Marten Parker Quintet
Leif Marten Olofsson dampft Lautsprecherkonzepte auf ein Minimum ein, um dann mit massivem Aufwand dick aufzutragen. Das Ergebnis sind Lautsprecher, die optisch wie klanglich zunächst wuchtig daherkommen, um daraufhin mit überraschender Agilität und beeindruckendem Feingefühl zu begeistern. Wir machen mit der Marten Parker Quintet die Probe aufs Exempel.
In aller Kürze:
Technische Reduktion verschwenderisch umgesetzt – so vereint die Marten Parker Quintet Kraft und Kontrolle.
Lautsprecherdesign ist ein faszinierendes Thema: Man kann sich innerhalb weniger Monate alle wichtigen Grundlagen selbst beibringen, und doch bietet das Feld selbst – oder gerade – erfahrenen Entwicklern scheinbar endlosen Raum, um an Detaillösungen augenscheinlich konventioneller Konzepte zu feilen und mitunter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Woran das liegt? Ein wichtiger Grund dürfte der Umstand sein, dass jeder Lautsprecher verschiedene, teils einander diametral entgegengesetzte Eigenschaften in sich vereinen muss. Soll der Schallwandler wie aus einem Guss und zudem möglichst zeitrichtig spielen, ist theoretisch ein unendlich kleiner Breitbänder die ideale Lösung. Gleichzeitig ist klar, dass letztlich kein Weg an Membranfläche und Gehäusevolumen vorbeiführt, wenn Dynamik und Tiefgang gefragt sind.

Leif Marten Olofsson, der Mann hinter der Marke Marten, beschäftigt sich seit 1998 damit, wie man einen großen Vollbereichslautsprecher mit einem halben Dutzend Treiber schlüssig und kohärent klingen lassen kann. Damit ist er freilich nicht der einzige, und auf den ersten Blick wirken seine Lautsprecher ganz konservativ – in vielerlei Hinsicht sind sie es auch: Voluminöse Gehäuse, durchgehend großzügig mit Keramiktreibern bestückt, dazu Finishes, die einen dazu verleiten, sich ein Paar einfach nur als Skulpturen ins Wohnzimmer zu stellen, zeugen zweifelsohne von echtem High-End-Anspruch, schreien einem aber nicht unbedingt „Innovation!“ entgegen. Wie so oft steckt aber auch hier der Teufel im Detail – besser gesagt, in den Details. Das beginnt bei einigermaßen bewährten Kniffen bei der Gestaltung der Gehäuse, die von Serie zu Serie auf jeweils unterschiedliche Art vom gewohnten Quaderformat abweichen: Bei der Marten Parker Quintet, die wir derzeit in unserem Hörraum zu Gast haben, stehen die Seitenwände nicht parallel zueinander; stattdessen ist das Gehäuse von oben betrachtet trapezförmig, sodass die Schallwand schmaler ist als der Lautsprecher an sich. Als Grund hierfür wird anderswo gerne eine schmale, elegante Silhouette zitiert, bei der Parker Quintet indessen ließe sich das beim besten Willen nicht behaupten: Bildschön anzusehen ist sie, aber ihre mächtige Präsenz dominiert auch großzügig bemessene Wohnräume. Das Ziel hier ist mit Sicherheit eher die Vermeidung stehender Wellen im Gehäuse.
Zu schlank würde Olofsson die Quintet ohnehin nicht haben wollen, schließlich muss die Schallwand genug Platz für die fünf 18er-Tiefmitteltöner bieten. Und genau an dieser Stelle zeigt sich, wie der Entwickler tickt: Während er bei Volumen und Membranfläche klotzt, verfolgt er beim Filterdesign einen bewusst minimalistischen Ansatz und konstruiert den kapitalen Brocken tatsächlich als Zweieinhalbwege-System. Die Richtung ist klar: Wenn man nicht bereit ist, sich bei der Anzahl der Treiber einzuschränken, sorge man dafür, dass diese so gleichförmig wie möglich angetrieben werden. Generell zieht sich eine Art Zwei-Stufen-Ansatz wie ein roter Faden durch das gesamte Design: In einem ersten Schritt wird hier beträchtliche Gedankenarbeit aufgewendet, das Konzept in seinen Grundprinzipien so weit wie möglich zu verschlanken, und darauf aufbauend wird anschließend geradezu nach Wegen gesucht, durch verschwenderischen Materialeinsatz und komplexe Detailumsetzung so viel gewinnbringenden Aufwand zu treiben wie irgend möglich.

