Das mag auf den ersten Blick enttäuschend wirken, weil man sich daran gewöhnt hat, dass der Nachfolger eines Geräts zwangsläufig besser als der jeweilige Vorgänger zu sein hat. Auf den zweiten Blick zeigt dieser Befund jedoch nur die Konsequenz auf, mit der Technics das Thema Schallplattenspieler seit jeher angegangen ist. Obwohl der SL-1200GR hinter der vertrauten Fassade in nahezu allen Belangen eine Neukonstruktion ist, haben die grundsätzlichen Überlegungen, anhand derer die Ingenieure von Technics schon die Vorgänger konstruiert haben, allem Anschein nach ihre Gültigkeit behalten. Er enthält sich weitgehend einer Einmischung in das Klanggeschehen, weshalb sich Quervergleiche mit guten Studiomonitoren bei Lautsprechern aufdrängen. Diese zeichnen sich typischerweise auch nicht durch klangbeschönigende Effekte aus, um im Gegenzug dafür umso genauer die ihnen anvertrauten Signale zu Gehör zu bringen. Der Klangeindruck ist daher von einer Art Sachlichkeit geprägt, die meiner Erfahrung nach jedem mir bekannten japanischen Direkttriebler in der Vergangenheit ebenfalls zu eigen war. Dies scheint in besonderem Maße für den ausgesprochen präzisen, „trockenen“ Bass zu gelten und erklärt, warum häufig tendenziell warme Tonabnehmer im Zusammenspiel mit dem Technics besonders beliebt sind. Aus meinem bescheidenen Fundus trifft das – mal mehr, mal weniger – auf EMT JSD 6, Goldring G-2200 und Ortofon Quintet Black zu. Ein Audio Technica AT-OC9/III unterstreicht dagegen den nüchternen Charakter des Technics noch. Es zeigt aber auch auf, zu welch immenser Detailgenauigkeit dieser Plattenspieler fähig ist. Wem das zu genau ist, dem sei die Kombination mit dem Ortofon-MC ans Herz gelegt, das eine Spur Fülle in den unteren Lagen einbringt, was dem Genussfaktor nicht abträglich ist. Aber hat man sich einmal an diese Ehrlichkeit gewöhnt, fällt es anschließend schwer, auf ihre Vorteile zu verzichten. Dazu gehören die Eigenschaften, ein großes Klangbild felsenfest in den Raum zu stellen, das nicht nur für seine Preisklasse weit überdurchschnittliche Arsenal an feindynamischen Zwischenstufen sowie – dem unerbittlichen Direktantrieb sei Dank – die Fähigkeit langgezogene Klavier- und Synthesizertöne perfekt halten zu können.
Sicherlich gibt es spektakulärer klingende Plattenspieler auf dem Weltmarkt als den Technics SL-1200GR. Wenn man aber nach Feinsinn und Kontrolle sucht und gleichzeitig auf hundertprozentige Zuverlässigkeit Wert legt, dann sollte man den Technics eben nicht in einem beliebigen Club an der Ecke Probe hören – man muss sich schon das Vergnügen zu Hause gönnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn dauerhaft behalten will, ist sehr, sehr groß.
Plattenspieler Technics SL-1200GR
Funktionsprinzip: quarzkontrollierter, direktangetriebener Plattenspieler
Geschwindigkeiten: 33, 45, 78 U/min
Besonderheiten: regelbare Geschwindigkeit, Stroboskop, Nadelbeleuchtung
Tonarm: S-förmig, kardanisch angeordnete Kugellager, abnehmbare Headshell nach SME-Standard, statisch ausbalanciert, Tonarmhöhenverstellung
Tonabnehmer-Gewichtsbereich: 5,6–16,4 g (Tonabnehmergewicht in Technics-Headshell), 10–25,1 g (zulässiges Tonkopfgesamtgewicht)
Maße (B/H/T): 453/173/372 mm
Gewicht (mit Haube): 11,2 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 1500 €
Panasonic Deutschland
Winsbergring 15
22525 Hamburg
Tel.: 040 85490
Mitspieler:
Plattenspieler: SME Model 10, Technics SL-1210 Mk2
Tonarme: SME Series V
Tonabnehmer: AEC C91 Black (Cartridge-Man-Modifikation), Audio Technica AT-20SLa, Audio Technica AT-OC9/III, EMT JSD 6, Goldring G-2200, Ortofon Quintet Black
Phonovorverstärker: Musical Fidelity MX-VNYL
Netzwerkplayer/Tuner: Onkyo NS-6170
CD-Player: Bryston BCD-1
Vorverstärker: Bryston BPS-25MC
Endstufe: Bryston 3B SST
Kopfhörer: Sony MDR-1 RNC
Lautsprecher: Spendor SP100R2