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Sendesaal Bremen

Zu Gast bei … Sendesaal Bremen

Ein Abend im „Klang-Juwel“

Zu Gast bei … Sendesaal Bremen

Ein Verein hält in gemeinnütziger Arbeit das Vermächtnis des berühmten Sendesaal Bremen am Leben. Wir konnten uns mit dem Vereinsvorsitzenden Peter Schulze unterhalten und eins der letzten Exemplare von Die Rettung eines Klang-Juwels ergattern.

Eigentlich galt der Abend einem völlig anderen: Jan Sieveking beging Mitte Juni das 20-jährige Bestehen seines HiFi-Vertriebs Sieveking Sound. Er hatte in entspannter Atmosphäre mit Häppchen, Sekt und Musik in den alten Sendesaal Bremen eingeladen. Im Verlauf des Abends ergab sich für zwei überschaubare Gruppen die Gelegenheit für eine Besichtigung der Studios des altehrwürdigen Gebäudes. Geführt wurden wir von Peter Schulze, der von 1970 bis 1998 als Jazzredakteur und Produzent sowie von 1998 bis 2002 als Musikchef für Radio Bremen tätig war. Er berichtete uns etwa, dass der Rundfunk in den frühen Fünfzigern mit einem Krankenhaus um das wertvolle Bauland in Innenstadtnähe buhlen musste. Im Jahr 2002 – Radio Bremen bezog damals neue Studios im Stadtzentrum – wurde das Gelände dann an eine Rehaklinik übergeben. Die wollte den Sendesaal zugunsten einer Turnhalle abreißen lassen. Doch zahllose Künstler, ehemalige Mitarbeiter und Freunde des Konzerthauses protestierten gegen die Entscheidung. Mit Erfolg: Um Peter Schulze formte sich eine Interessengemeinschaft, die den Sendesaal als Verein weiterbetreibt, ihn mit regelmäßigen Konzerten, Events und Lesungen am Leben erhält.

Sendesaal Bremen
Ein wundervolles Zeitdokument: Die Interessengemeinschaft zum Erhalt des Sendesaal Bremen sammelte zahllose Ankedoten um das Gebäude und brachte gemeinsam mit Autorin Irmela Körner ein gebundenes Buch heraus – dessen zweite Auflage leider fast vergriffen ist.

Der Sendesaal Bremen wurde 1952 eröffnet und galt seinerzeit als Juwel unter den deutschen Radiosälen. Obwohl er einem großen Orchester nebst 250 Zuhörern Platz bietet, ist er wie der Aufnahmeraum eines anspruchsvollen Tonstudios konstruiert: Der eigentliche Konzertsaal hängt an Federn im Inneren des umgebenden „Exoskeletts“ und ist vollkommen von der Außenwelt isoliert. Sein Architekt Hans Storm (ein Neffe des bekannten Dichters Theodor Storm) hörte auf Empfehlungen erfahrener Akustiker und entwarf einen Querschnitt mit mehrfach gewölbter Decke, der keine parallelen Wände aufweist. Alle Oberflächen wurden mit akustisch absorbierenden Materialien versehen und für eine angenehme Optik mit Holzpaneelen und Parkett verkleidet beziehungsweise mit fest gespannten Stoffen abgehängt. Im weiteren Verlauf des Abends konnten wir uns im Rahmen eines Ulla-Meinecke-Konzerts davon überzeugen, dass der große Saal lebhaft, jedoch über seine gesamte Bandbreite verblüffend homogen und stimmig klingt. Ziel der akustischen Maßnahmen sei nicht gewesen, den Raum totzudämmen. Storm und seinen Beratern ging es vor allem darum, ein gleichmäßiges Reflexionsspektrum hinzubekommen: Egal, ob feine Höhen oder energiereicher Bass – alle Frequenzen sollten gleich lang (bzw. kurz) nachklingen.

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Im Rahmen regelmäßiger Radiokonzerte lernten ganze Orchester, aber auch Künstler wie Keith Jarrett und Jan Garbarek den Saal zu schätzen. Der technische Fortschritt erweiterte die Funktion des Saals: Das Fernsehen begann in den Sechzigern, hier Sendungen wie den Beat-Club aufzuzeichnen. TV-Ikonen wie Hans-Joachim Kulenkampff oder Loriot standen in Bremen vor der Kamera. 1974 wurde die erste deutsche Talkshow III nach 9 (die arabische „3“ kam erst später) in den Wänden des Gebäudes produziert. Das sei natürlich nicht ohne Konflikte abgelaufen, berichtet Peter Schulze. Die tendenziell ruhigen, stets planerischen Radiomacher fühlten sich vom hektischen TV-Treiben, den Kameras und ihrer wilden Verkabelung regelrecht angegriffen. Doch mit der Zeit gewöhnten sie sich an den Trubel und man arrangierte sich.

Im Gespräch kommt Peter Schulze auf die Ironie zu sprechen, dass er als Vorsitzender des Vereins auf Spenden angewiesen sei, um einen herausragenden Konzertsaal am Leben zu erhalten, während die großen Radiostädte sich reihum an ihren kostspieligen Neubauten verheben. Die Bremer Geschichte lasse sich leicht auf Hamburg übertragen, auf Köln oder auch auf München, wo die alten, vom Abriss bedrohten Sendesäle des BR auch weiterhin die Funktion des im Bau befindlichen Konzerthauses hätten bewältigen können.

Meinen kleinen Beitrag zur Kulturförderung habe ich dann gleich geleistet: Peter Schulze erzählte uns, dass es so viele Geschichten und Anekdoten rund um den Saal gibt, dass der Verein vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Autorin Irmela Körner ein kleines gebundenes Buch herausbrachte, von dessen zweiter Auflage noch „einige Exemplare“ vorrätig seien. Eins davon konnte ich mir für ziemlich faire 17 Euro sichern. Sollten Sie sich für die Geschichte des Saals interessieren, können Sie eine Fülle von Informationen auf der Homepage des Vereins finden. Dort stellen sich die Mitglieder und Förderer des Sendesaals vor, auch gibt es Auflistungen vergangener und zukünftiger Konzerte und Veranstaltungen. Und wenn Sie nett via Mail fragen, findet der Vereinsvorsitzende Peter Schulze vielleicht auch noch ein Buch für Sie.

www.sendesaal-bremen.de

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