Synthesis Roma 79DC – Verführung in Rot
Sein Farbton liegt knapp neben meinem Geschmack, aber der Roma 79DC von Synthesis kennt andere Wege, zu betören.
Ich hatte es befürchtet. Mir war klar, dass er rot sein könnte. Aber ich hatte Hoffnung. Und nun schaut er mich unschuldig an aus seiner Kiste, mit rotem Gesicht. Wo doch Uwe Timm mich gerade erst in seinem Buch Rot über alle tiefgründigen literarischen, philosophischen und emotionalen Aspekte der Farbe aufgeklärt hat: Emotionalität, Wahrheitstreue, Leidenschaft, Lippen, Blut und Revolution sollen untrennbar damit verbunden sein. Audiophile High-End-Geräte wurden allerdings nicht erwähnt.
Nun gut, ich soll ihn ja anhören und nicht schön finden. Also ausgepackt, aufgebaut, angeschlossen und – angeguckt. Absolut perfekt verarbeitet ist sie ja, die Front. Das rot eingelassene und darüber klar lackierte Holz erinnert mich ein bisschen an die Bauklötze meines Sohnes. Und doch, zusammen mit den vermutlich gefrästen Rillen und dem überdimensionalem Drehknopf bildet es einen stimmigen Kontrast zu dem dahinterliegenden nüchternen schwarzen Kasten, aus dem – so etwas können nur Italiener – ein hellgrau leuchtendes LCD-Display freundlich motiviert hervorlugt und daran erinnert, dass wir es hier mit Hightech zu tun haben.
Diese zur Schau getragene handwerkliche Perfektion macht mich neugierig. Wie sieht dieses Gerät wohl im Inneren aus? Wo es doch galant versucht, genau dieses Innere zu verbergen, indem es alle benötigten Konfigurationsmöglichkeiten zuvorkommend nach außen verlagert? Aber der Roma-Pre hat nichts zu verbergen, das Innenleben erfüllt die aufgebauten Erwartungen durch klare Strukturen und makellose Verarbeitung. Auf einen Übertrager wird verzichtet, stattdessen erfährt das MC-Signal eine rauscharme Operationsverstärkung durch JFETs. Das MM-Signal wird mithilfe von zwei ECC83-Doppeltrioden verstärkt, das Ausgangssignal schließlich auf beiden Kanälen mit einer ECC82, deren Leistung nach dieser Vorarbeit bequem ausreichen dürfte. Die Röhren arbeiten dabei in einer sogenannten „white follower configuration“, also einer Kathodenfolger-Schaltung. Der vernünftig dimensionierte Ringkerntrafo liegt schlau an der Front und hält so Sicherheitsabstand zum empfindlichen Signal. Möglicherweise ist dies auch der Grund, dass er sich eine eher dürftig scheinende Abschirmung erlaubt.
Bisher liefert der Synthesis Roma 79DC also ein durchaus gefälliges und vor allem stimmiges Gesamtbild ab. Wie leitet man nun einen Hörtest für ein solches Gerät angemessen ein?
Ich entscheide mich für „Trembling Of The Rose“ von Two Gallants, das ich in letzter Zeit sehr gerne höre und auch schon für den einen oder anderen Test verwendet habe. Der erste Eindruck ist – interessant. Das ruhige Stück kommt gewohnt melancholisch, aber noch ein wenig klarer, detailreicher daher, der Gesang spürbar akzentuierter. Dieser immer etwas nölende, quenglige Adam Stephens kann tatsächlich singen? War da sogar die Andeutung eines Tremolos in seiner Stimme? Die Gitarre ist präsent und detailliert, dabei angenehm melodisch und nicht hart. Währenddessen spielen die Streicher räumlich klar definiert im Hintergrund, aber jederzeit vorhanden. Das klingt auf jeden Fall spannend. Also einfach mal laufen lassen. „Reflections Of The Marionette“ gehört zurzeit zu meinen absoluten Favoriten. Ich bin sehr neugierig, speziell auf Becken und das Schlagzeug allgemein. Die Erwartungen sollten sich übererfüllen. Das Becken, ein greifbarer Traum, absolut real in jedem einzelnen Anschlag und jeder Obertonschwingung. Das Schlagzeug bleibt jedoch insgesamt eher blass, und die emotionale Steigerung des Songs gerät bisweilen recht flach, hart und fast unangenehm laut. Möglicherweise tun sich die noch jungfräulichen Röhren ein wenig schwer mit dieser zugegebenermaßen sehr komplexen Produktion, die auch schon andere Anlagen vor diffizile Aufgaben stellte.
Nun gut, wie macht man hier weiter? Eine Offerte zur Versöhnung oder gleich direkte Konfrontation? Ich biete „Moonlight In Vermont“ von Ella und Louis. Mein Angebot wird dankbar angenommen. So präsent berührend und doch exakt bis hinters Zäpfchen ausgeleuchtet höre ich Ella Fitzgerald am liebsten. Der Einsatz von Louis’ Solo ohne jeden Schreck, das Blech scharf wie ein Messer, der Schnitt klar und deutlich nachzuvollziehen und doch zart und gefühlvoll, ohne jeden Schmerz, den so exakt dargestellte Bläser sonst gerne mal mit sich bringen. Die wirkliche Überraschung dann: Louis Armstrongs Gesang. Warm, voll, zum Ankuscheln. Exakt und genau wie vorher Ella, aber eben auch warm und zärtlich, gleichzeitig transparent, man spürt jeden Atemzug.
