Arcam Radia A5
Für mein damals knappes Budget gerade so bezahlbar, aber schon echtes, ernstzunehmendes HiFi, so habe ich Arcam vor gut 20 Jahren kennengelernt. Mit der Radia-Serie haben sich die Briten nun neu erfunden. Doch haben sie ihre alten Werte und Tugenden in die neue Firmenzeitrechnung hinüberretten können? Um das zu klären, begebe ich mich mit dem Arcam Radia A5 zurück auf Feld eins meiner persönlichen audiophilen Reise.
In aller Kürze:
Mit vollständiger Ausstattung, unkompliziertem Gebaren und ausnehmend musikalischem Talent macht der Arcam Radia A5 den Begriff „Einsteigergerät“ zu einem echten Kompliment.
Kennen Sie das? Sie steigen in ein Hobby ein, investieren ein stattliches Sümmchen in gutes Einsteiger-Equipment und sind damit eine ganze Weile sehr zufrieden – bis der Drang nach Upgrades zuschlägt. Schließlich entwickelt sich Technologie weiter, und außerdem haben Sie mittlerweile mehr Geld zur Verfügung. Also kommt neuere, teurere, bessere Maschinerie ins Haus, und die alte landet auf dem Gebrauchtmarkt.
Eine Zeit lang fühlt sich die Entscheidung richtig an, Sie sind begeistert von der Leistungsfähigkeit Ihres neuen Gerätes. Doch nach einer Weile fangen Sie an, das Alte irgendwie zu vermissen – nicht, weil das Upgrade ein Fehler war: Technisch bewegen Sie sich nun klar auf einem höheren Niveau. Dennoch müssen Sie sich eingestehen, dass ihr jetziges Equipment zwar das meiste, aber eben nicht alles besser macht. Sie lernen jetzt erst richtig zu schätzen, wie gut der Vorgänger tatsächlich war und bereuen schon ein wenig, ihn losgeworden zu sein. Wäre es nicht schön, Sie hätten ihn immer noch als Zweitgerät herumliegen – einfach nur, um ihn alle Jubeljahre mal abzustauben und anzuwerfen?
So ging es mir mit meinem ersten ernstzunehmenden Verstärker – einem Arcam A65 Plus, der nach einigen Jahren treuen Dienstes einem Cambridge Azur 840A weichen musste. Letzterer war klar das bessere Gerät: mehr als doppelt so teuer, dreimal so viel Leistung, größere Bühne, viel mehr Kontrolle im Bass. Und doch war da etwas in der Stimmwiedergabe und den Klangfarben des Arcam – die Erkenntnis kam erst einige Zeit, nachdem ich ihn verkauft hatte – das der Cambridge so nicht hinbekam. Diese latente Reue trage ich bis heute mit mir herum.
Als Harman Luxury Audio Ende letzten Jahres in München zur Vorstellung von Arcams neuer Radia-Serie einlud, war dieser Test in meinem Kopf dementsprechend im Grunde schon gesetzt. Die Erstlings-Nostalgie ist allerdings nur einer von zwei Gründen für meine Begeisterung – der zweite ist der Preis: In einer Zeit, in der die Preisentwicklung im HiFi ungebremst Richtung Mond zu rasen scheint, gibt sich Arcam hier erfreulich bodenständig und ruft für das Einstiegsmodell Radia A5 Gen Z freundliche 850 Euro auf. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der damalige Einstiegs-Arcam A65 Plus vor gut 20 Jahren mit 675 Euro in der Liste stand, was in heutigem Geld in etwa 1050 Euro entspricht – selbst während ich diese Zeilen tippe, kann ich es kaum glauben, aber unterinflationäre Preisentwicklungen sind offenbar noch keine ausgestorbene Spezies!
Angesichts des verlockenden Einstiegskurses mag sich der Skeptiker natürlich fragen, ob man hier auch tatsächlich einen „echten“ Arcam bekommt. Eine kurze Bestandsaufnahme gibt auf alle Fälle Grund zur Zuversicht: Auch wenn er nicht mehr offiziell Teil der Entwicklungsabteilung ist, ist Mitgründer John Dawson nach wie vor als Berater involviert und hat bei grundlegenden Designentscheidungen offenbar immer noch ein Wörtchen mitzureden. Der Topologie nach tritt der neue Arcam Radia A5 denn auch klar in die Fußstapfen des Ur-Arcam A60. Class-D-Module suchen wir hier vergeblich, der A5 ist in klassischer A/B-Manier aufgebaut und vertraut auf ein Linearnetzteil – genau genommen auf zwei davon: Um aktuelle Effizienzrichtlinien zu erfüllen, haben die Entwickler dem Haupttransformator noch einen zweiten, sehr viel kleineren zur Seite gestellt, der den Verstärker im Standby sparsam versorgt und im Wachzustand für Steuerfunktionen zuständig ist. Ein werksseitiger Phono-MM-Eingang und ein diskret aufgebautes Kopfhörermodul komplettieren den Eindruck.
