The Clarinet Trio – 4
Mit drei Zauberstäben ins Klanguniversum
Es hat lange gedauert, bevor die Musiker begriffen: Man kann Jazz auch ohne Rhythmusgruppe spielen. Jedes Instrument (na ja: fast jedes) ist nämlich befähigt, sowohl Melodie- wie Harmonie- als auch Rhythmusaufgaben zu verrichten. Sodann kamen reine Bläserbesetzungen in Mode, vorzugsweise Saxophonquartette, und erkundeten das weite Feld zwischen kollektiver Improvisation und vierstimmigem Satz. Auch reine Klarinettengruppen gab es, in den 80ern etwa Alvin Batistes Clarinet Summit oder Theo Jörgensmanns CL-4. Diese Impulse griff Gebhard Ullmann mit seinem Clarinet Trio erstmals 1998 auf. Das vierte Album des Klarinetten-Dreiers ist nach zuletzt acht Jahren Aufnahmepause eine kleine Offenbarung. Faszinierende Hörräume öffnen sich, von denen wir bisher wenig ahnten, und aus dem einstigen Zauberstab des Swing-Königs Benny Goodman strömt ein komplettes Klanguniversum. Da hört man: Trotz aller Emanzipationen in der Neuen Musik sind es immer noch die Jazzmusiker, die ihren Instrumenten das Äußerste, das Unerwartete, das Unmögliche abtrotzen. Ob geisterhafte oder dröhnende Töne, ob Mehrklänge oder Mikrointervalle, Registersprünge, Slaps, Flatterzunge oder gehauchte Sounds: Die Klangmöglichkeiten der Klarinette bleiben ein besonders fruchtbares Experimentierfeld. „Ich erforsche noch immer den Klang der Holzbläser und die Möglichkeiten, die darin liegen“, sagt Gebhard Ullmann. Und er tut es hier höchst kurzweilig: Da gibt es folkloristisch klingende Motivreihungen, metalmäßig knallende Sonorsalven, afrikanisch sich verzahnende Themenfiguren, sich verselbstständigende Riff-Loops, im Diskant gemalte zweistimmige Pastellmelodien, gehauchte Gospel-Harmonien und eine Übersetzung des Slow Blues in klarinettistische Glasarchitektur. Komposition ist aber nur die eine Seite der Medaille, die andere heißt Improvisation. Und ob da nun ein Einzelner nach den Grenzen seines Instruments sucht oder ob zwei überm Bassklarinetten-Swing spielerisch fantasieren: Diese freien Solo-Statements besitzen durchweg kantige Größe und innere Spannung. Das Schönste aber: Gebhard Ullmann (Bassklarinette), Jürgen Kupke (Klarinette) und Michael Thieke (Altklarinette) sind Meister des Übergangs. Selten ergab sich improvisierte Freiheit so organisch aus origineller Komposition.