Das will ich jetzt genauer wissen. „Joe’s Garage“ vom gleichnamigen Zappa-Album ist zwar ein Stilbruch und reißt mich etwas aus meiner verliebten Stimmung, aber schließlich bin ich nicht zum Spaß hier. Mit wohliger Erleichterung stelle ich fest, wie der Synthesis Roma meine Anlage bei diesem epochalen Meisterwerk mit Leichtigkeit und Eleganz auf der Gratwanderung zwischen in der Erinnerung romantisch besetztem Rocksong aus meiner Schulzeit und avantgardistischem Konzeptstück begleitet. Das ist so gut, man muss es laufen lassen. Aus den „Catholic Girls“ wird die „Crew Slut“, während ich das Gitarren- und Mundharmonika-Solo schön und gleichzeitig bewusst höre wie selten zuvor. Nebenbei danke ich Frank, dass er mich mal wieder vor den katastrophalen Auswirkungen von Rockmusik gewarnt hat.Im Interesse meiner Läuterung setze ich an zum Rundumschlag: Wolfgang Amadeus Mozarts Violinkonzert Nr. 4 in D-Dur. Spätestens jetzt ist der RIAA-Entzerrer endgültig in seinem Element. Mit Pferdehaar angeregter Katzendarm ist eindeutig seine Disziplin. Je nach Satz fröhlich, zart oder engagiert zeichnet er im gesamten Bereich angenehm gleichmäßig durch, leichtfüßig, aber nicht zu filigran, detailgetreu, aber nicht analytisch-kühl. Er stellt jeden Teilaspekt der Musik bereitwillig zur Verfügung, ohne das Gesamtgefüge auseinanderzunehmen. Die nächsten Tage und Wochen hörte ich noch viel gute Musik mit dem Synthesis. Nach einigen Wochen klangen die Standard-Röhren auch insgesamt noch etwas geschmeidiger. Ein Versöhnungsversuch mit den schwierigen Two Gallants verlief durchaus erfolgreich. Auch die beigelegten NOS-Röhren habe ich natürlich noch ausgiebig gehört. Sie rundeten den Klang des Synthesis etwas ab. Nahmen die Schärfe, aber auch etwas Klarheit aus den Höhen vom Blech der Bläser wie Becken. Dafür erweiterten sie den Raumeindruck in die Tiefe und verliehen Instrumenten mehr Körper.
Dem Phonoentzerrer gelingt immer die perfekte Synthese aus Detailzeichnung und Gesamtbild. Er hält das Gleichgewicht, ohne einen der beiden Aspekte zu bevorzugen. Dem wissenschaftlichen Analysten von Tonspuren mag er unter Umständen einen Hauch zu lieblich sein. Aber er verleiht wirklich jeder Musik, vom eher schmutzigen Seventies-Rock bis zur italienischen Klassik, diesen wundervollen Glanz, den der Röhren-Fan so liebt. Diese Töne lassen mich inzwischen auch ganz wundersam versöhnlich auf das rote Holz blicken. Und mit der Zeit fügt sich alles zusammen, ergibt Sinn: ein echter Italiener eben, mit Leib und Seele. Übrigens gibt es den Synthesis Roma 79DC auch in Schwarz. Aber wer will das schon?
Mitspieler
Plattenspieler: Scheu Cello
Tonarm: Jelco SA-750D
Tonabnehmer: Clearaudio Concept MC
Digitalquelle: Sonos
Phono-Vorverstärker: Creek OBH-15
D/A-Wandler: Goldnote DAC 7
Vorverstärker: Steinmusic Swing
Endverstärker: Decware SE84B (modifiziert von Steinmusic)
Lautsprecher: Steinmusic-Schallwände
Kabel: DNM, Audio Note u. a.
Synthesis Roma 79DC
Prinzip: Röhren-Phonovorstufe (MM/MC)
Röhrenbestückung: 2 x ECC83, 1 x ECC82
Eingangskonfiguration: 47 kΩ, 47/100/150/200/270/370 pF (MM); 100 pF, 22/47/100/150/330/1000 Ω (MC)
Frequenzbereich: 20 Hz–20 kHz (–0,5 dB)
Verstärkungsfaktor: 40 dB (MM), 60 dB (MC)
Besonderheiten: Mehrstufige, besonders rauscharme Signalverstärkung; Systemabschluss über Drehregler an der Vorderseite
Ausführungen: rote oder schwarze Echtholzfront
Abmessungen (B/T/H): 26/38/9,5 cm
Gewicht: 5 kg
Stromverbrauch: 30 W
Garantiezeit: 2 Jahre
EnVogue Audio,
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