PS Audio Aspen FR10
Wenn ein Hersteller bei seiner ersten Lautsprecherserie nicht nur auf eigenständige Konzepte, sondern auch auf im eigenen Haus entwickelte Treiber setzt, ist das ein Hinweis auf eine klare Vision, was den Klangcharakter angeht. Wir sind ganz Ohr.
In aller Kürze:
Die PS Audio Aspen FR10 ist gemacht für langzeittauglichen Spaß bei großen Pegeln auf mäßig großem Raum. Gerne mit ordentlich Verstärkerleistung füttern.
Das Internet ist schon ein interessantes Medium: Da können Hypetrains für Produkte losrollen, die noch gar nicht ersonnen wurden – und deren Entwickler noch gar nicht im Unternehmen ist. Seit Jahren schon betreibt Paul McGowan, Gründer und Eigentümer von PS Audio, einen bewusst unprofessionell gehaltenen Youtube-Kanal, in dem er Leserfragen zu allen möglichen Themen rund um HiFi beantwortet und nach Art eines Firmentagebuchs dokumentiert, was in den heiligen Hallen in Boulder, Colorado gerade so los ist. Wie von PS Audio gewohnt, drehte sich auf den Schreibtischen der Entwickler, die gerne mal als Setting herhielten, lange Zeit alles um Elektronik. Lautsprecher waren nicht wirklich ein Thema – schließlich stand im Haupthörraum seit jeher die ultimative Dauerreferenz: die legendäre Infinity IRS V, ein bald 40 Jahre altes übermannshohes Vierergespann aus zwei Zeilenstrahlerflügeln und zwei Subwoofertürmen. Und bisweilen sah es so aus, als würde das immer so bleiben. Dennoch schien hier und da durch, dass McGowan schon seit Jahren latent mit der Entwicklung eines neuen Lautsprechers schwanger ging: Stiller Gaststar in einigen der Videos war ein „nur“ schulterhoher Lautsprecherprototyp namens „IRS Killer“ im 90er-typisch geschwungenen Gummibärchenlook – ein Projekt, das aufgrund des Ablebens seines alten Freundes und ehemaligen Genesis-Mitstreiters Arnie Nudell nie vollendet werden konnte.
Wie wir wissen, verdichtete sich diese Was-wäre-wenn-Wolke mit dem Zugang des jungen Entwicklers Chris Brunhaver rasch zu einem konkreten Lautsprecherprojekt, das wir heute als die Aspen-Serie kennen. Nicht nur hat die große FR30 das altehrwürdige Magnum Opus von Infinity als Referenz abgelöst, sie hat sich inzwischen zu einer ganzen Familie ausgewachsen, die mit der PS Audio Aspen FR10 nun das dritte und bislang kleinste Modell hervorgebracht hat.
Zwischen Erbe und Eigenständigkeit
Auch wenn Brunhaver in vielen Belangen durchaus ähnlich tickt wie Nudell, geht er bei der FR10 wie mit allen Aspen-Modellen in vielen Grundsatzfragen des Lautsprecherdesigns eigene Wege. Die grundlegendste Veränderung ist da sicherlich die Aufgabe der Dipol-Charakteristik – während die größeren Modelle als Hommage an Altmeister Nudell zumindest noch einen (abschaltbaren) rückwärtigen Ambiance-Tweeter besitzen, verzichtet die neue Kleine auch auf diesen. Brunhaver begründet das schlichtweg mit den Kosten: Auch wenn die rückwärtig abgestrahlte Energie die Räumlichkeitswirkung steigern kann, ging es gerade bei der FR10 darum, möglichst viel von der technologischen Güte und klanglichen Performance der FR30 in eine wesentlich erschwinglichere Preisregion zu retten – und hier hatten andere Dinge schlichtweg höhere Priorität, etwa höherwertige Frequenzweichenbauteile oder die Schallwand aus einem heißgehärteten, glasfaserverstärkten Kunstharz, die über die gesamte Gehäuselänge verlaufende Schrauben mit der Rückwand verspannt ist.
