Crayon Audio CIA-1 Vollverstärker – Undercover Agent für den Klang
Der Vollverstärker Crayon CIA-1 ist ein Meister des Understatements: ein bewusst unauffälliger, flacher Leichtmetallblock – aus dem verblüffend viel Wohlklang kommt, sobald er sich warmgelaufen hat.
Das wichtigste, aber beileibe nicht das einzige Ergebnis unserer verdeckten Ermittlungen in Sachen CIA …
Im Internet kursiert seit längerer Zeit eine Gattung von Produktvideos, die aus meiner Sicht sinnfreien Unsinn in Reinkultur verkörpern: „Unboxing“-Filmchen zeigen uns, wie Player X oder Kopfhörer Y verpackt sind und lassen uns dabei zuschauen, wie mehr oder minder inspirierte Menschen diese Verpackung genüsslich aufpellen, um das Objekt der Begierde unter all den Papp- und Styroporschichten freizulegen. Diese Videos dauern selten länger als ein paar Minuten. Vermutlich, weil zumindest bis Redaktionsschluss dieses Artikels niemand einen Crayon CIA-1 vor laufender Kamera ausgepackt hat. Ohne zugeschalteten Zeitraffer wäre das nämlich ein viertelstündiger Kurzfilm geworden.
Aus der stoßsicheren Umverpackung schloss das FIDELITY-Team messerscharf auf die Ausmaße des Inhalts – und lag damit gnadenlos daneben. Je mehr Zwiebelschichten sich verabschiedeten, desto verwunderter wurden die Blicke. Was am Ende zum Vorschein kam, verdient das Kürzel CIA voll und ganz, denn es ist ein Meisterstück in Sachen Tarnung und Täuschung.
Der ansehnlich flache, schwarze Kasten (den es auch in Alu natur gibt) trägt auf seiner Front nur drei Bedienelemente: zwei Taster und einen Lautstärkeregler in der Form eines dreieckigen Wankelmotor-Kreiskolbens. Ein Display gibt es ebensowenig wie ein „Menü“ oder gar eine App; einzig eine fast schon altmodische, ziemlich bequeme Fernbedienung ist mit von der Partie. Spontan würde man den superschlichten Amp nach England verorten, dann müsste er aber wohl „MI-6“ oder „Secret Service“ heißen … Ok, ein Kalauer. Aber sein tatsächliches Herkunftsland verrät der kompakte CIA-1 tatsächlich erst im Kleingedruckten. Das unprätentiöse Verstärkerbrikett ist ein echter Steirer Bursch, die Firma Crayon Audio eine in der Steiermark residierende Manufaktur, deren Vertrieb bei den Innsbrucker Landsleuten vom RB-Audiovertrieb liegt. Ein echter Österreicher also.
Wobei das mit dem „Steirer Bursch“ schon wieder ein reines Ablenkungsmanöver zu sein scheint. Denn mit jenen Klischees, die man im übrigen Österreich und dem Rest der Welt gerne dem „wilden Bergvolk“ anhängt, hat der CIA-1 so gar nichts zu tun. Er ist das Gegenteil des ungeschlachter Polterers, der vor Kraft kaum laufen kann und auf feinen Empfängen in Lederhosen, Karohemd und Trachtenjanker eine eher schräge Figur macht. Vielmehr stellt der schmucke und sauber verarbeitete Vollverstärker einen feinsinnigen Geistesbruder von James Bond dar, einen Charakterkopf mit sorgsam gebügeltem Dinnerjacket und ausgezeichneten Umgangsformen, kurz: einen Agenten des guten Klangs.
Seine Aufwärmübungen durfte der wohlerzogene junge Österreicher mit zwei schlanken Engländerinnen vollführen, die für ihn kein Wort der Klage übrig hatten: An dem Pärchen B&W 683 S2 zeigte sich der CIA-1 angenehm gradlinig, sein prägender erster Eindruck ist große Sauberkeit. Während andere Vertreter der Transistorfraktion ein mehr oder weniger unüberhörbares Soundprofil haben, gleichsam auf ein bestimmtes Timbre, auf ein bestimmtes Profil hin getrimmt werden, bleibt der CIA-1 unbedingt neutral. Kein schmeichelnder Schönfärber, aber auch kein klirrkalter Analytiker, der Emotionen killt, ehe sie entstehen. Nein, auf die Lizenz zum Töten verzichtet der Amplifier from Austria. Dafür verrät er die Bergsteiger-Gene, die jeder echte Steirer hat: Er steigt behände und trittsicher in tiefe Basskeller hinab und kraxelt nach lustvollem Aufstieg zu den behaglichen Mittellagen ebenso flink in höchste Höhen.
