IFA Berlin 2015 – Gute Stimmung unterm Funkturm
Vom 4. bis zum 9. September 2015 war es wieder einmal so weit: Die Internationale Funkausstellung (IFA) lockte uns nach Berlin. Die Veranstalter beschreiben die IFA als „die global führende Messe für Consumer Electronics und Home Appliances“ und das ist sie sicher auch. Mit einem unerwartet starken Zuwachs an deutschen und internationalen Fachbesuchern schließt in diesem Jahr eine der erfolgreichsten IFAs der Geschichte: 1645 Aussteller präsentierten ihre Neuheiten den globalen Märkten, erstmals kamen mehr als 50% der Fachbesucher aus dem Ausland, insgesamt stieg die Besucherzahl auf 245000 – eine beeindruckende Performance.
Das Thema „HiFi“ hatte schon lange keine große Rolle mehr auf der IFA gespielt, und doch haben sich einige Hersteller hartnäckig dort gehalten. Bisweilen erinnerte HiFi auf der IFA stark an das bekannte kleine gallische Dorf, dem die Römer immer dichter auf die Pelle rückten. Das scheint jedoch vorbei zu sein, das Thema nimmt wieder an Fahrt auf. Die Halle 1-2, traditionell die HiFi-Halle, war an allen Tagen sehr gut besucht und auch die „ausgelagerten“ Hersteller von Musikmaschinen erfreuten sich eines regen Zuspruchs. Sicher gab es den einen oder anderen Hersteller, bei dem einige Besucher reflexartig die Nase rümpfen. Wir warnen aber davor, eine allzu elitäre Einstellung zu pflegen. Der Weg vom Einstieg über HiFi bis hin zu High End Audio ist lang und wohl nur die allerwenigsten von uns sind gleich ganz oben eingestiegen. Jeder von uns kann sich an seine Anfänge erinnern, und die hießen selten McIntosh, JBL, Burmester oder Goldmund, eher waren das Marken wie Grundig, Saba oder Philips – und vermutlich auch keine vollständigen Anlagen, sondern ein bescheidener Kassettenrekorder mit Mikrofon zum Aufnehmen vom Lautsprecher … Ob das wirklich besser war als heutige Einstiegsplayer? Beantworten Sie sich diese Frage bitte selbst.
Wir sind jedenfalls froh, eine derartige Vielfalt im Markt zu sehen – und haben uns auch darüber gefreut, in der HiFi-Halle gefühlt mehr junges als reifes Publikum zu erspähen.
Aber was tat sich denn so in den Hallen? Beyerdynamic beispielsweise zeigte geschrumpfte „Tesla“-Technologie für Kopfhörer. „Tesla“ gibt es jetzt auch für In-Ear-Hörer der Traditionsmarke, kleiner als eine 1-Cent-Münze, und man fragt sich unwillkürlich, wie Beyerdynamic so etwas bloß hinbekommt. Technics feierte auf der diesjährigen IFA seinen 50. Geburtstag und versprach, innerhalb eines Jahres mit einem neuen Plattenspieler aufzuwarten; einen sehr frühen Prototypen gab es schon unter Glas zu bestaunen. Deutlich näher am echten Leben waren eine „All-in-one“-Anlage namens „Ottava“ sowie ein sehr vielversprechender Kopfhörer, der mit einem technisch aufwendigen Zwei-Wege-System realisiert wurde. Canton hatte neben seiner brandneuen Reference-K-Serie (ausführlicher Test in FIDELITY Nr. 22, Ausgabe 6/2015) noch ganz andere Schallwandler zu bieten: Musicbox XS und S sind mobile Drahtloslautsprecher für den guten Klang unterwegs. Von der sauberen Performance konnte man sich bereits vor Ort überzeugen. Yamaha schoss ein Feuerwerk mit 23 neuen Produkten unter dem „MusicCast“-Dach ab, allesamt Multiroom-Produkte, aber mit dem besonderen Yamaha-Touch.
Audio Technica, bekannt für bezahlbare Plattenspieler und superbe Tonabnehmer, überraschte uns mit einem fast unbezahlbaren Kopfhörerverstärker der „Einmal-bitte-alles“-Klasse. Der Klang? Nicht von dieser Welt. Der Preis? Ebenso, aber vielleicht doch eine Sünde wert?! Teufel hatte ebenfalls eine ganze Palette von Neuheiten im Gepäck. Am auffälligsten war natürlich der “Rockster“, ein bulliger portabler Lautsprecher im ungeschönten PA-Look, optimal für Parties im Freien bei entspannter Originallautstärke. Die Spezialisten von IFI zeigten in Berlin die highendige Variante eines Steckernetzteils, wobei der High-End-Aspekt nicht auf einer möglichst aufwendigen Hülle, sondern auf der Technik selbst liegt: Eine Störkomponente von 1µV auf der Gleichspannung darf getrost als unbedenklich angesehen werden. Ferner gab es einen neuen „Purifier“, der – im Gegensatz zu anderen – direkt am Empfänger und nicht am Sender zum Einsatz kommen soll. Marshall wiederum, bekannt für seine Gitarrenamps mit dem unverwechselbaren „Marshall-Sound“, war mit seinen One-Box-Lautsprechern und einem für Musik optimierten Handy am Start. Ja richtig gelesen: ein für Musik optimiertes Handy. Es umfasst hochwertige Mikrofone für Stereoaufnahmen, besondere Wandler und Verstärker für den Kopfhörerbetrieb sowie eine für Musikwiedergabe optimierte Menüführung. Das unnachahmliche Marshall-Feeling bei der Benutzung rundet das Erlebnis ab. Wir haben reingehört und sagen: beide Daumen hoch! Bei Sennheiser verließ man sich sicherheitshalber auf einen Plattenspieler von Transrotor, um seine Kopfhörer vorzuführen, und Pioneer kehrt Zug um Zug zu seinen Zwei-Kanal-Genen zurück. Blockaudio hat den in FIDELITY 4/2015 getesteten CVR 100+ MkII multiroomfähig gemacht und zeigte neue Netzlautsprecher.
Um die IFA herum gab es, wie in jedem Jahr, zahlreiche Veranstaltungen. Erwähnenswert ist Max Schlundt aus dem Berliner stilwerk mit seinen bereits zur Tradition gereiften Klangwelten, einem Marken-Catwalk im Eingangsbereich des stilwerks. In diesem Jahr gab es noch zusätzlich zwei fantastische Live-Performances im Atrium: Der Berliner Singer-Songwriter Titus Wolfe machte den Auftakt, gefolgt vom Pianist Tom Hoppe, der unter anderem durch sein Engagement im renommierten ATOS Trio bekannt ist, sowie die vielfach prämierte Geigerin Ji Yoon Lee. Beide Veranstaltungen fanden öffentlich und kostenlos statt und entpuppten sich als wahrer Genuss.
Überhaupt war Berlin wieder einmal klasse und wir freuen uns schon auf das nächste Jahr.