Teldex Studio Berlin
Der Profi-Musiker Stefan Gawlick ist weltweit unterwegs. Nicht nur in Konzertsälen, sondern auch in Tonstudios. Grund genug, den Blick dieser Serie der Saalvorstellungen etwas zu weiten und auch mal etwas Studioluft zu schnuppern.
Fährt man durch Berlins beschauliches Lichterfelde, übersieht man nur zu leicht eine der bedeutendsten Weihestätten klassischer Musikproduktion: Die Teldex-Studios. Hinter einem hübschen Gründerzeithaus mit Physiotherapiepraxis versteckt sich der beeindruckende Komplex im Hinterhof – diese Abgeschiedenheit ist sicher kein Fehler, wenn es ums konzentrierte Arbeiten geht.
Die Wurzeln dieser Halle gehen schon einige Jahre zurück, früher war es noch das große Studio der Teldec. Als diese zusammen mit Erato im Jahr 2002 vom Eigentümer Warner aufgelöst wurden, fanden sich zum Glück einige nunmehr ehemalige Mitarbeiter der Firmen, um den Studiokomplex zu übernehmen und unter dem sinnigen Namen „Teld-Ex“ weiterzubetreiben. Eine sofortige Partnerschaft mit harmonia mundi France sorgte gleich zu Beginn für volle Auftragsbücher, die Liste der Kunden seitdem ist schlicht ein Who’s who der Klassikwelt.
Herz der Anlage ist sicherlich das große Studio, das nicht umsonst die fast gleichen Maße wie das legendäre Studio 1 der Abbey Road Studios besitzt. Mit einem bedeutenden Unterschied: Die Decke ist deutlich niedriger, weshalb der Saal akustisch viel leichter zu kontrollieren ist. Allein der Zebrastreifen vor der Tür fehlt.
Mindestens genau so faszinierend wie der Saal sind allerdings die kleinen Gadgets, die man bei der Übernahme dazubekam: Schränke voller Mikrofonschätze aus den 50er und 60er Jahren. Für nur einen Bruchteil dieses Fundus würden manche Studiobesitzer Moral und Gesetzestreue stehenden Fußes über Bord werfen. Beim Blick auf die Reihen sorgsam gepflegter M49, M50, U47, U48, M149, TKM50 usf. können einem schon die Tränen kommen.
Mit der Übernahme kam auch eine grundlegende technische Erneuerung des ganzen Komplexes. Das damals eingebaute sündteure SSL-Pult ist mittlerweile auch wieder Geschichte, nachdem digital komplett auf das Ravenna-basierte Merging System umgestellt wurde. Deshalb wird die wie ein Raumschiff in das große Studio hineinragende Regie von Controllern dominiert, mit denen das MassCore-System gesteuert wird. Und so beeindruckend die bündig in die Wände integrierten PMC-Monitore auch sein mögen – spannenderweise kommen immer wieder die guten alten B&W 801 zum Einsatz. Und zwar die alte Matrix-Version, nicht die neueren Nautilusse. Da ist sie wieder, die Geschichte.
So gut der Saal auch sein mag und so begehrenswert die Schätze im Mikrofonschrank auch erscheinen mögen – all das ist natürlich nichts ohne die Menschen dahinter, die mit Visionen, Fachwissen und musikalischem Gespür die Ideen der Musiker im Saal kongenial umsetzen können. Kein Fehler ist dafür sicherlich die Nähe zur Universität der Künste Berlin, eine der weltweit besten Tonmeisterschmieden, wo einige der Teldex-Tonmeister unterrichten und fast zwangsläufig immer wieder neue Kollegen rekrutieren.
Besonders an der hiesigen Arbeit ist die unprätentiöse Verschmelzung von nüchterner Technik und traditionellen Mikrofonen. Während in vielen Studios das alte Mikro hörbar der Star ist, werden hier die alten Schätze nur in dem Maße als Klangformer eingesetzt, dass sie die klanglichen Eigenheiten des Musikers unterstützen und voll zur Geltung bringen. Das hört man immer wieder auf den Aufnahmen aus Berlin, in denen Vintage und aktuelles State of the Art eine grandiose Verschmelzung erfahren.
Musiktipps – Aufnahmen mit raumtypischem Klang
Filmmusik zu Das Parfum – Berliner Philharmoniker, Simon Rattle l J.S. Bach, Matthäus-Passion – RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik, René Jacobs
Bach, Johannes-Passion – RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik, René Jacobs
Schubert, Klavierwerke – Arcadi Volodos
Beethoven, Schubert, Pfitzner, Strauss – Liedeinspielungen mit Matthias Goerne
Beethoven, Klavierkonzerte – Kristian Bezuidenhout, Freiburger Barockorchester, Pablo Heras-Casado
Bach, Brandenburgische Konzerte – Freiburger Barockorchester