Jazzidelity: Ensemble Denada – Windfall
Wo die Trolle tanzen
Helge Sunde kommt aus Norwegen, ist 48 Jahre alt, spielt Posaune und komponiert. Mit dem Ensemble Denada hat er bereits zwei Jazz-CDs vorgelegt (2006 und 2009) und wurde 2010 mit einem ECHO-Preis für das beste Bigband-Album des Jahres ausgezeichnet. Nun gibt es ein neues Album, aber überraschenderweise nun unter dem Namen der Band, ohne dass dafür sofort ein Grund erkennbar wäre. Denn Helge Sunde spielt immer noch im Posaunensatz, er ist immer noch der musikalische Leiter der Formation, er hat die komplette Musik des Albums komponiert. Und auch für Windfall gilt, was die Kritiker schon über die CDs schrieben, die noch unter Sundes Namen erschienen: „So frisch, heiter, komplex, packend und stilübergreifend innovativ hat schon lange keine Big Band mehr musiziert.“
Jazz aus Norwegen: Da assoziert man ja in der Regel eher triste Langsamkeit. Verzweifelt-melancholische Klänge, tief hängende, dunkle Tonwolken, einsame Fjell-Landschaften der Akkorde, zerrüttend zähflüssige Tempi. Der norwegische Jazz-Trompeter Arve Henriksen zum Beispiel denkt bei seiner weltverlorenen Musik am liebsten „an das Besteigen eines Gletschers oder an das Wasser in unseren Seen, das durch die Schneeschmelze eine grüne Färbung bekommt. Im Winter versteckt sich die Sonne hinter den Bergen, so dass sie fast schwarz aussehen.“ Norwegischer Jazz – ist das die klangliche Vorbereitung zum Suizid?
Ganz anders: Sunde, ganz anders: Denada. Gleich in den ersten beiden Stücken – „The Speedcouch (sic)“ und „Moosic“ – räumt dieses Album mit allen Norwegen-Klischees auf. Das ist bizarre Motorik auf Hochtouren, die Trolle tanzen Pogo, die Bläsersätze greifen wie hypernervöse Zahnräder ineinander, Computer-Perkussion („Percutronics“) und Tubax (tiefer als das Basssaxophon) liefern groteske Sounds, Zappa und Strawinsky grüßen mit Nachdruck. Das motorische Staccato beherrscht auch noch die Komposition „Sidewalk“ (im 7/8-Takt) oder das Solo-Feature der Pianistin im vierten Stück. Eigenwillige Klanglichkeiten gibt es – mit und ohne Speed-Faktor – auf dem ganzen Album, sie sind nämlich Sundes Markenzeichen: „Ich begann sofort nach meiner Geburt seltsame Sounds zu machen und das habe ich meine ganze Kindheit über fortgesetzt, ab dem Alter von 8 Jahren mittels einer Posaune.“ In Norwegen ist das Bigband-Format jedenfalls noch lange nicht ausgereizt. Zu sechsfachem Blech und vierfachem Holz tollen dort die Trolle.