Ganz im Sinne seines indirekten Vorgängers zeigt sich Brunhaver dagegen mit seiner Vorliebe für Flächenstrahler im Mittel- und Hochton. Wo die Infinity- und Genesis-Modelle mit Bändchen arbeiteten, vertraut der Jungentwickler allerdings auf Magnetostaten, in denen er gegenüber dynamischen Treibern eine ganze Reihe von Vorteilen sieht: Neben dem bei Konus- und Kalottentreibern unvermeidbaren Aufbrechen der Membran zu hohen Frequenzen hin sieht Brunhaver eines der Hauptprobleme in Verzerrungen, die durch Wirbelströme im Antrieb verursacht werden. Die Antriebseinheit eines Magnetostaten besitzt prinzipbedingt nahezu keine Induktivität und umschifft so dieses Problem auf elegante Art. Aufgrund ihrer extrem geringen bewegten Masse ist bei Flächenstrahlern zudem trägheitsbedingtes Überschwingen der Treiber-Schwingspulen-Einheit kein Problem. Ebenfalls dank der geringen Masse ist auch das Ausschwingverhalten dynamischen Treibern überlegen: Flächenstrahlermembranen sind in Bezug auf ihre Fläche so leicht, dass sich die sie umgebende Luft annähernd wie eine Flüssigkeit verhält, die die Membranschwingung von außen dämpft – dadurch bleibt die Membran praktisch augenblicklich stehen, sobald das Signal abreißt. Auf die üblichen Gegenanzeigen – geringe Dynamikreserven und wenig Autorität untenrum – scheint Brunhaver recht überzeugende Antworten gefunden zu haben: Immerhin ist es ihm gelungen, dem Mitteltöner eine Empfindlichkeit von 96 Dezibel anzuzüchten – in der FR10 wird er deshalb um fast 10 Dezibel heruntergeregelt, da der Lautsprecher an sich bei moderaten 86,5 Dezibel liegt. Er erreicht seine Pegel daher bei minimalen Auslenkungen, was verzerrungsfreier Dynamik nur guttun kann. Eine steilflankige Weiche vierter Ordnung entlastet den Magnetostaten zudem am unteren Ende seines Frequenzbereichs und erspart ihm damit nochmal ein gerüttelt Maß an Hub.
Wo wir am unteren Ende des Frequenzbereichs sind: Hier drückt Brunhaver der FR10 seine ganz eigene Designhandschrift auf. Als einer von relativ wenigen Entwicklern ist er ein eiserner Verfechter von Passivmembranen. Deren Vorteile liegen auf der Hand: Im Prinzip arbeiten diese nicht anders als Bassreflexsysteme, nur eben ohne Pumpgeräusche oder Resonanzen im Reflexrohr und mit dem zusätzlichen Vorteil, dass Passivmembranen kein Volumen im Gehäuse einnehmen. Neben den höheren Kosten bringen sie aber noch ein weiteres, häufig übersehenes Problem mit sich: Als Masse-Feder-System stellt man deren Tuningfrequenz über die Masse der Membran und das Gehäusevolumen ein – gleichzeitig besitzt die Membran in ihrer elastischen Aufhängung aber auch eine eigene Resonanzfrequenz, die mit dem Tuning des Lautsprechers an sich meist nicht im Einklang ist und so unkontrollierte Anhebungen und Auslöschungen verursacht. Brunhaver löst dieses Problem, indem er die Passivmembranen besonders weich aufhängt. Dadurch wandert deren Eigenfrequenz in einen Bereich unterhalb der Bandbreite des Lautsprechers und kann folglich keine nennenswerten Schwierigkeiten machen. Unterhalb der Bandbreite heißt in unserem Fall unterhalb von 30 Hertz – in Anbetracht der sehr moderaten Abmessungen ein durchaus respektabler Wert …
Großer Spaß in kleinen Räumen
… Wobei ich bei den ersten Hörproben allerdings flugs meine erste Überraschung erlebe: In unserem mit etwa 55 Quadratmeter zugegebenermaßen üppig dimensionierten Hörraum tun sich die kleinen Aspen-Standboxen zunächst schwer, den Raum mit Bassenergie zu füllen. Als einer meiner Fehler stellt sich heraus, dass ich sie zunächst mit ordentlich Wandabstand aufgestellt hatte. Tatsächlich geht die Bassabstimmung der FR10 von einer relativ wandnahen Aufstellung aus – schließlich ist sie als kleinstes Mitglied ihrer Serie auch auf kleinere bis mittelgroße Räume ausgelegt. Wer also eine opulente Wohnhalle beschallen möchte, sei an die größeren Modelle verwiesen. Aus der Not eines zu großen Hörraums mache ich kurzerhand eine Tugend und nähere mich dem Nahfeldideal, indem ich die Aspen quer in den Raum strahlen lasse und auch den Wandabstand für ein Mehr an Grenzflächenverstärkung deutlich kürzer wähle.
In dieser Aufstellung fühlen sie sich auf Anhieb wesentlich wohler: Bei Wadaiko Matsurizas „Otoko Koko ni Ariki“ (Wadaiko Matsuriza: Japanese Drums) rollt das Trommelgewitter nun satt durch den Raum. Im Ausschwingen der Felle steckt dabei jederzeit genug Information, um die Positionen der einzelnen Trommeln mühelos ausmachen zu können. Dem kurzen Wandabstand zum Trotz platzieren die FR10 die gelegentlichen „Kampfschreie“ des Trommlers deutlich jenseits der Wand, sodass er quasi von draußen aus dem Garten zu mir in den Raum brüllt.
