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The Who - Quadrophenia

The Who – Quadrophenia

Forever Young – 50 Jahre Album-Klassiker

The Who – Quadrophenia

Wer sich noch an die Pubertät erinnern kann, kennt dieses Gefühl: Plötzlich wird alles unwirklich, jeglicher Halt geht verloren.

Sei es, dass die Eltern sich trennen, die Schulzeit zu Ende geht oder die Freundin Schluss mit dir macht … Du wirst dir selbst fremd, drehst durch, fragst dich, ob du verrückt wirst … Die Geschichte von Jimmy Cooper ist eine solche Coming-of-Age-Geschichte. Jimmy war ein „Mod“, er liebte die Schlägereien mit den „Rockers“ – aber die Mods gibt es nun nicht mehr. Jimmys Welt bricht gerade auseinander, sein Mädchen hat ihn verlassen, zu Hause gibt’s Zoff, er denkt an Selbstmord, wird zum Psychiater geschickt, versucht es mit Drogen und sucht spirituelle Erleuchtung auf dem Beach … Pete Townshend, der sich diese Geschichte ausgedacht hat (und die komplette Musik und alle Songtexte schrieb), greift hier tief in eigene Erfahrungen. Quadrophenia ist sein Catcher in the Rye, sein Clockwork Orange – die Vergleiche stammen von Townshend selbst.

Quadrophenia steckt voller Vorstadt-Realismus und hat den Geschmack der Straße. Zuvor hatten The Who bereits eine andere Geschichte erzählt, die vom taubstummen und blinden Tommy Walker, auch das war ein Konzept-Doppelalbum. Die Songs aus Tommy hatten jahrelang den Grundstock des Liveprogramms gebildet, und Townshend fand, dass sie durch ein Nachfolgekonzept abgelöst werden sollten. Weil seine Bandkollegen anderweitig beschäftigt waren, machte er sich frisch ans Werk, bastelte allein im stillen Kämmerlein an den neuen Songs und setzte dabei auch neues Spielzeug (Synthesizer) ein.

Immerhin fand es Townshend angebracht, in den Songs den Geist der Band als Kollektiv zu beschwören. Deshalb lieferte er nur Basistracks und ließ den anderen viel Raum zur musikalischen Ausgestaltung. Und er erzählt in Quadrophenia auch von The Who selbst, von der Zeit, in der die Band entstand, und dem Publikum, für das sie damals in den Sechzigern gespielt hat. Jedem Bandmitglied ist obendrein ein eigenes musikalisches Thema gewidmet. Der Albumtitel Quadrophenia spielt also nicht nur auf die verschiedenen „Facetten“ der Hauptfigur an, sondern auch auf die vier Akteure von The Who.

Richard Barnes, der Who-Biograf, schreibt: „Wenn Tommy eine Rock-Oper war, dann war Quadrophenia DIE GROSSE Rock-Oper. Mit diesem Album hob Pete The Who auf ein ganz neues Niveau.“ Etwas Ambitionierteres als Quadrophenia habe die Band nie gemacht, bestätigt Pete Townshend. Und nie habe sie besser gespielt oder besser geklungen.

The Who - Quadrophenia

Fakten

Aufnahme: Mai 1972 bis September 1973
Veröffentlichung: Oktober 1973
Label: MCA
Produktion: Lambert/Stamp/Kameron

Titel

1. I Am The Sea 2:09
2. The Real Me 3:21
3. Quadrophenia 6:14
4. Cut My Hair 3:45
5. The Punk And The Godfather 5:11
6. I’m One 2:38
7. The Dirty Jobs 4:30
8. Helpless Dancer 2:23
9. Is It In My Head? 3:44
10. I’ve Had Enough 6:15
11. 5:15 5:01
12. Sea And Sand 5:02
13. Drowned 5:28
14. Bell Boy 4:56
15. Doctor Jimmy 8:37
16. The Rock 6:38
17. Love, Reign O’er Me 5:49

Musiker

Roger Daltrey – Gesang
Pete Townshend – Gitarren, Banjo, Keyboards, Cello, Gesang
John Entwistle – Bassgitarre, Blasinstrumente, Gesang
Keith Moon – Schlagzeug, Percussion, Gesang

Gäste

Chris Stainton – Klavier (in 3 Stücken)
Jon Curle – Sprechstimme (in 1 Stück)


  • Legendär ist die Verpackung der Musik im 2-LP-Klappalbum mit einem Beiheft in Albumgröße (Fotos, Songlyrics, Story). Die auf Sixties-Optik gestylten Schwarzweiß-Fotos machen die „Mod“-Ära quicklebendig.
  • Der prä-punkige Ur-Sound der Who wird in fast jedem Song gebrochen und kontrastiert durch neue („progressive“) Klangfarben (Klavier, Orgel, E-Piano, Synthesizer, Streicher, Bläser) und Soundeffekte (z. B. Meeresrauschen). Richard Barnes vergleicht diese Mischung aus Hardrock und zarten Klängen mit „Stahlbeton und Porzellan, Seite an Seite“.
  • Die Instrumentalnummer „Quadrophenia“ ist das komplexeste Stück der Bandgeschichte – viele Brüche in Stimmung, Rhythmus und Klangbild.
  • Vier Leitmotive „geistern“ – gesungen oder instrumental – durchs gesamte Album: „Helpless Dancer“, „Bell Boy“, „Is It Me?“ und „Love, Reign O’er Me“. Sie stehen stellvertretend für Daltrey, Moon, Entwistle und Townshend (in dieser Reihenfolge).
  • Der wilde Bass-Part in „The Real Me“ entsteht als Blödelei, doch die Band findet ihn so gut, dass er beibehalten wird.
  • Keith Moon trommelt nicht nur in seiner gewohnt entfesselten Manier, sondern präsentiert auch seinen kraftvollen Cockney-Akzent („Bell Boy“).
  • Die Single-Auskopplung „5:15“ ist eines der wenigen Stücke des Albums, die von der ganzen Band gleichzeitig (ohne Basistrack) eingespielt wurden. Townshend schrieb das Stück auf der Straße – spontan zwischen zwei Terminen in der Londoner Innenstadt. „Ich hatte erst nur das Gitarrenriff à la Chuck Berry.“
  • Als Live-Ersatz für Tommy (wie geplant) hat Quadrophenia nie funktioniert. Das Zuspielen von Backing Tracks im Konzert sowie lange Erläuterungen der Story auf der Bühne machen den „Flow“ der Performance zunichte. „Die ganze Sache war live eine Katastrophe“, sagte Pete Townshend.
  • Das Originalalbum ist nur der Anfang. 1979 folgt die Verfilmung von Quadrophenia, 1996 die erste Coverversion des kompletten Albums (durch die Band Phish). 2007 kommt dann die professionelle Musicalproduktion von Quadrophenia, 2015 die Orchesterfassung.

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