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Teatro Colón, Buenos Aires

Teatro Colón, Buenos Aires

Hörsäle der Welt

Teatro Colón, Buenos Aires

Der Profi-Musiker Stefan Gawlick ist weltweit unterwegs und kennt fast jeden großen Konzertsaal. In dieser Serie berichtet er über Akustik und andere Eigenarten berühmter Häuser – im Auditorium und auf der Bühne.

Für Wilhelm Furtwängler war die Sache klar: Das 1908 eröffnete Teatro Colón galt ihm als das schönste und beste Opernhaus der Welt. Für den Reisenden verhält es sich ganz ähnlich. Wenn man vom Hotel kommend die Avenida 9 de Julio herunterflaniert, steht dieses mächtige Theater zwischen all den modernen Bürogebäuden und Bürotürmen vor einem wie ein Relikt aus der alten Zeit, die angesichts dieser Schönheit anscheinend wirklich eine gute gewesen sein muss. Der Haupteingang versteckt sich auf der Seite der Plaza Lavalle und wird oft mit dem opulenten Künstlereingang auf der Seite der Hauptstraße verwechselt. Der Grund ist einfach: die Prachtstraße wurde erst 30 Jahre nach Eröffnung des Theaters angelegt.

Teatro Colón, Buenos Aires

Im Innern ist es auf der Künstlerseite wie in jedem alten Theater: nicht erfreulich. Die Gänge sind lang, die Garderoben eng und fensterlos, die Treppen glatt und steil, die Fahrstühle klein und langsam. Eine Kantine ist vorhanden, und das ist auch schon das Beste, was man über sie sagen kann.

Betritt man dann allerdings die Bühne, ist all das vergessen. Gerne würde ich jetzt diesen Moment beschreiben, dass Sie mit dabei sind, ihn fühlen und nicht nur davon lesen. Dieses einmalige Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, die schon so viele legendäre Kolleginnen und Kollegen trug. Vor den wunderschönen, im Halbdunkel der Arbeitsbeleuchtung verschwindenden Rängen zu stehen, in denen Musikliebhaber schon über Jahrzehnte die größten Musikerinnen und Musiker erlebten. Maria Callas stand hier, ebenso Luciano Pavarotti, Enrico Caruso, Igor Strawinsky und Herbert von Karajan, um nur einige zu nennen. All das schwingt – es ist schwer zu benennen – in einem solchen Saal mit, die Spannung bleibt irgendwie erhalten, es ist nicht einfach nur ein beliebiger Raum. Dieses Gefühl macht gleichzeitig demütig und hebt einen in höchste Höhen. Und trägt einen auf besondere Art durch das anstehende Konzert.

Klein wird man auch angesichts der schieren Größe dieses Hauses: ganze 2500 Sitz- und 1000 Stehplätze sind hier vorhanden und sorgen voll besetzt beim – hoffentlich frenetischen – Applaus für eine wahrhaft beeindruckende Geräuschkulisse.

Dieser Applaus muss allerdings erst einmal verdient werden, und hier erweist sich das Teatro Colón als des Musikers bester Freund. Während die meisten Opernhäuser akustisch ziemlich trocken daherkommen und die Töne vor den Sängern gleichsam auf den Boden fallen, trägt das Teatro jede Note bereitwillig in die letzte Reihe. Leer klingt es – genau wie die Semperoper – einer Kirche nicht unähnlich, voll besetzt ist es ein Traum. Ich kenne absolut kein Opernhaus, das Sänger auf dem vorderen Bühnendrittel so konsequent akustisch vor jedes andere Geschehen stellt. Sänger müssen hier nicht ihre Stimmen quälen, sondern dürfen auf Feinheiten achten, mit der Kraft haushalten, in die Extreme gehen. Auch weiter hinten positionierte Kollegen kommen noch gut durch, die Exposition auf dem vorderen Bereich ist allerdings einzigartig. Gleichzeitig werden Stimmen sehr voll gestützt, nichts klingt hier dünn oder akademisch. Ich werde sicher noch einmal herkommen, nur um in diesem Raum Belcanto zu hören. Keine Frage, unser Händel hat mich angefixt.

Musiktipps – Aufnahmen mit raumtypischem Klang

Es gibt bei Naxos einige Einspielungen aus neuerer Zeit, beispielsweise einen Ring. Hörenswert ist auch Daniel Barenboim Live from the Teatro Colón 2000, EMI 7243 5 57416 2 2. Besonders bleiben allerdings die alten Aufnahmen mit Maria Callas, Arturo Toscanini, Erich Kleiber.

www.teatrocolon.org.ar

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