Auch wenn die reine perkussive Dynamik schon eine Menge Spaß macht, suche ich mir doch bald etwas Melodischeres. Auch bei Emerson, Lake and Palmers „Fanfare For The Common Man“ (Works Volume 1) greift die Bühnenprojektion deutlich über die Raumgrenze hinaus – die einzelnen Akteure werden nicht übertrieben scharf umrissen, erscheinen aber sauber aufgestellt im Raum. Tonal verkneift sich die FR10 dabei konsequent jede Bissigkeit. Mit einem minimalen Hang zur Höflichkeit zeichnen die beiden Flachmembranen im Mittel- und Hochton das Geschehen akkurat nach, ohne es dem Hörer jemals penetrant ins Gehör zu bohren. Kompromisslos neutral ist diese Abstimmung freilich nicht – dafür aber umso alltagstauglicher, auch und gerade, wenn es aufnahmetechnisch etwas schroffer zugeht. „Bird On A Wire” von den Bush Tetras (They Live In My Head) etwa ist kein Stück zum Leisehören – doch die mit ordentlich Rückkopplungsecho durch das Geschehen jaulende Gitarre kann bisweilen etwas anstrengend sein. Ganz ohne Ohrenbluten überträgt die FR10 die wilde Energie in mein Nervenzentrum.
Stichwort Hörlautstärke: Eine Eigenschaft, die mir in meinen Hördurchgängen wieder und wieder auffiel, ist, dass es die FR10 in der Tat gerne etwas lauter mag – bei Flüsterpegeln wirkt die leichte Zurückhaltung im Mittel- und Hochton gerne mal etwas zu zahm. Mit dieser Abstimmung kommt sie Hörern entgegen, die in nicht allzu großen Räumen abrocken wollen, in denen die kurzen Reflexionswege gerade bei höheren Frequenzen gerne für eine unangenehm dichte Plärrigkeit sorgen. Mit ihrem eher bescheidenen Wirkungsgrad möchte sie dabei mit ordentlich Leistung versorgt werden – es müssen keine opulenten Mono-Monster sein, aber 100 Watt pro Kanal sind keine schlechte Idee.
Diese „Lauter ist besser“-Charakteristik bedeutet dabei keineswegs, dass nicht auch Jazz hervorragend funktioniert: „Early Summer“ von Ryo Fukui von seinem ersten Studioalbum Scenery etwa ist an sich ein eher ruhiges Stück, dessen mit deutlich modulierter Dynamik gespielte Klavierakkorde punktuell aber dennoch eine Menge Energie in den Raum werfen. Hier gerne den Pegel so einstellen, wie man im Jazzclub hören würde – und schon kitzelt die fein dosierte Wucht des Tasteninstruments gebührend den Beinwippreflex, und auch der Obertonglanz der Bronzeabteilung im Schlagzeug entfaltet sich in voller Güte. Das Klanggeschehen bleibt dabei stets so sauber sortiert, dass ich mit seltener Deutlichkeit nicht nur heraushören kann, wo, sondern auch, in welchem Winkel das Klavier auf der Bühne steht.
Ganz klar, die FR10 will nicht alle Hörertypen bedienen, kommt aber bestens mit allen Genres zurecht. Für all jene, deren Räume eigentlich eher nach Kompakten verlangen würden, die aber unabhängig vom Musikgeschmack dennoch den Tiefgang und die Dynamikreserven von Standlautsprechern schätzen und brauchen, kann die PS Audio Aspen FR10 ein wahrer Segen sein.
Info
Lautsprecher PS Audio Aspen FR10
Konzept: passiver Standlautsprecher mit magnetostatischem Mittel- und Hochtöner und Passivmembranen
Bestückung: 1 x 2,5“-Magnetostat (Hochtöner), 1 x 8“-Magnetostat (Mitteltöner), 2 x 6,5“-Tieftöner, 3 x 6 x 9“-Passivmembranen
Übergangsfrequenzen: 550 Hz, 1750 Hz
Empfindlichkeit (2,83 V/1 m): 86,5 dB
Nennimpedanz: 4 Ω
Empfohlene Verstärkerleistung: 50 bis 200 W
Frequenzbereich (−6 dB): 32 Hz bis 20 kHz
Besonderheiten: Schallwand aus heißgehärtetem und glasfaserverstärktem Kunstharz mittels durchgehender Schrauben mit Rückwand verspannt, Tieftöner und Passivradiatoren mit Sandwichmembran aus ungewebter Kohlefaser und PMI-Schaum
Ausführungen: Weiß matt, Schwarz matt
Maße (B/H/T): 30/105/41 cm (inkl. Standfuß)
Gewicht: 34 kg
Garantiezeit: 2 Jahre (5 nach Registrierung)
Paarpreis: um 13 000 €
Kontakt
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Telefon +49 7175 909032 und +49 179 2991449
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Mitspieler
CD-Player: Accuphase DP-570, Audio Note CD 3.1x, Esoteric K-05XD
Netzwerkplayer/Streamer: Lumin P1, Aavik SD-880, Auralic Aries G2.2
D/A-Wandler: Benchmark DAC 3B
Vorverstärker: Accuphase C-2300, Electrocompaniet EC 4.8 Mk II
Endverstärker: Accuphase P-7500, Burmester 216, Electrocompaniet AW-800
Lautsprecher: Nubert nuZeo 15, Manger c1, Wilson Audio Sasha DAW
Kabel: WestminsterLab, AudioQuest, Atlas Cables
Racks: Finite Elemente, Creaktiv