FIDELITY zu Gast bei … T-Time Vinyl Plant, Stavanger
Wenn, dann aber gefälligst mit Stil! – So könnte man das Motto von Norwegens einzigem Vinyl-Presswerk zusammenfassen. In minutiöser Handarbeit fertigt die T-Time Vinyl Plant in Stavanger Tonträger. Aber nicht nur die Schallplatten, sondern auch die Räumlichkeiten der Überzeugungstäter sind faszinierend.
Es fühlt sich an, als würden wir uns auf eine Zeitreise begeben. Unsere kleine Reisegruppe betritt den Produktionsraum der T-Time Vinyl Plant über einen Seiteneingang. Die Firma befindet sich im Parterre einer alten Fabrikanlage, die zu einer Art Kultur- und Kunstzentrum umgestaltet wurde. Der Weg führt uns durch eine urige Gaststätte, hinein in einen hellen Werkraum mit zwei fauchenden Ungetümen. Sigve Håland und einige seiner Mitarbeiter begrüßen uns in ihrer typischen Dienstkleidung: Das Team wirkt, als wäre es gerade mit einem Model T auf den Hof gefahren – zu einer Zeit, als der legendäre Wagen noch von den Ford-Fließbändern lief.
Der unverwechselbare Stil der Mitarbeiter passt zu dem, was sie tun: T-Time ist Norwegens einziges Vinylpresswerk, wobei es der Begriff Vinylmanufaktur wohl besser träfe. Eine der Pressmaschinen, die beinahe so historisch anmuten wie das erwähnte Ford-Modell, ist gerade dabei, einen respektablen Berg leuchtend gelber Schallplatten aufzutürmen.
Üblicherweise bestellten Kunden ihre Tonträger in Tausender-Losen, erklärt uns der Hausherr unter dem mürrischen Blick des T-Time-Maskottchens Ruby. Aus dem einfachen Grund, dass die strapazierte Pressform dann erste Abnutzungen zeige und weitere Platten einen immer deutlicheren Höhenverlust aufwiesen. Genau so einen Tausender presst er gerade. Håland hält mir eine Handvoll gelbes Granulat entgegen, eher er es in eine beheizte Presse wirft, die dosierte Portionen des Granulats zu handwarmen, weichen Vinyltabletten formt.
Die legt er eilig auf den massiven Teller seiner mysteriösen Apparaturen und – pfffsss – wird eine Schallplatte gepresst, in dem Fall eine norwegische Schlager-Compilation. Noch ehe sich die Presse öffnet, vollführt der Teller eine 360-Grad-Drehung, während ein kleiner Schneidstichel das überstehende Material abschneidet. Der Verschnitt wird anschließend geschrotet und kehrt in den Kreislauf zurück. Mit einer zackigen Bewegung nimmt Håland den frischen Tonträger heraus, begutachtet ihn scharf von beiden Seiten und steckt ihn auf einen Lagerstapel. Dort liegen zum Abkühlen und Aushärten bereits einige Dutzend Schallplatten aufeinander, je zwei Stück, ehe eine flache Metallplatte als Zwischenlage hinzugefügt wird, die zugleich als Gewicht und Wärmeleiter dient – so soll vermieden werden, dass die Schallplatten beim Abkühlen wellig werden.
Die beiden T-Time-Pressen lassen sich unter einem Gewirr aus Schläuchen, Kabeln und isolierten Rohren kaum ausmachen. Sie sind beinahe so historisch wie die Kleidung der Mitarbeiter und stammen aus einer Zeit, in der Vinyl neben der Kassette noch der einzige Massen-Tonträger war. Ihrer Pressqualität tut das Alter jedoch keinen Abbruch: liebevoll gewartet und mit zahllosen Modifikationen versehen, arbeiten sie präzise wie am ersten Tag. Die Inspektion der empfindlichen Maschinen verschlinge jedoch viel Zeit. Normalerweise arbeitet daher wie bei unserem Besuch nur eine der Pressen, während die andere geprüft und nachjustiert wird.
Das leuchtend gelbe Vinyl bringt mich auf die Idee, den Experten nach den Klangunterschieden von farbigem Vinyl zu fragen. Da sei auf jeden Fall was dran, erklärt uns Håland. Vinyl sei transparent, bei der berühmten schwarzen Variante werde Carbon (oder besser: Kohlestaub) beigemischt. Der wirkt dämpfend, weshalb die schwarze Materialmischung einfach am besten klinge. Bei den anderen Tönungen werden farbige Pigmente beigemischt – und zwar nicht zu knapp, wenn es so wunderbar leuchten soll wie die gelben Tonträger vor uns. Das verändere die Struktur des Vinyls und wirke sich natürlich auch auf den Klang aus.
Trotzdem versteht er, dass seine Kunden sich immer häufiger für solche Eyecatcher interessieren. Labels und Künstler müssen heute viel Geld für Platten verlangen, um ihre Produktionskosten auch nur näherungsweise zu decken – und da darf es auch gern was fürs Auge sein. In einem Zimmer neben dem Produktionsraum sehen wir die aktuelle Auswahl: Ein kleiner Koffer mit Granulatproben zeigt den Farbkatalog von T-Time. Der Raum wirkt im Vergleich zur Produktion wie eine Oase der Ruhe. Es handelt sich um den Geschäftssalon der Vinyl Plant. Ein gemütlicher Hörraum, dessen Regale Tausende von Tonträgern aufbewahren. Immer wieder komme es vor, dass sich vor allem norwegische Künstler von der Qualität der Pressung überzeugen wollen. Später am Tag hat sich beispielsweise Aurora Aksnes angekündigt, die eine Neuauflage ihres Debüts All My Demons … pressen lies. Zum Hören steht ein Anlage von Electrocompaniet bereit, die gerade erst mit zwei AW 300 Monos aufgewertet wurde, wie uns EC-Salesmanager Lasse Danielson erklärt.
Das Buchen einer Pressung geht übrigens ganz einfach: Auf der Homepage der Vinyl Plant kann man seine Bestellung aufgeben. Und dann sollte man etwas Geduld haben – T-Time ist gnadenlos ausgebucht und sucht daher gerade nach einer dritten Presse. „Rufen Sie uns nicht an, wir melden uns bei Ihnen …“ heißt es denn auch auf der Homepage.