Magnat MTT 990 50th Anniversary
Der Magnat MTT 990 50th Anniversary ist ein aus besten Zutaten komponierter „Ready to play“-Dreher. Der Verzicht auf modischen Schnickschnack macht sein unaufdringliches Design zeitlos elegant. Bleibt nur die Frage, ob seine klanglichen Qualitäten ebenso überzeugen wie das Äußere.
In aller Kürze:
Der Magnat MTT 990 50th Anniversary ist ein attraktiver kompletter Dreher, der hervorragend klingt und eine geeignete Plattform für spätere Upgrades bildet. Zum geforderten Preis der reinste „no-brainer“!
Magnat, ein Urgestein der deutschen HiFi-Szene, feiert nächstes Jahr 50-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass initiierte Shandro Fischer, Geschäftsführer der Produktentwicklung, die limitierte 50th-Anniversary-Version des bewährten Plattenspielers MTT 990. In Zusammenarbeit mit Entwicklungsingenieur Martin Groß, dessen besonderes Augenmerk auf der Motorsteuerung lag, und Designer Helmut Thiele, zuständig für die „Karosserie“ und die Optimierung des Resonanzverhaltens, entstand – so viel kann ich vorwegnehmen – ein hervorragendes, durchdacht konstruiertes Komplettpaket.
Im Wesentlichen unterscheidet sich der „50th Anniversary“ vom Standard-MTT-990 durch die attraktive grafitgraue Lackierung und den hochwertigen Tonabnehmer, ein Audio-Technica VM520EB MM. Darüber hinaus sah man im gegebenen Rahmen keine Notwendigkeit, das bewährte Laufwerk zu verändern. Bei genauerem Blick auf die eingesetzte Technik erscheint mir das durchaus plausibel, doch hierzu später mehr. Der Dreher wird mit allem notwendigen Zubehör ausgeliefert (sogar eine gescheit! konstruierte Abdeckhaube gehört dazu) und lässt sich auch von unerfahrenen Vinyl-Einsteigern innerhalb weniger Minuten in Betrieb nehmen.
Nachdem ich das Laufwerk auf meinem Rack platziert hatte, fielen mir sofort die fein abgestimmten Proportionen des Chassis auf. Obwohl ein 10-Zoll-Tonarm installiert ist, wirkt der MTT nicht zu wuchtig. Die übersichtlich angeordneten Bedienungselemente sowie die makellos ausgeführte grafitgraue Metallic-Lackierung, von der sich der seidenmattschwarz beschichtete Tonarm kontrastreich absetzt, komplettieren das elegante Erscheinungsbild.
Die Funktionalität leidet nicht unter den optischen Aspekten. Die Steuerung des Laufwerks erfolgt über einen Drehknopf in der linken vorderen Ecke des Laufwerks, also mit gebührendem Abstand zum empfindlichen Tonabnehmer. Sämtliche Anschlüsse befinden sich komfortabel angeordnet auf der Rückseite des massiven MDF-Chassis.
In der klaren Formensprache und praxistauglichen Bedienbarkeit erkennt man die Handschrift von Helmut Thiele. Mit ausführlichen Testreihen an eigens entwickelten Apparaturen hat er das Resonanzverhalten optimiert. Gerade die Auswahl der Entkopplungsfüße – sie sind mit einer Kombination aus Feder und Elastomer-Einlagen versehen – war zeitaufwendig, so der Designer. Doch die Maßnahmen waren offensichtlich von Erfolg gekrönt: Das Laufwerk zeigte sich im Betrieb von äußeren Einflüssen vollkommen unbeeindruckt. Der Plattenteller aus präzise gedrehtem Polyoxymethylen wird von einem Direktantrieb mit quarzgesteuerter Geschwindigkeitskontrolle in Bewegung versetzt. Der Trafo des Netzteils ist schwingend aufgehängt und mit Mu-Metall abgeschirmt. Diese Maßnahmen verhelfen dem Dreher zu einem absolut ruhigen Lauf. Die Geschwindigkeit wird perfekt gehalten, wie auch meine Prüfung mittels Stroboskopscheibe bestätigte.
