Sennheiser Orpheus – Ein erster Hörtest
Auf geht’s nach Wedemark bei Hannover! Sennheiser lädt zur Präsentation des neuen Sennheiser Orpheus, der Nonplusultra-Kopfhörer soll erstmals auch „live“ zu hören sein. Das System stiehlt sogar dem Ur-Orpheus von 1991 die Show, zumindest beim „Aufwecken“. Durch das Einschalten des Verstärkers kommt nämlich Bewegung in die Sache: Ein Röhren-Oktett erhebt sich majestätisch aus einem schwarzen Alublock und beginnt zart zu glimmen. Links davon öffnet sich langsam eine große Glasklappe und gibt das staubgeschütze Fach mit dem Kopfhörer frei. Und aus der Front des Carrara-Marmorgehäuses fahren vier Drehknöpfe sanft heraus. Diese „Entfaltung“ darf man, je nach persönlichem Temperament, faszinierend oder irritierend finden. Angemessen für das, was jetzt zu hören sein wird, ist die Bauteile-Choreografie allemal.
Mit dem neuen Sennheiser Orpheus will Sennheiser nichts weniger als den ultimativen Maßstab setzen. Um das technisch Mögliche mit dem klanglichen Maximum zu verheiraten, ist das Allerbeste gerade gut genug. Daher erhält die verehrte Kundschaft zum sportlich-ambitionierten Preis von 50000 Euro (nein, hier ist keine Null zuviel) ein Rundum-Paket, das schlicht keine Fragen mehr offen lässt – oder besser: offen lassen darf.
Eine einzige Frage stellt sich zu Beginn der Präsentation für mich aber doch noch: Welche Zuspieler sind würdig genug für den frisch gekrönten King of Kopfhörer? Auf der digitalen Seite kommt ein großer Multiplayer von T+A zum Einsatz. Meine mitgebrachten Silberscheiben enthüllen schon in den ersten Sekunden, dass wirklich Spektakuläres oft erst einmal unspektakulär wirkt. Weil es keine Fehler macht. Ich weiß gar nicht, auf welche klanglichen Disziplinen ich zuerst achten soll, so unangreifbar beamt mich der Orpheus direkt in die jeweiligen Scheiben hinein. Diese unfassbare Klarheit und Durchhörbarkeit, diese vollkommen selbstverständliche Artikulation aller aufnahmetechnischen „Schichten“ führen mich unmittelbar zur Musik und enthüllen dabei wie selbstverständlich so manches Detail, das mir bisher einfach entgangen war; ja, auch die kleinen und kleinsten Fehler. Macht aber nix. Das Beste an dieser gnadenlosen (und gnadenlos guten) Enthüllung ist, dass die Quasi-Neuentdeckung vermeintlich bekannter Scheiben immer noch mehr Interesse am Weiterhören weckt.
Nach einiger Zeit des musikalischen Versinkens winkt mich ein Gentleman im Anzug zum zweiten verfügbaren Orpheus herüber: Dr. Burkhardt Schwäbe (der Initiator des Ur-Orpheus von 1991) hat kurzerhand seine eigene Nagra-Bandmaschine mitgebracht, bestückt mit einer Masterbandkopie, die ich nun „unbedingt hören“ müsse. Seine leuchtenden Augen sprechen Bände, das Band sorgt meinerseits für leuchtende Augen: Paul Kuhn live – die Aufnahme kenne ich sehr gut – swingt mit seinem Ensemble derart vollendet, groß, lebendig und mitreißend, dass ich kaum genug davon bekommen kann. Was für eine tolle Live-Atmosphäre! Was für ein Bass! Diese Dynamik, völlig ungebremst … der reine Stoff!
Ein ausführlicher Bericht zum neuen Sennheiser Orpheus wird in der FIDELITY Nr. 24 (Ausgabe 2/2016) erscheinen.