Den Ansatz des Mindestmöglichen fährt Olofsson dabei nicht nur bei der Anzahl der Wege, sondern auch bei der Filterwahl. Am liebsten würde er eigentlich nur Filter erster Ordnung verwenden, doch dafür sind ihm nicht einmal die hier eingesetzten Keramiktreiber gut genug – das bleibt den (noch) hochkarätigeren Serien vorbehalten. Um dennoch dem Ideal der flachen Flanke so nahe wie möglich zu kommen, bedient sich der findige Schwede in der marketingwirksam „Multi Diverse Crossover“ getauften Frequenzweiche eines cleveren Tricks und wendet hier elliptische Filter an, die sich um den Übernahmepunkt herum wie Filter erster Ordnung verhalten und die Treiber erst weiter abseits ihres Übertragungsbereichs mit einer steileren Zwölf-Dezibel-Flanke herausnehmen. Das bedeutet zunächst einen verhältnismäßig geringen Bauteilaufwand – doch Olofsson wäre nicht Olofsson, wenn er im Sinne der zweiten Designstufe nicht doch einen Weg fände, ebendiesen Bauteilaufwand auf ein Level zu heben, das man selbst in dieser Preisklasse glatt als Overkill bezeichnen muss: Der Einsatz ebenso kostenintensiver wie raumgreifender Folienkondensatoren und Flachbandspulen aus den obersten Regalen renommierter Hersteller wie Mundorf mag noch nicht weiter verwunderlich wirken, doch das Frequenzweichendesign, das mit der obigen Charakterisierung als Zweieinhalbwege-Konstruktion nur oberflächlich angerissen ist, erfordert, dass nicht jede Treibergruppe, sondern jeder einzelne Treiber sein eigenes Filter vorgeschaltet bekommt – die Weichenbauteile allein nehmen denn auch einen überraschend hohen Anteil des reichlich vorhandenen Innenvolumens ein. Dass das gesamte Innenleben nicht mit irgendwelchem Klingeldraht, sondern mit Duality-Strippen aus dem ebenfalls schwedischen Hause Jorma verkabelt ist, erscheint bei dem in allen anderen Bereichen getriebenen Aufwand nur konsequent.
Um das Lungenvolumen untenrum so effizient und zugleich kontrolliert wie möglich arbeiten zu lassen, vertraut Olofsson auf vier rückseitig montierte Passivmembranen, die ebenfalls im Sinne maximaler Homogenität wie der Tweeter und die Woofer aus Keramik bestehen. Neben der kolbenförmigen Membranbewegung nennt er dabei einen weiteren, etwas überraschenden Grund für diese Entscheidung: Da die kombinierte Membranfläche bereits bei minimalen Auslenkungen ordentlich Luft bewegt, können die Martens volles Bassvolumen bereits bei deutlich geringeren Lautstärken reproduzieren, als es bei einem Bassreflexsystem der Fall wäre. In Verbindung mit dem guten Wirkungsgrad von 93 Dezibel prädestiniert diese Eigenschaft die Parker Quintet auch für die Paarung mit kleinen, feinen Röhrenverstärkern.
Da das Stichwort „volles Bassvolumen“ angesichts der Gehäusedimensionen und der Treiberbestückung keinesfalls als leere Drohung zu verstehen ist, verlässt sich Olofsson bei der Beruhigung des Aufbaus nicht allein auf die 60 Kilogramm pro Lautsprecher, sondern sorgt auch bei der Ankopplung an den Boden für bestmögliche Kontrolle. Hier hat er sich allerdings ausnahmsweise nicht selbst eine Lösung ausgedacht, er vertraut statt auf die üblichen Spikes auf dämpfende Lautsprecherfüße, die er von IsoAcoustics bezieht und die mich direkt zu den Höreindrücken führen.
Die Absorberfüße sind nämlich ein wenig komplexer, als es auf den ersten Blick scheinen mag: Sie koppeln nicht einfach weich an den Untergrund an, sondern arbeiten direktional, um den Schallwandler einerseits effektiv von Trittschall zu entkoppeln, andererseits aber auch keine Energie aus den Bassimpulsen zu nehmen. Dementsprechend muss man unbedingt darauf achten, dass alle Füße mit dem Marten-Logo nach vorne ausgerichtet sind, damit der Hörer mit den Füßen wippt und nicht der Lautsprecher.
Dieser Umstand war mir beim ersten Aufstellen allerdings nicht klar, weshalb ich beim ersten Hineinhören noch nicht so recht warm mit den Martens werden mochte. Erst nachdem mich Jan Sieveking, der den Deutschlandvertrieb der Schweden verantwortet, auf diese Feinheit aufmerksam gemacht hatte, machte es klick. Anfangs hatte es mich ein wenig überrascht, dass sich die korrekte Ausrichtung gar nicht so sehr im Bass, wohl aber im Präsenzbereich und in den Höhen bemerkbar macht. Bei näherer Betrachtung ergibt es aber Sinn: Die Auslenkung etwaiger Gehäuseschwingungen durch Bassanregung muss im Vergleich zu den Wellenlängen im Tiefton vollkommen vernachlässigbar sein – hält man sich jedoch die winzigen Exkursionen im Hochton vor Augen, erschließt sich die Notwendigkeit eines stoischen Gehäuses schnell.
