Opera Seconda SE und Quinta SE Lautsprecher – Eine Frage des guten Geschmacks
Zwei außergewöhnlich talentierte Lautsprecherschwestern von Opera im Vergleich
Muss es der Zwölfzylinder sein? Oder wird man mit einem gut abgestimmten „Achtender“ glücklich? Vielleicht reicht ja sogar ein kultivierter Reihensechser … Was bei Sportwagen auch und gerade aus italienischen Edelschmieden eine Frage der persönlichen Präferenzen ist, kann beim Schallwandlerkauf für grüblerische Momente sorgen. Muss es aber nicht, wie der Vergleich zwischen Seconda SE und Quinta SE aus dem reichhaltigen Boxen-Portfolio der Firma Opera zeigt. Zwei bestens erzogene Italienerinnen, mit denen eine harmonische Langzeitbeziehung keine Utopie bleiben muss.
Eines gleich vorweg: Richtig falsch machen kann man mit keinem der beiden Standlautsprecher etwas. Hinsichtlich ihrer Verarbeitung, ihrer Anfassqualität und vor allem ihres Klanges sind beide Opera-Kreationen so weit von der Massenware in den Kistenschieber-Blödmärkten entfernt wie der Vesuv vom Snæfellsjökkull. Opera steht für lederbezogene Schallwände, fein gemasertes Echtholz in einer großen Palette von Naturfarbtönen (plus Schwarz), Anschlussterminals aus massivem Metall, stabile Standfüße mit höhenverstellbaren Spikes und ein bei allen Varianten ehrfurchtgebietendes Gewicht. Deshalb sollte man sich die Aufstellung auch vorab gut überlegen – und wenn die optimale Position gefunden ist, schadet eine unauffällige Bodenmarkierung keineswegs, um nach der Wohnzimmer-Generalreinigung den Wohlfühlpunkt schnellstmöglich wieder zu erreichen. Im FIDELITY-Hörraum sorgte eine ganz leichte Anwinkelung auf den Hörplatz bei Seconda wie Quinta für eine nochmals gesteigerte Durchzeichnung und eine gerade angesichts traditionellen Mehrwegebaus frappierend authentische Räumlichkeit, wie man sie gemeinhin eher Zweiwege-Lautsprechern zuordnen würde.
Bei Opera (siehe auch das Porträt in FIDELITY Nr. 26) ist der Firmenname ein Stück weit Programm: Zielgruppe sind Feingeister, Klassikhörer, Jazz-Aficionados, kurz: alle jene, deren Musikgeschmack sich auf die „akustische“ Facette des Spektrums konzentriert. Das heißt nicht, dass Opera-Lautsprecher Pop und Rock nicht könnten – mit dem im Ernstfall mobilisierbaren Schalldruck lassen sich mühelos Fensterscheiben zum Klirren bringen und die Nachbarn aus dem Schlaf reißen. Dennoch würde ich dem Hard-&-Heavy-Headbanger, dem beinharten Bluesrockfan oder denen, die auch abseits ihres Lieblingsclubs bevorzugt Techno und Electronica hören, andere Boxen empfehlen, denn dieses Material „können“ die Operas zwar auch, spielen damit aber klar unter oder besser: neben ihren Möglichkeiten.
