Pioneer A-09 – Partykeller deluxe
Pioneer A-09, ein Youngtimer aus Japan, ein Trumm in Champagnergold und doch kein Accuphase. Der A-09 gilt unter Insidern als Pioneers letzter großer Stereo-Vollverstärker. Wer die Rarität in die Hände bekommt, spürt sofort, warum.
Ja, wo isser denn, der Goldjunge? Herr D. geht voran, wir zirkeln an einem großen Tischkicker vorbei, umrunden einen ausgewachsenen Billardtisch. Und da hinten ist er, der Pioneer A-09, thront auf einem selbst gebauten HiFi-Rack – im Partykeller!
Der Amp besteht im Prinzip aus zwei Einzelkomponenten, füllt das große Gehäuse mühelos aus und ist schwer wie Blei. Und er hält die kleinen Sonus Faber Minima Vintage ordentlich auf Trab. Doch was ist, wenn der Amp nachher mit mir ins Fotostudio reist? Kein Luxussound mehr bei Herrn D. im Nobel-Partykeller?
Keineswegs. An guten Verstärkern herrscht hier kein Mangel. Der A-09 wird durch einen Röhren-Preamp von EAR (mit Goldfront!) und Jeff Rowland Model 2 ersetzt. Die Kombi sieht zwar nicht halb so cool aus wie der minimalistische Riese von Pioneer, „klingt aber auch ziemlich gut“. Herr D., Jahrgang 1969, wirkt nicht nur insgesamt recht locker und entspannt, er pflegt auch ein solches Verhältnis zu seiner Leidenschaft. 1985 packte ihn der HiFi-Bazillus, als er Springsteens „Born In The USA“ bei einem Händler in Mannheim erlebte. Bruce The Boss brüllte in „angemessener Lautstärke“ über eine Infinity Kappa 9 – und Herr D. wusste sofort: So einen Klang will ich eines Tages auch haben!
Allerdings nicht unbedingt im Partykeller. Es gibt da noch eine richtig große Anlage unterm Dach. Ein Refugium zum Arbeiten und intensiven Musikhören, ohne Billard oder Kicker. Dort war der Pioneer unlängst noch im Einsatz, versorgte Tannoy Kensington oder JBL Century Gold – bis die Infinity RS2B einzog, deren Leistungshunger mit der Class-A-Schaltung des A-09 nicht unbedingt perfekt harmoniert. Den Nippon-Amp erstand Herr D. übrigens erst kurz zuvor, ausgerechnet im Nachbardörfchen, in praktisch perfektem Zustand. Ein echtes Schnäppchen war es allerdings nicht, Käufer und Verkäufer wussten beide über den Youngtimer ganz gut Bescheid.
Der A-09 war ab 1992 für gut vier Jahre im Portfolio von Pioneer. Er dokumentiert das ambitionierte Hi-Fi der neunziger Jahre höchst eindrucksvoll: eine verführerische Mischung aus japanischer Materialschlacht und geradezu britischem Verzicht auf Schnickschnack. So bietet die massive Front des Amps neben dem obligatorischen Netzschalter lediglich zwei wunderschöne Drehschalter für Eingangswahl (selbstverständlich mit Phonozweig) und Aufnahmepfad (Analogmaschinen willkommen) sowie einen großen Pegelsteller mit 40 Stufen. Dahinter steckt kein schnödes Potentiometer, sondern ein aufwendiges Netzwerk aus Einzelwiderständen. Das in Handarbeit gefertigte und feinjustierte Luxus-Bauteil kam zuvor schon im Pioneer Exclusive C7, ja selbst im Ultra-Preamp CL-M2 von Micro-Seiki zum Einsatz. Sämtliche Knöpfe des A-09 laufen, rasten und klicken herrlich satt, präzise und „teuer“ – ein haptisches Vergnügen sondergleichen. Wer bräuchte da noch eine Fernbedienung?!
Auch auf der Rückseite bietet das Dickschiff massive Qualität, die sich neben einem symmetrischen Eingang auch in riesigen Terminals für die Lautsprecherkabel manifestiert. Dass deren Schlitze für Gabelenden und fette Strippen sehr gut geeignet sind, bei simplen Bananensteckern aber passen müssen, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Insgesamt steht der Pioneer von Herrn D. auch nach über zwei Dekaden im Einsatz tadellos da. Original-Fanatikern wird zwar das Wasser in die Augen schießen, weil der A-09 bei einem Tuning-Service mit einem neumodischen Teil verändert wurde: Das Netzkabel ist nicht mehr original (schon damals in OFC-Qualität), sondern sozusagen audiophil und – igitt – mit einer Markierung für die korrekte Netzphase ausgestattet. Doch Herr D. bleibt entspannt und pragmatisch: Dem Klang hat’s nicht geschadet, er hört nach wie vor gerne mit dem A-09 Musik, besonders gerne zusammen mit seiner Liebsten. Dann geben sich Dean Martin, Frank Sinatra und andere Crooner die Ehre. Was wiederum hervorragend zum eher runden Timbre beider Anlagen passt und lange Hörsitzungen fast schon garantiert.
Den Pioneer A-09 werde ich Herrn D. übrigens persönlich zurückbringen. Denn in der großen Anlage unterm Dach habe ich vorhin einen Tuner entdeckt, den es auch nicht alle Tage zu sehen gibt …