HiFi Tage Darmstadt 2024
Als ich meiner besseren Hälfte den Vorschlag unterbreitete, das kommende Wochenende zu nutzen, um das herbstliche Darmstadt zu besuchen, erntete ich skeptische Blicke. Dass ich beiläufig die dort stattfindenden HiFi-Tage erwähnte, machte die Sache nicht unverdächtiger …
Gegen Mittag erreichten wir den locus rei, das Kongresszentrum Darmstadtium im Herzen der Stadt. Das von Talik Chalabi 2007 entworfene Gebäude mit seinen schräg und zackig zulaufenden Glas- und Natursteinfassaden erinnert an einen gigantischen Steinkristall. Sämtliche Räume sind nach Elementen benannt, und auch der Name des Kongresszentrums, „Darmstadtium“, ist kein bloßes Wortspiel: Namensgeber ist das von Darmstädter Wissenschaftlern entdeckte Element Ds mit der Ordnungszahl 110.
Die während der Bauarbeiten entdeckten historischen Mauerreste wurden geschickt in das Entwurfskonzept integriert und bilden nun einen spannenden Kontrast. Schon allein wegen der architektonischen Leistung ist dieses Gebäude einen Besuch wert! Die positiven Eindrücke setzen sich fort, als wir das vom Tageslicht durchflutete Atrium betreten – das Klima hier ist wirklich angenehm, und die Messeatmosphäre unterscheidet sich spürbar von Hotelveranstaltungen mit den oft engen, stickigen Gängen und akustisch fragwürdigen Hotelzimmern.
In der Erdgeschossebene sind spektakuläre Lautsprecher ausgestellt, u. a. die scheinbar einer Unterwasserwelt entsprungene Nautilus und eine gewaltige Magnepan 307. Neben Bekanntem entdeckte ich auch Hersteller mit überraschend neuen Ansätzen wie z. B. Mapu mit aktiven Breitbandlautsprechern in getöpferten Keramikgehäusen oder die belgischen Ilumnia mit innovativen sickenlosen Treibern.
Audio Physic wartete mit einer besonderen Demonstration auf. An Ort und Stelle wurde ein Paar der eleganten „Tempo“-Standlautsprecher montiert. Das stieß auf reges Interesse beim Publikum, zumal sämtliche Fragen vom gut gelaunten Audio-Physic-Team beantwortet wurden.
Ich ließ meinen Blick durch die komplexe Struktur des Gebäudes schweifen und fasste den Plan, mich von der obersten Ebene nach unten zu schrauben, was mich direkt zu MRV ins „Hydrogenium“ führte. Matthias Roth bespielte die neu in sein Portfolio aufgenommene Aretai Contra 200F mit bewährter Electrocompaniet-Elektronik inklusive der neuen AW-300M-Monoblöcke. Machtvoll und trotzdem fein klang es, so mein Eindruck.
ATR führte die Stenheim Alumine Two.Five mit dem bildhübschen Röhrenverstärker Monaco Mk2 von Westend Audio Systems und Helmut Thieles sensationellem TT01 vor. Es tönte hervorragend, die recht zierlichen Standlautsprecher beschallten respektabel den eigentlich zu großen Raum.
Mit Raumteilern, diversen Diffusoren und Bassabsorbern brachte IDC dem „Xenon“-Raum ausgezeichnete akustische Manieren bei. Großmeister Karl-Heinz Fink persönlich war kompetenter DJ der Vorführungen (die übliche Messe-Hitparade blieb dem Publikum erspart, danke!). Der neueste Zugang seiner Epos-Linie, der Standlautsprecher ES-28N, klang an der recht preiswerten Canor-Kette perfekt. Auch wenn es etwas abgedroschen klingen mag: Mehr braucht der audiophile Genießer eigentlich nicht. Obwohl – die nächste Vorführung bei Burmester ließ mich wieder zweifeln. Die neue Standbox BX100 an großem Elektronikbesteck spielte atemberaubend, allerdings auch zu einem ebenso atemberaubenden Preis. Wieder auf der Erde gelandet, nämlich im „Oxygenium“ beim Berliner Audium-Vertrieb wurden die eigenen „Audium“-Lautsprecher im Wechsel mit den neu in den Vertrieb aufgenommenen Pylon-Boxen an Fezz-Röhrenverstärkern vorgeführt. Eine rundum äußerst musikalische Erfahrung mit durchweg preiswerten Komponenten.
