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Vinyl Corner - Japan-Pressungen

Made in Japan

Vinyl-Corner - Japan-Pressungen

Japan-Pressungen – Made in Japan

Japan-Pressungen sind schon seit langer Zeit mehr als nur ein Geheimtipp unter audiophilen Vinylliebhabern. Höchste Zeit also, sich dem Phänomen eingehender zu widmen.

Wer hat sie nicht schon mal auf Messen oder beim Secondhand-Händler des Vertrauens wahrgenommen: LPs, meist aus den 1970ern und 1980ern, die auf der linken Coverseite meist eine locker sitzende Banderole mit japanischen Schriftzeichen haben. Diese „Obi“ genannte Banderole – so wird ursprünglich der Gürtel des Kimonos bezeichnet – ist das Markenzeichen von Japan-Pressungen und für Hardcore-Sammler ein Muss. Dabei ist die Bedeutung des Obis weniger geheimnisvoll als mitunter angenommen. Da die Frontcover westlicher Produktionen in der Regel eins zu eins übernommen wurden, finden sich hier die wesentlichen Informationen. In der Welt der Audiophilen und Plattensammler genießt japanisches Vinyl einen legendären Ruf. Ob es um den Klang, die Pressqualität oder die Sorgfalt in der Produktion geht – Schallplatten aus Japan werden von vielen Vinylnerds als das Nonplusultra angesehen, und zwar noch vor aktuellen High-End-Reissues. Aber was macht sie so besonders? Immerhin liegt die Hochzeit des japanischen Vinyls nun auch gute 40 bis 50 Jahre zurück.

Vinyl Corner - Japan-Pressungen

Der Schlüssel liegt in einer Mischung aus hochwertigem Material und präziser Produktion. Ein zentraler Punkt ist die Verwendung von extrem hochwertigem Vinyl. Meist wurde sogenanntes „Virgin Vinyl“ verwendet, also nicht recyceltes Material. Dies sorgt für weniger Verunreinigungen, was die Platten nicht nur langlebiger macht, sondern auch Oberflächenrauschen und Knistergeräusche minimiert. In Japan hatte in den 1970er und 1980er Jahren die Präzision im Produktionsprozess höchste Priorität. Die Schallplatten wurden mit technischer Sorgfalt hergestellt und jede Charge händisch auf Fehler hin überprüft. Dadurch blieb die Klangqualität konsistent – Produktionsfehler wie Off-Center-Pressungen oder Blasen im Vinyl sind selten. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit japanischer Platten ist die Tatsache, dass sie oft in kleineren Stückzahlen produziert wurden. Weniger Produktionszyklen pro Pressform bedeuten, dass die Formen weniger abgenutzt werden. Das Ergebnis sind präzisere Rillen und damit eine bessere Klangtreue. Vor allem aber zeigt sich hier, dass Gewicht und Dicke einer LP wohl nur ein Marketing-Gag sein dürften, sind die Japan-Pressungen doch meist maximal 140 Gramm schwer, dafür aber vollkommen plan und ohne Wellen. Der Autor dieser Zeilen zieht jede Japan-Pressung einer audiophilen Pressung von 180 Gramm vor.

Auch wenn es bis heute nicht immer klar zu eruieren ist, welche Masterbänder den japanischen Produktionshäusern zur Verfügung standen, so geschah das Remastering auf hohem Niveau und nah am Original. Im Jazz führte dies dazu, dass japanische Pressungen dann häufig die erste Wahl waren und immer noch sind, wenn die Erst- oder Zweitausgabe nicht mehr zur Verfügung stehen oder die Preise für diese sich in schwindelerregende Höhen entwickelt haben. Hinzu kommt, dass viele Reissues – etwa von Blue Note – als Monopressungen für Stereotonabnehmer erschienen sind, wodurch Jazzfreunde die Möglichkeit bekamen, ohne technisches Mono-Setup den druckvollen Monosound der Originale zu goutieren. Wie schwer die Entscheidung hier für den Freund audiophiler Klänge fallen kann, zeigt etwa Paul Chambers Meisterwerk Bass On Top. Da ist zum einen die ganz aktuelle, klanglich hervorragende Stereoausgabe aus der Tone-Poet-Serie von Blue Note, zum anderen lockt da aber auch die 1976 bei Toshiba erschienene Monoaufnahme, die vermutlich das authentischere Feeling vermittelt.

