Ortofon SPU #1 E MC-Tonabnehmer
Unglaublich: Seit fast 60 Jahren führt Ortofon das SPU (kurz für Stereo Pick Up – oder auch „Tondose“) in den verschiedensten Ausführungen im Programm.
Und noch immer genießen diese MC-Tonabnehmer weltweit einen ausgezeichneten Ruf, zudem scheint die bei vielen Vinyl-Liebhabern neu entdeckte Liebe zu Vintage-Geräten und -Konzepten der Nachfrage noch einmal neuen Schub zu geben. Nun hat Ortofon zwei neue SPU-Modelle auf den Markt gebracht, die den Einstieg in die Welt des legendären MC-Systems noch günstiger gestalten. Neben der hier getesteten Variante mit elliptischem Nadelschliff namens „SPU #1 E“, das für 595 € angeboten wird, gibt es auch noch ein „SPU #1 S“ mit sphärischem Nadelschliff für 545 €. (Und, ja, da ist ein zeitgenössischer Hashtag in beiden Kürzeln!)
Falls Sie die unglaublich musikalische SPU-Familie – gegründet 1959 – noch nicht kennen, hier ein paar Basis-Infos: Nahezu alle SPUs im klassischen Tondosen-Outfit brauchen einen Tonarm, der in der Lage ist, einen rund 30 Gramm schweren Abtaster mit einer Auflagekraft von 40 Millinewton mittels Bajonettverschluss auszubalancieren. Die Anzahl geeigneter mittelschwerer und schwerer Tonarme ist überschaubar. Einige 9-Zoll-Arme werden erst mit entsprechenden Zusatzgewichten (oder gleich schwereren Gegengewichten) einsetzbar; ein längerer 12-Zoll-Arm muss alternativ dann allerdings auch auf das Laufwerk „passen“, nicht allein aus optischen Gründen. Die SPU-Erfinder aus Dänemark haben natürlich vorgesorgt: Ortofon hat mit den Modellen TA-210 und RS-309D gleich zwei perfekt passende Arme im Portfolio.
Um die in diesem Zusammenhang immer wieder gern aufflackernde Grundsatzdebatte „MC-Übertrager + MM-Vorstufe vs. reine MC-Vorstufe“ nicht weiter befeuern zu wollen: Freunden Sie sich im SPU-Umfeld lieber gleich mit der Übertrager-Variante an. Eine MC-Vorstufe, die mit der typischerweise geringen Ausgangsspannung eines Low-Output-MC-Systems wirklich klarkommt, ist nicht nur selten, sondern meist auch sehr kostspielig. Zudem finde ich, dass die getrennte Version einfach stimmiger ist. Und wenn Sie den MC-Übertrager auch gleich an eine Röhren-MM-Vorstufe anschließen, garantiere ich Ihnen ein so ungläubiges Grinsen, wie Sie es seit dem 7:1 der deutschen Fußballelf gegen Brasilien im Halbfinale der WM 2014 nicht mehr erfahren haben. Tipps unter Freunden? Im Verbund mit einer MM-Röhrenvorstufe (etwa die Pure Sound P10) fühlt sich das SPU #1 E beispielsweise am hauseigenen Übertrager-Sortiment pudelwohl: Ortofon bietet derzeit drei passende Übertrager (ST-7, Verto, ST-80 SE) zu Preisen ab 600 € an.
Und wie klingt das SPU #1 E denn nun? Zunächst einmal ganz klar nicht so, als ob irgendetwas fehlen würde. Dieses billige Argument ist ja im SPU-Umfeld häufiger zu hören, frei nach dem Motto, andere Abtaster würden „mehr Details“ ans Tageslicht bringen etc. pp. … Mich ärgert das sehr, denn womöglich führt es dazu, dass einige Interessenten von vornherein auf das Vergnügen des Probehörens verzichten. Doch genau das sollten sie, und zwar unbedingt!
Ich halte diese so häufig kommunizierte Behauptung einer eingeschränkten Detailfreude übrigens für ähnlich falsch, wie die einer angeblichen Dynamikreduktion bei guten Netzfiltern. Die entscheidende Frage beim SPU ist nämlich nicht, ob da vielleicht irgendetwas fehlt, sondern vielmehr, ob der von den Entwicklern gewollte Schwerpunkt eher auf Musikalität und tonaler Geschlossenheit, denn auf zur Schau gestelltem Detailreichtum liegt. Und genau so ist es: Ein SPU #1 E spielt in seiner musikalischen und interpretatorischen Gesamt- und Geschlossenheit auf so hohem Niveau, dass die Frage nach „mehr Details“ schlichtweg unsinnig ist. Bei einem SPU #1 E fehlt nichts, basta! Ich lege sogar noch einen drauf: Beim Hören eines SPUs – und das neue #1 E verfolgt hier das gleiche Klangideal wie seine „größeren“ Geschwister – fragt man sich unwillkürlich, ob die Entwicklung der Tonabnehmer in den letzten Jahrzehnten wirklich etwas gebracht hat. Oder ob es nicht mehr darum ging, willige Hörer mit neuen Konzepten zu immer neuen Käufen zu bewegen. Etwas „anders“ klingen zu lassen ist in technischer Hinsicht einfach, aber ist das Ergebnis dann auch wirklich besser?
Wer also – zumindest auf Datenblättern sichtbare – Frequenzbereiche „hören“ will, die kein Mensch überhaupt hören kann, wer auch das vom Tonmeister bei der Aufnahme und anschließender Kontrolle nicht gehörte „Hinfallen des Taschentuchs des ersten Geigers auf den Boden“ hören (oder zu hören glauben) will, sollte auch weiterhin einfach den jeweils aktuellen „Testsiegern“ hinterher rennen. Wer hingegen wirklich Musik hören, deren Inhalte erleben will und dafür bereit ist, sich mit der Wahl des Tonarms und der Phonoverstärkung ein wenig zu beschäftigen, der kann sich zumindest aus dem ewigen Wettrennen der Komponenten mit einem SPU #1 E möglicherweise endgültig verabschieden. Eine Art Zufriedenheitsgarantie gibt es hier für unter 600 €! Natürlich darf er auch weiterhin von den teureren Varianten bei den SPU-Classic-Modellen träumen. Muss er aber nicht.
MC-Tonabnehmer
Ortofon SPU #1 E
Preis: 595 €
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