NAD D 3020 – Déjà-vu!
Wie die Zeit vergeht: Vor mehr als 35 Jahren landete der Hersteller NAD mit dem Modell 3020 seinen ersten großen Hit. Für die Neuauflage dieser Vollverstärker-Ikone hat sich vieles verändert. Geblieben ist der feine Sound.
Was für ein schöner Zufall: Ein gebrauchter NAD 3020 war mein allererster Vollverstärker, ich erstand ihn im zarten Alter von 17 Jahren und habe ihn bis heute in bester Erinnerung: das unprätentiöse Design im zarten Dunkelgrau, die gute Haptik – und der für den damaligen Straßenpreis erstaunlich reife, erwachsene Klang.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2014 – und NAD hat eine zeitgemäße Neuauflage des guten alten 3020 am Start. Er hört auf den Namen D 3020 – und technisch ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Das Original kam damals mit drei Hochpegeleingängen und einem Phonoanschluss. Der Neue hingegen ist ganz klar auf die Erfordernisse der highfidelen Neuzeit ausgerichtet. Streng genommen ist er auch gar kein reinrassiger Vollverstärker – wer ihn erwirbt, bekommt gleich einen hochwertigen DAC mit dazu.
Sechs Eingänge stehen zur Verfügung: Da wären zunächst zwei analoge Hochpegeleingänge – einmal klassisch mit zwei Cinchbuchsen und einmal in Form eines 3,5-mm-Stereoklinkenanschlusses. Sodann gibt es je einen optischen und koaxialen Digitaleingang und einen Standard-USB-Anschluss, der den D 3020 gewissermaßen zu einer externen Soundkarte macht (der Anschluss von Speichermedien ist nicht vorgesehen). Wer will, der kann sich sogar per Bluetooth Zugang zu dem kompakten Kerlchen verschaffen.
Sagte ich gerade „kompaktes Kerlchen“? Jawohl! Der D 3020 ist gegenüber seinem Vorgänger auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Formats geschrumpft. Außerdem kann er – ganz nach Belieben – liegend oder stehend betrieben werden. Das Erwecken aus dem Schlafmodus und die Quellenwahl sind entweder per Fernbedienung möglich oder ganz ohne mechanische Verschleißteile per „Fingerzeig“ auf entsprechende beleuchtete Icons an der Längsseite des Verstärkers.
Das Einzige, was den alten noch halbwegs mit dem neuen 3020 verbindet, ist die nominell bescheidene Ausgangsleistung, die NAD mit 2 x 30 Watt an 8 Ohm angibt. Das klingt angesichts der üppigen Leistungen, die Class-D-Designs heute bieten können, eher dürftig. Doch Chefentwickler Björn Erik Edvardsen, der auch schon der Pate des Ur-3020 ist, hat den D 3020 offenbar eher als VW Käfer designt – und nicht als windiges Rennpferd: verlässlich, langlebig und ehrlich. So nutzt er im DAC-Teil Wandler mit acht Kanälen, einer Wortbreite von 24 Bit und einer maximalen Auflösung von 192 kHz – und generiert daraus die benötigten zwei Kanäle. Hubraum statt Maximalleistung sozusagen.
Klar, dass man inzwischen auf kleinstem Raum auch locker ein Mehrfaches an Ausgangsleistung aus der Class-D-Technik herausziehen kann – doch es geht ja nicht nur um schiere Potenz, sondern auch um Meriten wie Signal-Rausch-Abstand, Verzerrungen und dergleichen mehr. Und daher kommt im D 3020 – wie auch in anderen Amps des Herstellers – die sogenannte PowerDrive-Technologie zum Einsatz. Sie ermöglicht es dem D 3020, sich an die angeschlossenen Lautsprecher anzupassen. Er liefert bei niedrigeren Impedanzen höheren Strom – und höhere Spannung, wenn die Impedanzen höher liegen. In der Tat: Der D 3020 klingt auch in der Stellung „alle Regler nach rechts“ (gut, es gibt nur einen) immer noch transparent und sauber.