Wer sich eine Seconda SE oder Quinta SE gönnt, der möchte beispielsweise hören, mit welcher Brillanz die unvergleichliche Barocksopranistin Emma Kirkby einst zusammen mit Christopher Hogwood und der Academy of Ancient Music für L’Oiseau-Lyre (Decca) Händel- oder Purcell-Arien einsang. Da öffnet sich ein ganzes Universum von Klangfarben, feinen Schattierungen, winzigsten Details, die sich völlig homogen und selbstverständlich zu großformatigen Hörbildern zusammensetzen. Wenn die Ausnahmejazzerin Madeleine Peyroux sich auf ihrem immer wieder hörenswerten Album Careless Love (Universal) mit Van Morrisons „You’re Gonna Make Me Lonesome“ beschäftigt, ist das ein Härtetest für sämtliche Wiedergabegeräte: Eine laszive, bewegliche, auch in den Höhen differenziert geführte Stimme steht über einem treibenden Rhythmusfundament, in dem ein ungestüm pochender Kontrabass die Richtung vorgibt. In der rasanten Nummer darf es keine Schwammigkeiten geben, keine verschliffenen Impulse, kein Hinterherhinken einzelner Frequenzbereiche, sonst klingt es ganz schnell wie gut gemeint, aber nicht gekonnt. Opera-Lautsprecher servieren Madeleines punktgenaue vokale Höhenflüge mit lässigem Groove, mit jener Ich-schüttele-das-aus-dem-Ärmel-Souveränität, die wirklich große Lautsprecherkonstruktionen kennzeichnet. Angestrengt oder gar überfordert sind mit solchem Kammermusik-Jazzpop weder die „kleine“ Seconda SE noch ihre große Schwester.
Wohlfeil sind beide: In ihren jeweiligen Preisklassen – das Paar Seconda SE kostet 3000 Euro, die Quinta SE liegt bei 4000 Euro – haben die Operas so gut wie keine Konkurrenz, für ähnliche Klangperfektion legt man normalerweise deutlich mehr auf den Händlertresen.
Stellt sich die Frage, in welcher Form sich die Preisdifferenz von immerhin einem Tausender niederschlägt. Bleiben wir zunächst bei den Gemeinsamkeiten: Die schon angesprochene Top-Verarbeitungsqualität besitzen beide; wer heute eine Opera kauft, macht damit auch seinen Enkeln eine Freude, sofern in deren Generation noch Interesse an unaufdringlichem, typisch italienischem Facettendesign bestehen sollte. Die Langzeitstabilität traut man den Boxen auf jeden Fall zu. Auf der Rückseite warten sauber gemachte Bi-Wiring-Terminals auf Anschluss, die auch vor vollfetten High-End-Kabelschlangen nicht kapitulieren. Die Lautsprecherchassis sind ein Mix aus eigenen Entwicklungen und dem Besten, was die Regale der Zulieferer hergeben, häufig genug nach Maß modifiziert. So findet sich etwa in der Quinta SE ein edler Scan-Speak-Mitteltöner, der in Boxenbauer-Kreisen für seine unbedingte klangliche Neutralität, seinen sauberen Frequenzgang und seinen unkritischen Impedanzverlauf wohl beleumundet ist.
Gleichwohl haben die beiden Damen durchaus unterschiedliche Naturelle; für welche der beiden man sich entscheidet, ist mithin eher eine Frage des persönlichen Geschmacks denn des Preisschildes und lässt sich schon gar nicht auf die (zu) simple Formel „Teurer ist besser“ bringen.
Die Opera Seconda SE (der Zusatz „SE“ steht bei beiden Lautsprechern für „Special Edition“ und deutet auf eine nunmehr noch stärker auf die Spitze getriebene Bauteilselektion und Abstimmung hin) ist im Vergleich die etwas anspringendere, alertere, vordergründig „frischer“ klingende Schallskulptur. Sie bringt ordentlich Drive und Punch mit und macht mit kleineren bis mittleren Besetzungen eine Menge Spaß. Deshalb möchte ich sie vor allem Jazzhörern ans Herz legen, die damit zum Beispiel hautnah nachvollziehen können, wie elektrisierend seinerzeit die Atmosphäre in dem Studio gewesen sein muss, in dem Trompetenguru Miles Davis zusammen mit Größen wie Bill Evans am Klavier und John Coltrane am Saxofon das bis heute singuläre Album Kind Of Blue einspielte. Da stellen sich die Haare auf den Unterarmen hoch und das Gehirn blendet ganz schnell aus, dass dieser schier außerirdischen Musik ja „nur“ über eine Reihe elektronischer Gerätschaften gelauscht wird.