Der kardanisch gelagerte Tonarm erinnert an die schon seit Jahrzehnten, vornehmlich in japanischen Plattenspielern verwendete Form. Bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch das J-förmige Tonarmrohr. Helmut Thiele erläuterte mir im Gespräch, dass mit dieser Formgebung eine höhere Steifigkeit im Vergleich zu den sonst üblichen S-förmigen Tonarmen erreicht wird. Auch die Tonarmlänge von 10 Zoll – der Vorteil liegt hier in einem geringeren Spurfehlwinkel – und die Mogami-Innenverkabelung weichen vom Standard ab, der auf diesem Qualitätslevel üblich ist. Der statisch balancierte Tonarm ist durch seine Einstellmöglichkeiten mit fast allen gebräuchlichen Tonabnehmern kompatibel. Die Tonarmhöhe lässt sich bequem über einen mit Griffmulden versehenen Ring justieren. Mithilfe der Millimeterskala sind Einstellungen leicht reproduzierbar, mit einem kleinen Hebel wird die Tonarmhöhe verriegelt. Die Headshell mit Bajonett-Anschluss ist einfach zu montieren und macht einen Tonabnehmerwechsel unkompliziert.
Bei der ersten Inbetriebnahme braucht man sich hiermit nicht auseinanderzusetzen. Ein Check mit der Schön-Schablone bestätigte den perfekten Einbau des Tonabnehmers. Mir blieb nur, das Gegengewicht aufzuschrauben und mithilfe der Skala die Auflagekraft von zwei Gramm einzustellen. Diese stimmte genau, eine Überprüfung mit elektronischer Waage bestätigte den Wert. Ich stellte die Antiskating-Kraft mit der Rändelschraube ebenfalls auf zwei Gramm, schloss die mitgelieferten Kabel an, und schon war der Dreher startbereit!
Im Rheinland herrschten dieses Jahr schon im Frühsommer tropische Klimaverhältnisse, also legte ich passend dazu 96° In The Shade von Third World auf. Das tönte schon frisch aus dem Karton vielversprechend, und da ich nun schon einmal in die karibische Stimmung gekommen war, sollte mich die weitere Einspielphase in jamaikanische Dancehalls geleiten. Meine Sammlung heftiger Dubstyle-Version-Excursions mit Lee „Scratch“ Perry aka The Upsetter, King Tubby, Prince Jammy und The Scientist konvertierten meine Anlage danach in ein lupenreines „Soundsystem“. Die tiefen, dumpfen Bassläufe, peitschende, mit Echo-Effekten ins Nirwana mäandrierende Beckenschläge und melancholische Bläsersätze von Dirty Harry (nein, nicht der mit der 44er Magnum) wurden überzeugend durch den Hörraum geschoben. Nach dieser Überdosis drückender Bassläufe und schneidend scharfer Offbeats war der Tonabnehmer weitgehend eingespielt. Ich brauchte dringend ein Kontrastprogramm.
Mit gänzlich anderen, aber ebenso sommerlichen Vibes erfrischten mich die Texmex-Country-Punkrocker Los Lobos mit ihrer bekanntesten und erstaunlich gut aufgenommenen Scheibe How Will The Wolf Survive?. Das sich schon in der Einspielphase andeutende stabile und sortierte Klangbild war beeindruckend. Der MTT 990 reproduzierte den lebhaften Sound der südkalifornischen Band mit dem nötigen Drive und gehörigem Punch. Meine Vermutung ist, dass der Direktantrieb mit der von Martin Groß verbesserten Steuerung großen Anteil daran hat.
Da ich in einem Anfall von jugendlichem Leichtsinn meine Erstausgabe verkauft hatte, drehte sich nun The Jimi Hendrix Experience mit einem Reissue von Electric Ladyland auf dem Teller. Der verzerrte, Wah-Wah-geschwängerte Sound der Fender Stratocaster sägte authentisch durch den Hörraum (und wahrscheinlich viel zu laut durch das ganze Gebäude). Dennoch uferte diese Urgewalt nicht in einem anstrengenden Durcheinander aus. Im Gegenteil, die differenzierte Darstellung der vielfältigen Sounds und Effekte verhalf zum musikalischen Verständnis der komplexen Strukturen. Einfach klasse.
