Ortofon SPU A95 / TA-210 MC-Tonabnehmer / Tonarm – Im Meer der Ruhe
Gewicht ruht in sich selbst. Ein Plädoyer zugunsten schierer Masse.
Es ist – wieder mal, muss man schon sagen – Ortofon-Jubiläum. Mich freut das, denn es steht für eine Konstante in unserem (Audio-)Leben. Ortofon, das ist der analoge Fels in der digitalen Brandung: kreativ wie eh und je, seit 95 Jahren. Und seit sagenhaften, unglaublichen 50 Jahren gibt es nun SPU-Tonabnehmer. So lange ist es tatsächlich her, dass Robert Gudmandsen seinen MC-Abtaster konstruierte. Und die Fans der alten „Tondosen“ freuen sich, dass die für heutige Verhältnisse klobigen und schweren Systeme immer noch in der einen oder anderen Form hergestellt werden.
Abgesehen von der Nachfrage durch eine weltweite Gemeinde von SPU-Liebhabern hält auch Ortofon, allen voran Chefentwickler Leif Johannsen, an den SPUs fest, die – abgesehen vom „Classic“ – durchaus weiterentwickelt wurden und werden. Das gilt auch für einen Newcomer in der SPU-Riege, das A95. „A“ steht natürlich für „Anniversary“ und für einen Tonabnehmer, der den SPU-Grundcharakter (niederohmige Spulen, „harte“ Nadelaufhängung, recht hohe Auflagekraft) bewahrt, aber mithilfe moderner Techniken und Materialien verbessert und an heutige Bedürfnisse angepasst wurde. Und natürlich blieb es auch bei der typischen „Verpackung“ des Generators, der Tondose mit Bajonettanschluss, resultierend in einem Gesamtgewicht von 28 Gramm. Die glänzend schwarze Dose besteht heutzutage aus einem gepressten Holz/Resin-Gemisch. Vintage-Freaks schwören natürlich auf die alten Bakelitgehäuse, doch falls man die Ansicht vertritt, dass Vibrationen und Schwingungen an dieser Stelle fehl am Platze sind, dann muss man auch ehrlich zugeben, dass die moderne Ausführung wahrscheinlich ruhiger veranlagt ist …
Für das moderne SPU A95 empfiehlt Ortofon eine Nenn-Auflagekraft von 25 bis 35 Millinewton. Der Abtaster enthält prinzipiell das gleiche Generatorsystem wie der Vorgänger 90th Anniversary, ebenso ergänzt durch Leif Johannsens Feldstabilisator („FSE System“), de facto ein kleiner Zylinder aus leitendem Material, der im Feld-Fokus der Magneten positioniert ist. Diese Konstruktion hat das A95 übrigens mit den beiden absoluten Topmodellen des Hauses, dem Windfeld und dem Xpression, gemeinsam.
Und natürlich griff man auf hochmoderne Fertigungstechnik zurück: SLM (Selective Laser Melting) erzeugt aus Titaniumpulver einen inerten, praktisch komplett zu einem massiven Stück verschweißten „Body“ oder Träger-Körper mit hoher interner Dämpfung und extremer Festigkeit. Es ist durchaus amüsant, dass diese High-End-Fertigungstechnik heutiger Tage schließlich ihren endgültigen Platz unter einer so altertümlich aussehenden „Haube“ wie der Tondose findet, übrigens ebenso wie nicht minder moderne Spulen aus silberplattiertem Reinstkupfer.
Ein klein wenig konventioneller geht es dann schließlich doch wieder am vorderen Ende des Aluminium-Nadelträgers zu: Dort sitzt ein nackter elliptischer Diamant. Mit einem Innenwiderstand von lediglich zwei Ohm verlangt das A95 (SPU-typisch) nach einem niederohmigen Eingang – zehn Ohm aufwärts, so die Regel, wobei sich der Abtaster in der Praxis mit 30 oder 35 Ohm ganz wohl zu fühlen schien.
