Anneliese Brost Forum Ruhr, Bochum
Nördlich der Ruhr breitet sich Deutschlands größter Ballungsraum aus. Über fünf Millionen Menschen leben und arbeiten und konsumieren hier, das einstige Sorgenkind des Westens hat sich längst seine eigene Erfolgsgeschichte geschrieben. Nun gut, die großen Häuser in Essen, Dortmund und Düsseldorf (knapp daneben) kennt jeder, die Geschichte, um die es heute gehen soll, hat sich ein wenig abseits der ausgetretenen Pfade entwickelt.
Seit Anbeginn irrten die Bochumer Symphoniker heimatlos umher, spielten mal im Schauspielhaus, mal im Audimax der Universität oder an sonstigen, meist eher weniger geeigneten Orten. Daher war der Wunsch nach einem eigenen Heim kein neuer, als dieses Thema Anfang der zweitausender Jahre mal wieder diskutiert wurde. Bochum navigierte zu dieser Zeit allerdings mit einem Nothaushalt durch die diversen Krisen, die eine Umstrukturierung so mit sich bringt, worauf es von Kreis und Land verboten wurde, Mittel für einen Bau bereitzustellen. Das änderte sich, als man von einem Konzertsaal zu einem Musikzentrum umdachte, unter dessen Dach auch Räume der Musikschule (die größte von Deutschland) Platz finden könnten. Durch diese teilweise Umwidmung gelang bei der Planung um das Anneliese Brost Forum der Zugang zu anderen Töpfen, plötzlich waren Bund und EU mit im Boot.
Und auch die Bürger sollten in die Pflicht genommen werden, weshalb knapp 15 Millionen Euro von privaten Spendern kommen mussten – und so war es auch. Es gibt noch weitere Wunder rund um dieses Haus: Beispielsweise wurde die Kostengrenze beim Bau fast eingehalten, die Eröffnung erfolgte zum geplanten Termin. Da ich bei Stuttgart wohne, kann ich angesichts solcher Magie nur staunen.
Aber wie ist er nun, der große Saal? Hinter der Bühne, denn damit fange ich immer an, ist alles bestens. Die Garderoben befinden sich auf der gleichen Etage wie die Bühne, die Gänge sind weit, die Türen breit. Die Bühne ist licht und flexibel, das Raumgefühl bestens, da die Mischung aus Exposition und Geborgenheit stimmt. Die fast 1100 Plätze sind fast nur vor dem Orchester und seitlich auf zwei Rängen angeordnet.
Während man auf der Bühne die Kollegen recht gut hört und ein brauchbar zuverlässiges Gefühl für die Dynamik im Raum schnell entwickeln kann, ist die Akustik vom Saal aus schlicht grandios. Nicht umsonst haben sich das Klavierfestival Ruhr und andere Veranstalter hier sehr schnell eingebucht. Um die bestehenden Säle der Umgebung nicht zu kannibalisieren, müssen die Bochumer auf Gastspiele der großen Namen und Orchester verzichten. Da sie aber mit ihren Kooperationen und einem außergewöhnlich spannenden Programmkonzept die Not zur erstklassigen Tugend machten, wird hier kein Verzicht, sondern ein praller Strauß richtig guter Kunst geboten.
Ach ja, der Klang. Bochum schafft hier eine auch von weit berühmteren Hallen nicht erreichte Balance aus klanglicher Wärme und Durchhörbarkeit. Während manche Säle zu warm/diffus oder durchsichtig/kalt tönen, bekommt man hier beides. Leise Einsätze der Kontrabässe haben Schmelz und Körper, gleichzeitig vernimmt man den Biss des Kolophoniums. Und auch bei den einige Oktaven höher arbeitenden Geigen wird alles offenbart, jedoch nicht bloßgestellt. Glückwunsch!