Klassik- und Jazzaufnahmen klangen ebenso mitreißend und begeisternd, insbesondere aufgrund der realistischen Klangfarben und einer in die Tiefe zeichnenden Räumlichkeit. Da der Proband seinen Testparcours mit Bravour durchlaufen hat, könnte ich zum Schlusswort kommen. Wenn …, ja, wenn ich nicht permanent den Verdacht gehabt hätte, dass der MTT 990 zu noch Höherem berufen wäre!
Nach kurzer Erläuterung meiner Idee schickte mir Isabel Schlemermeyer von der Marketingabteilung freundlicherweise eine zweite Headshell. Diese bestückte ich mit meinem Excalibur Platinum, legte die erste Scheibe auf … und musste erst einmal verarbeiten, was ich nun hörte. Mit einer Verbesserung der Performance hatte ich gerechnet, aber in diesem Ausmaß war das schon überwältigend. Im Detail darauf einzugehen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, zusammenfassend möchte ich es so beschreiben: Nehmen Sie alle audiophilen Qualitäten und schieben Sie den weit nach oben! Die perfekt aufgenommene und mustergültig gefertigte Scheibe Live At Museo Piaggio vom toskanischen Duo Musica Nuda (Fonè) legte fast alle klanglichen Aspekte offen (auch wenn der musikalische Wert wohl nur für Fans von Bedeutung ist).
Nun ist es vielleicht unverhältnismäßig, an den MTT 990 einen Tonabnehmer zu schrauben, der in etwa so viel kostet wie der vollständige Plattenspieler. Es zeigt aber das Potenzial dieses Drehers auf, der einen superben, kostengünstigen Einstieg in die Vinylwelt erlaubt und die Option bietet, mit steigenden Ansprüchen aufgerüstet zu werden. Durch seine Anpassungsmöglichkeiten sind zudem vielfältige Experimente mit Plattenmatten, Kabeln etc. möglich, sodass sich eine lohnenswerte Spielwiese ausbreitet. Kurzum: Auf der highendigen Leiter kommt er erstaunlich weit nach oben.
Info
Plattenspieler Magnat MTT 990 50th Anniversary
Konzept: Plug’n’Play-Plattenspieler mit quarzgesteuertem Direktantrieb
Drehzahlen: 33, 45 und 78 U/min
Gleichlaufschwankungen (@33 U/min): < 0,08 %
Geräuschspannungsabstand (dBA): > 72 dB
Fremdspannungsabstand: > 65 dB
Tonarm: 10″, J-Form mit SME-Systemträger, für Tonabnehmer mit einem Gewicht von 3 bis 10 Gramm, empfohlene Nadelnachgiebigkeit: mittel bis hart, Einstellbereich Auflagekraft: 0 bis 40 mN/0 bis 4,0 g
Abtaster: Frequenzbereich 20 Hz bis 23 kHz; Kanaltrennung (1 kHz) 27 dB; Schaftform der Nadel: Rundschaft, gefasst; empfohlene Lastimpedanz 47 kΩ; Ausgangsleistung: (1 kHz, 5 cm/s) 4,0 mV
Farbe: „Anniversary Graphit-Grau“
Maße (B/H/T): 45/16/37 cm (mit Abdeckhaube, geschlossen)
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 1500 €
Kontakt
Magnat Audio-Produkte GmbH
Lise-Meitner-Straße 9
50259 Pulheim
Telefon +49 2234 8070
info@magnat.de
Mitspieler
Plattenspieler: TW Acustic Raven GT2
Tonarm: Raven 10,5″
Tonabnehmer: Clearaudio Concerto V2, Excalibur Platinum
Verstärker: Lab 12 Melto2, Electrocompaniet EC 4.8, Electrocompaniet EC AW250R
Lautsprecher: Audio Physic Spark auf Solidsteel SS-5
Stromversorgung, Kabel: IsoTek Aquarius, AudioQuest Yukon, Zavfino Gold Rush, 2 x Kimber 8TC BiWire, WBT
Zubehör: Audio Physic VCF V Magnetic plus, Lehmannaudio Stage 1 und mehr …