Kniffliger Balanceakt
Das klingt ja so weit alles recht konservativ – wer Arcam allerdings kennt, der weiß, dass der Hersteller traditionell nah am Puls der Zeit ist. Das erklärte Ziel bei der Entwicklung der Radia-Serie war es tatsächlich, das Thema klassisches HiFi der Generation Z schmackhaft zu machen – und damit das glückt, spielt man konsequent nach deren Regeln: Arcam will hier ganz bewusst nicht von einem hohen Ross aus die Hand zu Anfang-bis-Mitte-Zwanzigern runterreichen, sondern ihnen auf Augenhöhe begegnen mit einem Produkt, das ihnen intuitiv vertraut vorkommt und sich auf Anhieb mit ihren anderen Devices versteht. Denken wir nun an den Begriff „klassisches HiFi“ zurück – und die Radia-Serie ist fraglos genau das – merken wir schnell, dass sich die Briten hier einen ziemlich kniffligen Spagat aufgehalst haben.
Die Lösungsansätze wirken allerdings ziemlich vielversprechend. Das fängt bei der umfangreichen Ausstattung an: Während Kenner den klassischen technischen Aufbau zu schätzen wissen, müssen sich HiFi-Einsteiger nicht damit beschäftigen. Sie können einfach ihr Smartphone aus der Hosentasche ziehen und dank Bluetooth 5.2 mit aptX Adaptive ihre Musik einschleifen, der integrierte DAC ESS ES9018 löst Formate bis 24 Bit und 192 Kilohertz auf. Da der BT-Kontakt bilateral funktioniert, bespielt der A5 auch kabellose Kopfhörer oder Aktivlautsprecher. Gleichzeitig hält er seinem Nutzer aber stets die Tür zur highfidelen Weiterentwicklung offen: Über die reichhaltige Anschluss-Suite (dreimal digital, dreimal RCA) lässt sich ein Klang- und Funktionalitätsupgrade in Gestalt eines Netzwerkplayers (das darf gerne der hauseigene S5 sein) nebst einem knappen halben Dutzend weiterer Quellen einbinden – das klingt für unsereiner selbstverständlich, aber ich glaube, dass diese Perspektive „von unten aufwärts“ von zentraler Bedeutung für Arcams Mission ist: Der A5 funktioniert als rudimentäre, aber voll zufriedenstellende One-Box-Lösung einwandfrei, lässt sich gleichzeitig aber zur vollwertigen Kette ausbauen, wenn der Nutzer das möchte und wann immer er dazu bereit ist.
Auch das Design spiegelt diesen Ansatz. Die „cleane“ Kunststofffront mit nur zwei Dreh-/Drückreglern bedient sich so, wie man es im 21. Jahrhundert gewohnt ist, trotz klarer Linienführung wirkt der Verstärker mit seinen grellgelben Akzenten verspielt. Dennoch kommt er im klassischen 43-Zentimeter-Gardemaß daher und wirkt auf dem Sideboard ebenso zu Hause wie im klassischen HiFi-Rack. Die Anfassqualität des Gehäuses und der angenehm gewichteten Drehregler, die jeweils aus Aluminium gefertigt sind, macht zudem direkt klar, dass der A5 eben nicht nach drei Jahren Schnee von gestern ist, sondern dass man ihn gerne auch ein Jahrzehnt oder mehr behalten darf. Den einzigen Kritikpunkt sehe ich im Rückenpanel: Dass die Lautsprecherklemmen nicht sonderlich viel Platz bieten, ist in dieser Preisklasse verzeihlich – zu einem Problem wird das nur in Verbindung mit Strippen, deren Preis den Verstärkerpreis übersteigt. Das Panel an sich zeigt aber eine gewisse Nachgiebigkeit, die gerade im Hinblick auf Langlebigkeit ein wenig besorgniserregend wirkt. Solange man es mit dem Kaliber der Takelage nicht übertreibt, sollte das aber auch langfristig nicht wirklich ein Problem sein.