Vinyl Corner - Japan-Pressungen

Nun sind freilich nicht alle europäischen und amerikanischen Veröffentlichungen in Japan erschienen, sondern die Veröffentlichungsstrategie orientierte sich am dortigen Fangeschmack. Man muss immer bedenken, dass japanisches Vinyl nicht für den Weltmarkt bestimmt war, sondern lediglich die heimischen Bedürfnisse befriedigen sollte, was auch die geringen Stückzahlen erklärt. Musikhistorisch kann auf diese Weise auch rekonstruiert werden, welche Musikrichtungen und welche Bands in Japan zu welcher Zeit eine große Rolle spielten. Auffällig ist etwa die Vorliebe für Fusion-Sounds – so sind fast alle Veröffentlichungen von Weather Report oder Spyro Gyra in großer Stückzahl erschienen und auch heute noch bei den einschlägigen Händlern zu bekommen. Für den Musikfreund, der über den Tellerrand hinausschaut, sind japanische LPs vor allem auch ein Hort musikalisch unentdeckter Welten. Nicht nur Größen der japanischen Pop- und Rockmusik kann man entdecken, auch Geniestreiche aus dem japanischen Free Jazz der frühen 1970er Jahre oder asiatische Avantgarde-Komponisten aus dieser Zeit wollen erkundet werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang etwa das Label Camerata Tokyo, das bis 1987 Vinyl produzierte und eine gewagte Mischung aus deutscher Barockmusik und asiatischer Avantgarde brachte, so etwa die erste Aufnahme des monumentalen Violinkonzerts von Isang Yun. Freunde des japanischen Free Jazz können Preziosen wie etwa die LP Daguri des japanischen Kohske Mine Quintet entdecken.

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Wie schon oft hier im Vinyl-Corner erwähnt, geht es uns Vinylisten ja häufig nicht nur um den analogen Klang, sondern auch um das Gesamtpaket LP. Auch hier können Japan-LPs punkten. Nicht selten sind diese mit umfangreichen Inserts, Postern, Gimmicks etc. erschienen und erfreuen das Sammlerherz nicht nur mit audiophilem Klang. In der Regel bemisst sich der Preis für eine japanische Secondhand-Scheibe auch am Vorhandensein dieser Beilagen. Auch wenn in der Regel der Zustand des gebrauchten Vinyls über jeden Zweifel erhaben ist, da man vor Ort tatsächlich LPs nur mit den berühmten spitzen Fingern angefasst und mit vernünftigen Tonabnehmern gespielt hat, sind ja die Beilagen dann doch häufiger nur noch teilweise erhalten geblieben. Und so teilt sich die Gemeinde der Japan-Vinylisten auch in zwei Lager: Da sind zum einen die reinen Klangfanatiker, denen die Vollständigkeit in Sachen Obi und Beilagen herzlich egal ist, und da sind die Sammler der Originalausgaben, bei denen ein unbeschädigter Obi und das komplette Zusatzmaterial ein unabdingbares Muss ist.

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Freilich gibt es nicht die Japan-Ausgabe einer Veröffentlichung. Ein markantes Merkmal des japanischen Marktes ist, dass von einer einzigen LP oft mehrere Ausgaben erschienen sind – teils mit unterschiedlichen Veröffentlichungsdaten und in verschiedenen Serien. Ein Beispiel dafür ist die Debüt-LP der Jazzrock-Band Weather Report. In Japan erschien sie in mehreren speziellen Reihen, darunter „SX68 Sound“, „Big Jazz Fusion“ und „Best Jazz Collection“. Hier zeigt sich, wie japanische Labels ihre Veröffentlichungen unterschiedlich kategorisierten. Reihen wie „Big Jazz Fusion“ orientierten sich am musikalischen Inhalt, während Serien wie „SX68 Sound“ auf technische Innovationen im Bereich Klang und Mastering abzielten. Das „SX68 Sound“-System basierte auf einem Schneidsystem von CBS/Sony, das einen Neumann-SX-68-Schneidkopf und eigene Transistorverstärker verwendete. Diese verschiedenen Editionen sind nicht nur an den charakteristischen Obis erkennbar, sondern auch an unterschiedlichen Covergestaltungen.

Und wie bekommt man nun diese seltenen Goldstücke aus dem Fernen Osten? Halten Sie einfach die Augen auf den einschlägigen High-End-Messen auf, nicht selten bieten die dortigen Plattenstände auch Japan-Pressungen feil; und ansonsten finden Sie hier im Folgenden auch zwei Discogs-Händler, die wir für Sie herausgesucht haben und bei denen Sie sicher fündig werden können. Natürlich gibt es noch mehr Händler im Netz, die sich auf japanisches Vinyl spezialisiert haben, auch Direktimporte aus Japan sind einfacher, als man denkt. Am besten tummeln Sie sich ein wenig auf discogs.com und begeben sich selbst auf die Suche nach dem audiophilen Gral made in Japan.

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MOIN.Berlin auf discogs.com

Bigbeatman auf discogs.com

japan-records.de

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.