Wechselt man auf die moderat größere Quinta, so fallen zunächst eher Familienähnlichkeiten als Unterschiede auf: Alle Opera-Lautsprecher, sogar die kleine Prima 2015, die derzeit als Abhörmonitor an einer meiner heimischen Anlagen fungiert, zeichnen sich durch die ungemein natürliche Wiedergabe von Stimmen und Instrumenten aus: Verfärbungen und Verzerrungen sind praktisch nicht existent, bis in hohe Lagen bleibt das Klanggeschehen in sich rund und stimmig – wenn sich dennoch schrille Töne einstellen, sind es die Sänger, nicht die Lautsprecher.
Grundgesetze der Physik kann freilich auch eine innovative Manufaktur wie Opera nicht auf den Kopf stellen. So gibt die Quinta SE die über alle Zweifel erhabene Operndiva auch in Situationen, in denen ihr Schwesterchen bereits ganz zaghaft kundtut, sich nicht mehr wirklich wohl zu fühlen. Etwa dann, wenn es darum geht, große Orchester mit Pegeln deutlich über Zimmerlautstärke auf die Gehörgänge zu hämmern. Ein in dieser Hinsicht ziemlich extremes Beispiel ist James Horners Soundtrack zu Titanic: Den Zusammenstoß des Ozeanriesen mit dem Eisberg inszenierte der verstorbene Filmmusik-Zampano als wüste Schlagwerk-Orgie, bei der unter anderem zwei Ambosse mit Vorschlaghämmern traktiert werden. Die Opera Quinta SE kredenzt das akustische Inferno mit einem ganz undamenhaften Grinsen im Gesicht, weist aber in ein paar besonders fiesen Passagen darauf hin, dass sie für solche Aktionen strompotente Spielpartner bevorzugt, die auch dann nicht ins Clipping fahren, wenn der Lautstärkeregler mal jenseits der 14-Uhr-Markierung steht. Das ist aber schon die einzige Einschränkung. Bei Lautstärke-Levels im für die Ohren und die nachbarschaftlichen Beziehungen gesünderen Normalbereich geben sich beide Operas genügsam wie die Unschuld vom Lande – machen aber keinen Hehl daraus, dass sie lieber mit Feingeistern als mit grobschlächtigen Partyboys verbandelt werden. Adäquate Spielpartner sind beispielsweise der neue Audia Flight 3S, der genau jene differenzierten Farben mitbringt, mit denen die Operas Bilder so berückend und charmant wie in einem Spätwerk von Federico Fellini malen – oder aber ausgewählte, gern potente Röhren- oder Hybridverstärker aus dem Hause Unison Research. Mit diesen wird dann auch sofort spürbar, dass Opera und Unison Research unter einem Dach entstehen: kongeniale „Italian connections“ für Herz und Hirn.
Opera Seconda SE
Funktionsprinzip: 2,5-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Wirkungsgrad (2,83 V/1 m): 89 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Bestückung: 2 x 18-cm-Tieftöner mit Aluminiummembran, 1 x Kalottenhochtöner mit Textilmembran (ScanSpeak D26)
Ausführungen: Front Leder schwarz, Seitenwangen Esche schwarz, Kirschholz oder Mahagoni
Maße (B/H/T): 24,5/102/43 cm
Gewicht: 45 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 2990 €
Opera Quinta SE
Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Wirkungsgrad (2,83 V/1 m): 91 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Bestückung: 2 x 18-cm-Tieftöner mit Aluminiummembran, 1 x 18-cm-Mitteltöner mit Polypropylen-Membran und Phaseplug, 1 x Kalottenhochtöner mit Textilmembran (ScanSpeak 9700)
Ausführungen: Front Leder schwarz, Seitenwangen Esche schwarz, Kirschholz oder Mahagoni
Maße (B/H/T): 24,5/110/43 cm
Gewicht: 51 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 4000 €
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