Charakterprobe
Nachdem alles verkabelt ist, nähert sich nun endlich die Stunde der Wahrheit. Ich steige gleich mal ambitioniert ein und lege „India Song“ von Youn Sun Nahs Album Voyage ein – und erkenne auf Anhieb einige der Arcam-Eigenschaften wieder, die ich über die Jahre kennen und schätzen gelernt habe: Youn Sun Nahs Stimme steht präsent und griffig gefühlt einen drittel Meter vor dem Rest der akustischen Bühne, die sich vor allem in die Tiefe deutlich weiter ausdehnt, als ich es von früher kenne. Was mich gerade angesichts der Preisklasse begeistert, ist das Auflösungsvermögen: Auch über durchaus bodenständige Lautsprecher wie etwa den Monitor Audio Silver 300 7G kann ich förmlich hören, wie sich die Saiten von Ulf Wakenius’ Gitarre spannen, bevor der gezupfte Ton herausplatzt; auch die dank offenbar sehr nah platziertem Mikro reichlich vorhandenen Schleifgeräusche seiner Finger auf dem Instrument zeichnet der Arcam beeindruckend nach. Dabei gibt sich der Arcam tonal ziemlich ausgewogen und zugleich gefällig, vielleicht mit einem minimalen Hang zur Grundtonwärme und den Arcam-typischen strahlenden Klangfarben. Aber habe ich das alles nicht schon mal irgendwie noch besser, noch präziser, noch transparenter gehört? Auf dieser einen Anlage im Gesamtwert von 347 626,17 Euro zum Beispiel? Klar habe ich das – ganz erheblich besser sogar! Aber hier reden wir von einem Setup für um die 3000 Euro – und ich erwische mich beim Hören immer wieder dabei, dass ich mich selbst daran erinnern muss. Der kleine Arcam hat audiophile Tugenden nicht nur zufriedenstellend im Griff, sondern liefert auch eine Vorstellung, die es mir schon erlaubt, wirklich tief in die Aufnahme hineinzuhören. Und ist seiner freundlichen Abstimmung zum Trotz immer noch neutral genug, um nicht nur die Information, sondern auch den Charakter der Produktion gut zu vermitteln.
Natürlich stellt sich die Frage, ob Gen Z wirklich so viel Youn Sun Nah hören – deshalb steht als nächstes mit „Realizationism“ von Polypumpkins Synthwave auf dem Proramm. Auch hier gibt sich der A5 keine Blöße: Die knorrig-fette Synthie-Bassline rollt satt durch den Raum, verschleiert dabei zu keiner Zeit all die kreuz und quer durch den Raum schwirrenden Klangeffektchen. Auch innerhalb des Bassgewusels ist in dem Stück einiges los – der kleine Brite dröselt alles anstandslos auf, während er das Stück mit seinem lebhaften Naturell energisch vorantreibt.
Das Sprüchlein „Alter Wein in neuen Schläuchen“ ist hier ausnahmsweise mal in gutem Sinne zu verstehen, denn hinter dem komplett neu gestalteten Gewand des Arcam Radia A5 stecken nach wie vor alle wohlbekannten Tugenden der britischen Marke: Er ist bezahlbar, sehr gut ausgestattet und unkompliziert – und nicht zuletzt ist er auch klanglich unverkennbar ein Arcam. Gepaart mit kompetenten Lautsprechern bekommt man hier ein Basis-Setup, das schon echte audiophile Klangerlebnisse ermöglicht – und das so überzeugend, dass für viele der Drang nach einem Upgrade in absehbarer Zeit gar nicht erst aufkommen dürfte. Stattdessen bietet der A5 ohne zu drängen höflich den Ausbau zu einer vollständigen HiFi-Kette an. Das nenne ich Einsteigerklasse im besten Sinne.
Info
Vollverstärker Arcam Radia A5
Konzept: Class-AB-Vollverstärker mit integriertem DAC und Bluetooth-Funktionalität
Ausgangsleistung (8/4 Ω): 2 x 50 W/2 x 75 W
Eingänge analog: 3 x RCA
Eingänge digital: 2 x Koax; 1 x Toslink; Bluetooth 5.2 mit aptX Adaptive, bidirektional
Ausgänge: 1 Paar Lautsprecherklemmen, 1 x Pre Out
Klirrfaktor (1 kHz, 4 Ω, 80 % Ausgangsleistung): 0,003 %
Geräuschspannungsabstand: analog 106 dB, digital 109 dB
Besonderheiten: interner DAC ESS ES9018 mit PCM-Unterstützung bis 24 bit/192 kHz
Maße (B/H/T): 43/8,3/34 cm
Gewicht: 8 kg
Garantiezeit: 5 Jahre
Preis: um 850 €
Kontakt
Harman Deutschland GmbH
Parkring 3
85748 Garching
Telefon: 089/ 3587 01 400
Mitspieler
Plattenspieler: NAD 533 mit Goldring Elektra
Phonovorverstärker: Cambridge 540p
CD-Player: Arcam CD72 T, Audio Note CD 3.1x
Streamer: Cambridge Audio MXN2, Lumin P1
Vollverstärker: Abrahamsen V2.0, Aavik I-580, Line Magnetic LM-88IA
Lautsprecher: Gamut Phi 5, Monitor Audio Silver 300 7G, Monitor Audio Silver 50 7G
Subwoofer: Monitor Audio Anthra W12, Velodyne ViQ 15
Kopfhörer: Grado PS500i
Rack: Finite Elemente, Solidsteel, Lovan Audio
Kabel: Straight Wire, Cardas, Sommer Cable, Denon, QED