Glasklar, dass für eine so schwere Tondose beileibe nicht jeder Tonarm infrage kommt. Wer sich mit einem SPU beschäftigen möchte, der muss sicherstellen, dass ein mindestens mittelschwerer, besser schwerer Tonarm das Gewicht des Tonabnehmers auch ausbalancieren kann. Das ist kein Problem für Ortofons „langen“ Tonarm TA-210, ein statisch ausbalancierter, wunderschön gefertigter Tonarm mit SME-Anschluss (Bajonett). Er vermag bereits mit dem Standard-Gegengewicht 28 Gramm auszubalancieren, sogar noch deutlich mehr ginge mit einem aufsteckbaren Zusatz-Gegengewicht, das im Falle des SPU A95 aber nicht einmal nötig ist. Dieser Tonarm ist, um das jetzt salopp zu formulieren, ein riesengroßer massiver, halbkilo-schwerer Prügel mit einer effektiven Länge von 329 Millimetern. Tatsächlich sollte man sich bei so einem Ensemble nicht nur Gedanken darüber machen, ob ein langer Arm auf das Laufwerk passt, sondern vielleicht auch darüber, ob etwa ein Subchassis-Spieler mit dem Gesamtgewicht fertigwird …
Geometrisch ist der TA-210 auf Nulldurchgänge bei 66 und 120,9 Millimetern ausgelegt, wobei die Grundmontage durch Ortofons clevere Einbau-Montagelehre an sich ein Kinderspiel darstellt. Nötig ist eine runde Bohrung von 20 Millimetern Durchmesser, die mithilfe der stabilen Plastik/Metall-Lehre präzise angezeichnet werden kann – einfach superpraktisch! Im Lieferumfang des Arms befinden sich noch eine offenkundig solide Alu-Headshell (die mit dem A95 natürlich nicht benötigt wird) sowie ein sehr hochwertiges, fast kleinfingerdickes Ortofon-Tonarmkabel. Zweifellos eine schöne Draufgabe, die allerdings in Sachen Biegsamkeit jeder Trambahnschiene Konkurrenz macht. Falls Sie also vor dem Einstecken dieses Kabels (Fünfpol-Stecker) einen Subchassis-Plattenspieler besaßen, haben Sie hinterher keinen mehr. Engere Biegeradien innerhalb eines Laufwerks-Chassis sind zwar machbar, aber dann würde dieses fette Kabel die ganze Geschichte abstützen oder festspannen – alles sicher nicht im Sinne des Erfinders. Aber vielleicht könnte man in HiFi-Zirkeln einmal vorsichtig andiskutieren, Kabel biegsam zu bauen, das würde vieles erleichtern!
Die Antiskating-Einstellung am 210er ist konventionell, aber bequem mittels eines Federmechanismus gelöst. Eine präzise Justage sollte freilich anhand einer Testplatte erfolgen, ebenso wie für die Einstellung der Auflagekraft ausschließlich eine elektronische Waage benutzt werden sollte; die Skalierung am Gegengewicht taugt – wie immer bei statisch auszubalancierenden Tonarmen – bestenfalls als Orientierungshilfe. Sind innerhalb des angegebenen Auflagekraft-Bereichs schließlich 70 µm Abtastfähigkeit erreicht, sollte man es dabei belassen, mehr ist mit so einem „harten“ System wie dem 95th Anniversary erfahrungsgemäß nicht drin.
Ein zwar behebbares, aber zeitraubendes Ärgernis war übrigens der horizontale Abtastwinkel (HTA) beim SME-Anschluss des Tonarms: Er war nicht exakt gerade montiert, sodass der Tonkopf von vorne betrachtet leicht schief stand. Die winzige Klemmschraube unten hinter dem Bajonettanschluss musste geöffnet werden, um das Problem(chen) zu beheben. Hierbei wurde der Vorteil von Tonarmen mit dem guten alten Fünfpol-Stecker unten am Schaft deutlich: Abstecken, Klemmschraube am Montagekragen öffnen, Arm nach oben herausziehen, schon hat man das ganze Ding in der Hand.
