Lana Del Rey – Ultraviolence
Spätestens wenn die Brothers-In-Arms-CD endgültig verschlissen ist, der Text von „Hotel California“ keine Rätsel mehr aufgibt, die Gänsehaut bei „Stimela“ einer neurotischen Beklemmung weicht und man die Cover der schweren Diana-Krall-Scheiben lieber nur betrachtet, statt die LPs aufzulegen, wird es Zeit für neue Test-Musik. Aber welche? FIDELITY weiß Rat.
Elizabeth Woolridge Grant ist die Großmeisterin der Popmelancholie. Bekannt ist sie unter ihrem Künstlernamen: Lana Del Rey. Ihre berühmtesten Songs heißen „Video Games“ und „Summertime Sadness“. Ihre Lieder hüllen die sonst oft bunte Popwelt in eine mystisch-düstere Soundwolke. Die Kombination aus mit brüchiger Stimme gehauchten Texten und sphärischen Vintageklängen ist ihr Markenzeichen – das sie allerdings 2014 einer Generalüberholung unterzog. Da wurde bekannt, dass Ihre Platte Ultraviolence vom US-Amerikaner Dan Auerbach produziert werden sollte. Den kennt man, vor allem als Freund rauer Gitarrenklänge, bereits als Sänger und Gitarristen des Blues-Rock-Duos The Black Keys. Wie aber sollten Auerbachs dreckig-röhrige Gitarrensounds zur melancholischen Popmusik von Lana Del Rey passen? Ultraviolence gibt die Antwort: Sehr gut! Die Platte ist für alle, die das eigene High-End-Equipment mal so richtig herausfordern wollen, ein Muss.
„Cruel World“, der Album-Opener, zeigt bereits, was den Hörer auf Ultraviolence erwartet. Verzerrte, zugleich doch sanfte Gitarrenklänge machen den Anfang. Dann zieht Lana Del Reys Moll-Stimme, umgeben von viel Hall, den Zuhörer hinab in die Tiefe. In nicht mal 20 Sekunden baut sich so diese nostalgische Retro-Grundatmosphäre auf, die einen Dinge vermissen lässt, die man doch eigentlich nie erlebt hat. Auffällig ist jedoch die für Lana-Del-Rey-Verhältnisse wesentlich rauere Abmischung – und natürlich der deutlich wahrnehmbare Klang einer crunchigen E-Gitarre. Das ist das Markenzeichen von Dan Auerbach. Die Lieder seiner eigenen Band, The Black Keys, sind geprägt von eben jenem Sound, der nun auch Lana Del Reys Melancholie-Melodien eine neue Härte verleiht. Ein gutes Beispiel dafür ist auch „Shades Of Cool“. Eine Ballade mit glockenhell intoniertem Gesang, die zum Ende hin jedoch durch ein bluesiges Gitarrensolo aufgebrochen wird.
Die wohl experimentellste Ultraviolence-Nummer ist „West Coast“. Wah-Wah-Gitarren und Shakersounds verleihen dem Song Surfrock-Flair. Synthieklänge lassen sogar Einflüsse aus dem Hip-Hop erkennen. Eingespielt wurden die Instrumente von Dan Auerbach. Dessen „lockeren California-Vibe“ bezeichnete Lana Del Rey später als das „fehlende Puzzleteil“ von Ultraviolence. Dazu muss man wissen: Zur besonderen Zusammenarbeit wäre es beinahe nie gekommen. Denn beide lernten sich nur zufällig auf einer Party kennen. Mit den Arbeiten an Ultraviolence war Lana Del Rey da schon fast fertig. Doch weil sie mit dem Sound nicht vollends zufrieden war und beide sich gut verstanden, kam Auerbach ins Spiel. Der ließ Lana Del Rey innerhalb von nur drei Wochen fast das gesamte Album neu im Studio aufnehmen, live und begleitet von sieben Studiomusikern.
Unberührt von diesen Überarbeitungen blieben nur wenige Songs. Einer davon ist jedoch erwähnenswert: „Old Money“. Der fällt hier, umgeben von Songs, die Auerbachs Experimentierfreude prägte, besonders auf. Getragen wird die Ballade vom Gesang von Del Rey. Unterstützt wird sie von einem Streichorchester und einem Piano. „Old Money“ wirkt wie geschaffen dafür, das große Finale eines Film-Epos musikalisch zu untermalen. Und möglicherweise war Lana Del Rey – im übertragenen Sinne – auch wirklich noch voll im Film. Denn während der Arbeiten an Ultraviolence steuerte die US-Amerikanerin auch ein Lied für den 2014 erschienenen Fantasy-Film Maleficent – Die Dunkle Fee bei. Im Gegensatz zur Zusammenarbeit mit Dan Auerbach überraschte diese Konstellation deutlich weniger. Denn schließlich ist Lana Del Rey als Großmeisterin der Popmelancholie auch so etwas wie die dunkle Fee der Popmusik.
Lana Del Rey
Ultraviolence
Label: Interscope Records/Polydor
Format: CD, Vinyl, DL 16/44
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