Eigentlich kein Wunder, wenn dieser sympathische Saubermann zwar mit besagten Engländerinnen heiß flirtet, seine wahre Bestimmung aber mit einer Schallwandlerin findet, die wie er aus dem Alpenraum stammt. Ein Blick auf die Preisschilder könnte zwar vorübergehend eine Mesalliance suggerieren, aber der österreichische Crayon fühlt sich mit der schweizerischen Piega Coax 711 pudelwohl. Nicht nur, weil der bescheiden auftretende Undercover-Agent die noble Lady aus feinstem Hause jederzeit hervorragend unter Kontrolle hat (der Wunschtraum jedes Spionage-Machos), sondern auch, weil es zwischen den ungleichen Spielpartnern niemals Streit um die bevorzugte Musikrichtung gibt. Eine Qual der Wahl gibt es einfach nicht. Ob der Crayon nun komplexen Jazz, vollfette Sinfonik oder treibenden Bluesrock aus seinen soliden, auch Banana-tauglichen Anschlussklemmen an die Boxen entlässt – das Endergebnis ist stets überzeugend.
Gute Geheimdienstler sind sprachbegabt und kommen mit einer Vielzahl von Quellen zurecht, da bildet der CIA-1 keine Ausnahme. Deshalb bietet er auf Wunsch an, einen der vier Hochpegel-Eingänge – allesamt mit vergoldeten Cinch-Buchsen – zu einem Phono-Eingang mit Erdungsschraube zu machen. Plattenspieler sind also willkommen. Wie hieß es doch zuvor bei der Einsatzbesprechung: „Ihr Auftrag, den Sie bei der FIDELITY bereitwillig annehmen werden, ist es, MM- und MC-Signale zu entzerren und zu verstärken und dabei eine mehr als nur respektable Figur abzugeben.“ Sollte es leichte Verständigungsprobleme in Sachen Pegel geben, dient ein Mäuseklavier voller Mikroschalter als Übersetzungs-Schnittstelle, womit der CIA-1 auch für schwierige Einsätze gut gerüstet ist. Weitere Schalter erlauben auch die Anpassung der Hochpegel-Eingänge, damit selbst Exoten ihre Informationen bereitwillig preisgeben.
Wem das schwarze Dinnerjacket (das Metallgehäuse) des CIA-1 nicht mag, kann den tiefstapelnden Alleskönner auch mit einer Außenhaut in Aluglanz haben.
Es gibt übrigens noch ein „T“-Modell des Amps. Der CIA-1T bietet ein erheblich stärkeres Netzteil, eine glatt verdoppelte(!) Ausgangsleistung, eine Innenverkabelung in Reinsilber, hochwertige WBT-Buchsen und gravierte Schriftzüge. Einem hartnäckigen Gerücht zufolge wurde der „T“ von Secret-Service-Entwickler Q im Lohnauftrag ersonnen und handgedengelt … Zumindest der Preis des optischen Zwillings spricht dafür – der CIA-1T kostet das Doppelte des normalen Einsers.
Das muss allerdings alles nicht sein, denn das Erfolgsgeheimnis des CIA-1 (das Kürzel steht übrigens für „Crayon Integrated Amplifier“ Nummer eins und eben NICHT für Central Intelligence Agency) ist seine jede Aufdringlichkeit vermeidende Unauffälligkeit. Damit erinnert er zumindest entfernt an die grauen Burschen von NAD, mithin an die unscheinbaren Kollegen von der britischen Insel, denen einst in verblüffend kurzer Zeit eine nicht immer stille (HiFi-)Übernahme europäischer Wohnzimmer glückte. Manche von ihnen sollen noch immer noch im Unterhaltungs-Departement tätig, ohne als grobe Blender enttarnt worden zu sein. „Mehr sein als scheinen“ lautet die Devise, die ohne Abstriche auch für den CIA-1 gilt.
Ein paar Streicheleinheiten tun übrigens auch einem per se anspruchslosen Steirer gut. So freut sich der wunderbar gradlinige Crayon über hochwertige Zuspieler und auch die Verbindungskabel dürfen gern von sehr guter Qualität sein. Jegliche Unterschiede macht der Amp eindeutig hörbar, insbesondere mit sehr guten Plattenspielern scheint der Amp zeigen zu wollen, was an bisher geheimen Informationen noch in der Rille steckt. Seine Fähigkeiten zeigt er bereits an vergleichsweise preiswerten Schallwandlern, sorgt aber auch mit Lautsprechern, die den Einstandspreis des CIA-1 sogar um ein Vielfaches überschreiten, für sehr stimmige und vor allem angenehme Hörerlebnisse. Quasi ein österreichischer Spion, den man schnell zu lieben lernt.
Vollverstärker
Crayon CIA-1
Leistung (8/4 Ω): 2 x 65/90 W
Eingänge: 4 x Line In (Cinch), optional 3 x Line In + Phono MM/MC (Aufpreis: 800 Euro)
Ausgänge: Line Out, Rec Out (Cinch), Lautsprecher (Schraubklemmen)
Besonderheiten: Lautstärkeregelung logarithmisch oder linear, automatisch Volume „0“ bei Ein- und Ausschaltvorgang, Fernbedienung im Lieferumfang
Ausführungen: Schwarz oder Alu natur
Maße (B/H/T): 44/8/34 cm
Gewicht: 10 kg
Preis: ab 2800 €
RB-Audiovertrieb, Barisic & Partner KG
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