Gehört wurde die Kombi, weil die Gelegenheit, sprich die Geräte gerade da waren, sowohl mit der Einstein- als auch mit einer Whest-Phonostufe (Titan Pro). Die Grundcharakteristik des A95 blieb in beiden Fällen vollständig erhalten und vergleichbar: ein solider, erdiger, körperhafter, dreidimensionaler und eher nach vorne orientierter voller Klang, der im Vergleich zum ebenfalls opulenten „alten“ SPU Classic aber detaillierter und auch deutlich frischer erscheint. Wobei mir der Tonabnehmer im Bass sogar schlanker, aber knurriger vorkommt als mit einer meiner gewohnten Arm-System-Kombis, nämlich der EMT-„Banane“ im Teamwork mit dem SPU Classic A. Dem A95 plus TA-210 sicherlich zu eigen ist aber schon eine gewisse „Schwere“, die jetzt durchaus positiv zu verstehen und nicht mit Tiefton-Energie zu verwechseln ist. Eher meine ich damit eine spezielle „Körperlichkeit“ im Ton, die sehr glaubhaft wirkt und gerade nah aufgenommenen Instrumenten eine mitunter geisterhafte Präsenz verleiht. Hinzu kommt große Ruhe und Souveränität; hektisch, damit „klein“ oder unruhig wirkt das A95 nie, woran der ziemlich unbeirrt laufende Tonarm sicherlich seinen Anteil hat. Feindynamische Abgründe erschließen sich so ebenfalls nicht, auch die ganze Wärme und, ja, zugegeben, mitunter die Süßlichkeit eines klassischen SPUs ist nicht mehr vorhanden. Zwar ist auch dieser intern moderne Tonabnehmer Gott sei Dank noch kein Ausbund an Analytik, aber er spielt hoch detailtreu, tendiert erst dann zur Nervigkeit, wenn eine ohnehin dünn-helle Scheibe aus den 80ern auf dem Teller liegt; ein Shindo-SPU oder ein betagtes Koetsu Black sind in solchen Fällen dann doch umgänglicher.
Mit geringem Laufgeräusch und dem körperlichen, wie festgenagelt wirkenden Bühnenbild vermittelt diese Arm-System-Kombi Solidität, Ruhe und trotzdem genug Spielfreude sowie eine opulente „Harzigkeit“, die das Gegenteil einer eher technisch-sachlichen Wiedergabe bewirkt. Wobei durchaus „moderne“ Einschläge vorhanden sind, so etwa ein gewisses helles Schimmern mit zunehmender Frequenz, das nach meinem Dafürhalten nicht völlig bruchlos zur energiereichen, süffigen Darstellung der tieferen Lagen passt. Aber da sind wir längst auf der Ebene des persönlichen Geschmacks und des individuellen Bedürfnisses nach tonaler Transparenz oder schlicht: Hochton-Auflösung. Eine große Rolle spielt übrigens die korrekte Auflagekraft; feine Variationen zwischen 30 und den maximal erlaubten 35 Millinewton sind durchaus für klar diagnostizierbare klangliche Veränderungen gut, ebenso wie die Tonarmhöhe. Ich persönlich endete diesbezüglich mit einer kleinen Hochstellung des Tonarms, ein paar Grad heraus aus der Grundstellung, also dem zur Schallplatte parallelen Tonarmrohr.
Ortofon TA-210
Prinzip: statisch ausbalancierter Tonarm für Tonabnehmer von 18 bis über 25 g Gewicht mit abnehmbarer Headshell nach SME-Standard, 5-Pol-Kupplung, Antiskating-Einstellung über Feder
Justierbare Auflagekraft: 0-50 mN
Montageabstand: 316,6 mm
Montagebohrung: 20 mm
Effektive Tonarmlänge: 329 mm
Lieferumfang: Headshell, Kabel
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 1575 €
Ortofon SPU A95 (95th Anniversary)
Prinzip: Low-Output-MC
Nadelschliff: Diamant elliptisch, nackt
Nadelnachgiebigkeit: 9 µm/mN
Empfohlene Auflagekraft: 25-35 mN
Nominelle Ausgangsspannung: 0,3 mV
Gleichstromwiderstand: 2 Ω
Empfohlener Abschlusswiderstand: 10-50 Ω
Anschluss: SME-Anschluss
Gewicht: 28 g
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 2500 €
ATR – Audio Trade HiFi Vertriebsgesellschaft GmbH
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