Bei „Breaking Down Blues“ von Glim Spanky etwa (Walking On Fire) haben die schwedischen Schallwandler im Bass von vornherein nichts anbrennen lassen: Bassdrum und E-Bass kamen ebenso wuchtig wie konturiert, auch die im Tiefton enthaltenen Rauminformationen waren offenbar voll da und lieferten einen guten Eindruck von den ausladenden Bühnendimensionen der Liveaufnahme. Mit den Obertönen der Gitarre und vor allem mit der Stimme von Sängerin Remi Matsuo stimmte allerdings definitiv etwas nicht: Nicht nur schwamm alles irgendwie, vor allem der Gesang war mit einer ganz leichten nasal-elektrischen Verfärbung belegt. Auf die Wichtigkeit der Ausrichtung aufmerksam gemacht, stellte ich fest, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, jeden Fuß in eine andere Richtung schauen zu lassen – und siehe da, nach der Korrektur sind Gesang und Gitarre felsenfest im projizierten Raum verankert, die Timbres sind auf den Punkt, wobei es die Martens im Bassfundament durchaus gut meinen. Gleichwohl bleibt auch und gerade im Kellergeschoss alles stets bestens sortiert, der livetypisch grummelnde Tiefton droht zu keiner Zeit, die Melodie der Basslinie oder die gelegentlich einsetzenden Background-Vocals zu verschleiern.
Der Tonalität fühle ich als Nächstes mithilfe von Diana Kralls „The Girl In The Other Room“ von ihrem gleichnamigen Album auf den Zahn – und in der Tat gibt sich die Marten auch hier nicht die geringste Blöße: Kralls charaktervoll dichte Stimme mit der leicht rauchigen Note kommt in ihrer vollen Farbpracht, dabei aber vorbildlich verfärbungsfrei. Und ausgerechnet bei diesem recht ruhigen Stück bekomme ich einen Eindruck vom blitzartigen dynamischen Antritt, zu dem die Schwedinnen fähig sind, als mir etwa in der Liedmitte der unvermittelte, explosive Percussionschlag einen leichten Schrecken einjagt, obwohl ich das Stück gut kenne und ihn eigentlich kommen sah. Ein bisschen Zeit muss man mit den Marten Parker Quintet verbringen.
Ihre beeindruckende Autorität im Bass kann einen beim ersten Hinhören leicht zu der irrigen Annahme verleiten, man hätte hier klanglich gemütliche Rundlinge vor sich – mit der Einschätzung könnte man aber kaum weiter danebenliegen: Sie löst hervorragend auf und liefert einem all jene Feinheiten ans Ohr, die den Genuss einer guten Aufnahme erst wirklich vollständig machen. Dazu können sie ihre Klangmasse bei Bedarf blitzartig in Bewegung setzen und ebenso abrupt wieder abklingen lassen. Sie sind einfach nicht die Art Lautsprecher, die durch eine schlanke Abstimmung Schnelligkeit vorgaukeln, sondern verleihen der Musik raumfüllendes Gewicht, wobei sie das Volumen fein dosieren und messerscharf kontrollieren. Sie als „voll klingend“ zu beschreiben, wäre etwas kurz gegriffen – „vollständig“ trifft es wesentlich besser.
Info
Lautsprecher Marten Parker Quintet
Konzept: passiver 2,5-Wege-Standlautsprecher mit rückseitigen Passivmembranen
Bestückung: 1 x 25-mm-Keramikhochtöner, 4 x 190-mm-Keramik-Tiefmitteltöner, 4 x 230-mm-Passivmembran
Übergangsfrequenz (Hochton zu Tiefmittelton-Array): 2200 Hz
Empfindlichkeit (2,83 V/1 m): 93 dB
Nennimpedanz: 4 Ω (2,7 Ω Minimum)
Frequenzgang (−2 dB): 24 Hz bis 40 kHz
Belastbarkeit: 350 W
Besonderheiten: elliptische „Multi Diverse Crossover“-Frequenzweiche, Absorberfüße von IsoAcoustics
Ausführungen: Walnuss seidenmatt, Walnuss hochglänzend, Schleiflack schwarz, Schleiflack weiß
Maße (B/H/T): 33/117/54 cm (ohne Fußausleger)
Gewicht: 60 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Paarpreis: 31 000 €; Walnuss Pianolack (Testmuster) 32 600 €
Kontakt
Sieveking Sound
Plantage 20
28215 Bremen
Telefon +49 421 6848930
kontakt@sieveking-sound.de
Mitspieler
CD-Player: Accuphase DP-570, Audio Note CD 3.1x, Esoteric K-05XD
Netzwerkplayer/Streamer: Lumin P1, Aavik SD-880, T+A PSD 3100 HV
D/A-Wandler: Benchmark DAC 3B
Vorverstärker: Accuphase C-2300, Electrocompaniet EC 4.8 Mk II
Endverstärker: Accuphase P-7500, Burmester 216, Electrocompaniet AW-800
Lautsprecher: Nubert nuZeo 15, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: WestminsterLab, AudioQuest, in-akustik
Racks: Finite Elemente, Creaktiv, Beaudioful