Die Raumbezeichnungen der zweiten Ebene lasen sich wie die Zutatenliste von High-End-Elektronik: Carbonium, Titanium, Argentum, Aurum. Im „Platinum“ hatte TAD Gewaltiges von Fyne Audio und Unison Research aufgebaut. Der Absolute 845 und die Vintage 15 beeindruckten mit ihrem perfekt verarbeiteten Edelholzgehäuse und nicht zuletzt durch ihre Physis. Im „Argentum“ präsentierte Focal die nagelneue Diva Utopia, mit der die Gerätegattung All-in-One auf ein neues Level gebracht wird. Der mit Naim-Elektronik befeuerte Aktivlautsprecher kann fast alles, und das kabellos. Einen ausführlichen Eindruck vom Klang zu erhalten war leider nicht möglich, da der Hörraum ständig voll besetzt war; mein erster kurzer Eindruck war jedoch äußerst überzeugend. Allein, die in grauem Filz gehaltene Gehäuseoberfläche erinnerte mich sehr an den Fußboden meiner Studentenbude … Geschmackssache. Die Vorführung von Magnepan-Flächenstrahlern an Musical-Fidelity-Komponenten habe ich leider verpasst. Schade, die hätten mich sehr interessiert, zumal Jürgen Reichmann immer mit guter Musikauswahl aufwartet.
DALI zeigte die neue, bis ins letzte Detail absolut hochwertig verarbeitete Epikore-Serie, und schon das Anschlussterminal offenbarte sich als Preziose. Kraftvoll, natürlich und feinzeichnend war die Klangcharakteristik des vorgeführten Lautsprechers. Ähnliches trifft auf die im Nachbarraum spielende Canton Reference zu, wobei vor allem auch die dynamischen Fähigkeiten hervorzuheben sind. Die Preisgestaltung von Canton halte ich im Vergleich für ausgesprochen günstig.
Bei einem kurzen Abstecher in die Kopfhörer-Lounge hörte ich mir die neueste Version der Hedd-Kopfhörer an. Einen gut klingenden Prototypen hatte ich vor Jahren gehört, nur konnte ich damals wegen seinem immensen Gewicht den Kopf kaum aufrecht auf den Schultern halten. Das Problem ist inzwischen gelöst, auch die Klangeigenschaften des nun wesentlich leichteren Kopfhörers haben dabei noch zugelegt.
Am Sonntag durchstöberte ich den Ostflügel des Darmstadtiums, wo mehrere Vertriebe/Hersteller ihr Sortiment ausstellten oder zum Kauf feilboten. Neben der exzellenten Vinyl-Auswahl von Sieveking Sound erregte besonders das neue Black-Edition-Modell des von TAD vertriebenen Unison-Research-Röhrenverstärkers meine Aufmerksamkeit, aber auch Clearaudios High-End-Sonderedition „Celebrity Al Di Meola“. Das Chassis dieses auf 1000 Stück limitierten Plug-&-Play-Vinyldrehers hat die Form einer E-Gitarre und ist in schickem Hochglanzschwarz oder nicht minder edlem Palisanderfurnier erhältlich.
Alles in allem waren die HiFi Tage Darmstadt 2024 eine gelungene Veranstaltung, was zum einen an der besonders geeigneten Location, aber auch am Einsatz der Kollegen von Low Beats gelegen haben mag, die nicht nur für die allgemeine Organisation der Darmstädter HiFi-Tage verantwortlich waren, sondern auch mehrere Vorführungen als Moderatoren und DJs begleiteten.