Looking for the English FIDELITY Magazine? Just click here!
Billy Cobham - Spectrum

Billy Cobham – Spectrum

Die heimlichen Meisterwerke des Jazz, 1973

Billy Cobham – Spectrum

Jazz ist unübersichtliches Gelände – leicht kann man da Bedeutendes übersehen. Hans-Jürgen Schaal präsentiert unbesungene Höhepunkte der Jazzgeschichte.

Billy Cobhams virtuoses Talent am Schlagzeug war kein Geheimnis. George Benson, Miles Davis, Horace Silver, Stanley Turrentine und viele andere holten ihn ihre Bands. Seinen großen Durchbruch aber erlebte er ab 1971 in John McLaughlins Mahavishnu Orchestra. Dort trommelte er scheinbar mühelos die komplexesten Metren und gab der Musik zusätzliche Rhythmus-Dimensionen. Billy Cobham galt spieltechnisch als das Maximum am Fusion-Schlagzeug. Als die Band den Status populärer Prog-Rockbands erreichte, machte sich unter McLaughlins Musikern aber Frustration breit, denn der Bandleader wollte nur eigene Stücke spielen. Deshalb beschloss Cobham 1973, selbst eine Fusion-Platte zu machen. Er ahnte wohl nicht, dass es mit dem Mahavishnu Orchestra bereits zu Ende ging. Noch im gleichen Jahr sollte McLaughlin die Band aufkündigen.

Vom Label bekam Cobham ein Budget von 35 000 Dollar für sein Soloprojekt. Niemand redete ihm drein, seine Mitmusiker wählte er „nach Instinkt“. Der wichtigste war Jan Hammer an E-Piano und Synthesizer, sein Kollege aus McLaughlins Band. Die Energie – wenn auch nicht die Komplexität – des Mahavishnu Orchestra ist auf Spectrum daher immer wieder zu spüren, vor allem in „Taurian Matador“ und „Stratus“.

Billy Cobham - Spectrum

Als zweiten Solisten neben Hammer wählte Cobham den erst 21-jährigen Gitarristen Tommy Bolin, der später auch eine Platte mit der Hardrock-Band Deep Purple aufnehmen sollte. (Bolin starb mit 25 Jahren an einer Überdosis.) Den Bass spielte Lee Sklar, der nie ein Soloalbum gemacht hat, aber auf Hunderten von Rock- und Popplatten zu hören ist. Diese vier nahmen an zwei Tagen im Mai 1973 das ganze Album auf – live im Studio, ohne Playbacks oder Korrekturen. Für zwei Stücke holte Cobham am dritten Tag noch zwei Bläser und einen Congaspieler dazu. Bolin und Sklar mussten dabei durch John Tropea und Ron Carter ersetzt werden. Dennoch blieben Cobham am Ende 13 000 Dollar vom Budget übrig.

Fürs Album hatte er sechs Stücke geschrieben: drei feurige Uptempo-Jams, gefolgt von drei Titeln in gemäßigten Tempi, aber soulful und funky. Fast jedes der sechs Stücke bekam eine Solo- oder Duo-Einleitung, teils mit eigener Betitelung. Zwei dieser Intros spielt Cobham allein am Schlagzeug, aber nicht auftrumpfend, sondern frei, introspektiv, feinnervig – es sind seine einzigen Soli auf dem Album (1:24 und 1:41). Die anderen Intros bestreitet er zusammen mit Jan Hammer oder überlässt sie ihm allein (am akustischen Piano bzw. am Synthesizer).

Die sechs Hauptstücke des Albums sind heute durchweg Klassiker der virtuosen Fusion-Musik. Bolins Improvisation im hyperschnellen „Quadrant 4“ (das Thema suggeriert noch eine Bluesform) gehört zu den besten Gitarrensoli von 1973, diesem großen Fusionjazz- und Progrock-Jahr. Ein Highlight sind auch die schnellen Solowechsel in „Taurian Matador“ zwischen Bolin und Hammer. Am bekanntesten wurde das zehnminütige „Stratus“ mit Gitarren- und Synthesizersolo und einer hypnotisierenden Bassfigur. Es wurde später vielfach gecovert (Prince) und gesampelt (Massive Attack). Eine gekürzte Version von „Stratus“ erschien schon 1973 als Single und machte Cobhams straighten, modalen Fusion-Jazz populär. Das Album stieg in den US-Popcharts bis auf Platz 26. Spectrum war der Start für Cobhams gleichnamige Band und stilbildend für die ganze Stilrichtung – „eine der besten Platten der Jazz-Fusion-Ära“ (Penguin Guide of Jazz).

www.billycobham.com

Die angezeigten Preise sind gültig zum Zeitpunkt der Evaluierung. Abweichungen hierzu sind möglich.