Womit wir dann auch beim Klang wären. Immer wieder gerne bei mir im Hörparcours: The Gun Club mit dem Song „Anger Blues“. Der Titel ist Programm: Sänger und Gitarrist Jeffrey Lee Pierce (leider inzwischen verstorben) hat, man verzeihe die volkstümliche Ausdrucksweise, so richtig den Hals. Das Stück basiert auf einem Gitarrenriff, das durchaus auch von Eric Clapton hätte sein können, im Hintergrund glimmt leis‘ eine Hammondorgel, die jedoch auch mal bedrohlich anschwellen kann, das Schlagzeug ist bluesig und wuchtig zugleich – und um den Bassbereich musste man sich bei The Gun Club ja noch nie sorgen: fett. Wer als Verstärker dieses Stück richtig in die Wohnstube bringen soll, der muss allerlei Talente mitbringen: Feindynamik in den ruhigen Phasen, ordentlich Schub bei den ausufernden Gitarrensoli, aber auch die Fähigkeit zum sauberen, breiten und tiefen Bühnenaufbau, denn auch wenn die Aufnahme schon 20 Jahre alt ist, hat sie diesbezüglich einiges an Qualitäten zu bieten.
Heimspiel für den D 3020! Die Gitarre ist eben nicht nur eine Gitarre, wir hören auch all die schönen Schepper- und Klirrtöne, die sich ergeben, wenn ein Gitarrenverstärker, der schon merklich über dem Zenit seiner Lebensleistung steht, mit einem Mikrofon abgenommen wird. Die Hammondorgel flüstert und schnurrt, kann aber auch jederzeit unwetterartig grollen. Der Bass geht – mindestens – in die Magengrube. Und der Gesang: Ja, Jeffrey HAT einen Hals. Alle Wetter, was diese kleine Kiste leistet, und zwar für nicht mal 500 Euro Wareneinstand, das kann sich sehen lassen!
Ganz ähnliche Gefühle auch bei den Go-Betweens: Das ruhige „He Lives My Life“ mit zwei fein perlenden, cleanen E-Gitarren, der brüchigen Stimme von Grant McLennan und elegischen Violinen bildet der D 3020 in geradezu kammermusikalischer Manier ab. Fein durchgezeichnete Mitten, klare, saubere, aber zu keiner Zeit beißende oder stechende Höhen und eine ausgezeichnete Stimmenwiedergabe stehen auf der Habenseite. Ähnlich verhält es sich mit der Bühnenabbildung, die großzügig, aber nicht übertrieben wirkt und den Musikern Freiräume in alle Richtungen gibt: auch in die Tiefe.
Übrigens: Die DAC-Sektion ist weit mehr als nur eine Pflichtübung. Digital gereichte Kost präsentiert der D 3020 luftig, offen, aber auch mit genügend Punch und Durchsetzungskraft. Verglichen mit meinem privaten Benchmark, dem B.M.C. Audio PureDac, erlaubt sich der Vertreter aus dem Hause NAD keine echten Schwächen. Insgesamt wirkt die Darstellung des PureDac noch ein wenig kontrastreicher, schärfer, definierter, das merkt man bei unübersichtlicher Kost wie Orchesterwerken oder aber auch bei alten Jazz-Aufnahmen, bei denen der Raumanteil wichtig für den Gesamtklang ist; hier kann der PureDac ein Stück mehr „Information“ mitgeben. Aber er kostet eben auch das Dreifache.
Schön ist, dass man bei NAD dem D 3020 gegenüber seinem „Ziehvater“ einige lästige Kleinigkeiten ausgetrieben hat: Es gibt keine elektromechanischen Schweinereien mehr im Signalweg, auch die Lautstärke wird nun elektronisch geregelt – denn genau das Lautstärkepoti mit seinen berüchtigten Gleichlaufschwankungen war beim 3020 zuweilen ein kleines bis mittelgroßes Ärgernis.
Fazit: Operation gelungen. Es war eine lange, aber offenbar keine schwere Geburt: Der D 3020 tritt ein schweres Erbe an – und er tut es leichtfüßig und mit viel Selbstbewusstsein. Chapeau.
NAD D 3020
Vollverstärker/DAC
Leistung (8 Ω): 2 x 30 Watt
Eingänge: 2 x analog (Cinch und 3,5-mm-Klinke), 3 x digital (USB-Host asynchron, koaxial, optisch), Bluetooth-Empfangsmodul integriert (aptX)
DAC: bis zu 24/192 (über Digitalaudioeingang) / bis zu 24/96 (über USB-Eingang)
Besonderheiten: liegender oder stehender Betrieb, Fernbedienung, Bassanpassung für kleine Lautsprecher schaltbar
Ausführung: Schwarz
Gewicht: 1,4 kg
Maße (B/H/T): 6/16,5/22 cm
Dynaudio
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