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Vinyl Corner - Sam Records

Made in France

Vinyl Corner

Sam Records – Made in France

Das Label Sam Records lässt französisch-amerikanische Jazzgeschichte auferstehen.

Vinyl Corner - Sam Records
John Lewis & Sacha Distel: Afternoon In Paris (SAM12005

Wenn wir Vinyl-Nerds mal ganz ehrlich sind, dann müssen wir gestehen, dass unter klanglichen Gesichtspunkten angesichts aktueller Digitaltechnik die analoge Musikwiedergabe arg in Bedrängnis geraten ist. Umso wichtiger wird aber das „Mehr“ jenseits des reinen Klangvergnügens: Haptik, Visualität, historisches Kulturzeugnis und vieles andere. Aber gerade Wiederveröffentlichungen atmen vor allem im Jazzbereich häufig nicht dieses Mehr an Atmosphäre und historischem Spirit.

Vinyl Corner - Sam Records
Donald Byrd Quintet: Parisian Thoroughfare (Live) (SAM87904)

Dies ist letztlich der Grund, warum sich viele Jazzfreunde im Internet oder auf Plattenbörsen durch Erst-, Zweit- oder auch Drittpressungen wühlen. Und hier kommt nun Fred Thomas’ kleines, aber feines Label Sam Records in Spiel. Der Charme und auch der Erfolg des Labels beruht vor allem darauf, dass Thomas in erster Linie über seine Profession als Fotograf und Jazzliebhaber den Einstieg in ein eigenes Plattenlabel gefunden hat. 2006 lernte er den Saxofonisten Nathan Davis persönlich kennen und fasste den Entschluss, eine Aufnahme von Davis aus dem Jahr 1965 erneut zu veröffentlichen und dabei den gesamten Spirit der Original-LP wiederauferstehen zu lassen – in bestmöglicher Qualität nicht allein bei Sound und Pressung, sondern auch, was Cover und Fotografien betraf.

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Nathan Davis & Georges Arvanitas Trio: Live in Paris – The ORTF Recordings 1966/1967 (SAM20)

Die Suche nach dem Urheber des Titelbildes führte ihn zu Jean-Pierre Leloir, einem legendären Fotografen, der über viele Jahre das musikalische Geschehen in Paris auf Film festgehalten hatte. Mittlerweile umfasst der Katalog des Labels mehr als 15 Aufnahmen aus den Jahren 1955 bis 1968, allesamt in Frankreich aufgenommen und bisweilen unveröffentlicht oder nur sehr schwierig als Originalausgabe zu bekommen. Hält man eine der LPs in der Hand, ist man zunächst wirklich über die liebevolle optische und haptische Restaurationsarbeit erstaunt, die sich bis hin zu der zeittypischen Falzknickung der Coverränder erstreckt oder bisweilen auch das originale 10-Zoll-Format beibehält. Die hervorragend reproduzierten Fotografien spiegeln bestens die Mischung aus amerikanischer Coolness und französischem Savoir-vivre der Zeit wider, die sich häufig auch im Zusammenwirken amerikanischer und französischer Musiker zeigt. Eine der ältesten Aufnahmen des Labels ist die Session des Chet Baker Quartets, die im Pariser Pathé-Magellan-Studio im Oktober 1955 stattfand und bei der in erster Linie taufrische Kompositionen Bob Zieffs vom Blatt gespielt wurden.

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Chet Baker Quartet: Featuring Dick Twardzik (SAM84009)

Neben der Spielfreude des Quartetts ist es vor allem die erstaunliche hohe Aufnahmekompetenz des Studios, die auch das audiophile Herz höherschlagen lässt. Diese Feststellung gilt eigentlich für alle wiederveröffentlichten Studioaufnahmen bei Sam Records. Fred Thomas ist bemüht, einen typischen Label-Sound zu vermeiden und konzentriert sich auf die Ursprungsqualität des analogen Masters. Im Fall der Liveaufnahme des Donald Byrd Quintets aus dem Pariser Olympia macht Thomas explizit auf einige Unzulänglichkeiten der Aufnahme aufmerksam, die sich nicht haben retuschieren lassen; eine digitale Optimierung lehnt er jedoch strikt ab. Dennoch sind in aller Regel die Unterschiede zwischen den Studio- und den Liveaufnahmen marginal, ein weiteres Merkmal dafür, wie gut die französischen Tontechniker in diesen Jahren bei Philips, Fontana oder Brunswick ihr Handwerk verstanden haben. Eine Offenbarung in Sachen Dynamik ist etwa die außerordentlich coole Session des Ronnell Bright Trios, die 1958 von Polydor im Studio des Dames mitgeschnitten wurde und trotz ihrer 65 Jahre zeigt, was heutzutage in Sachen Aufnahmetechnik so häufig falsch läuft.

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The Ronnell Bright Trio: The Ronnell Bright Trio (SAM46106)

Besonders erwähnenswert sind die Aufnahmen mit Nathan Davis. Der aus Kansas stammende Tenorsaxofonist verbrachte viele Jahre in Frankreich und war regelmäßiger Gast bei den Europatourneen eines Kenny Clarke oder Art Blakey. Die bis dato diskografisch unveröffentlichten ORTF-Radiokonzerte aus den Jahren 1967/68 sind zweifellos ein musikalisches Highlight des Labels. Mein persönlicher Favorit ist aber das Album Jazz sur Seine, bei dem Milt Jackson ausnahmsweise als Pianist zu vernehmen ist und vor allem der gerade mal 21-jährige Barney Wilen zeigt, wie man Cool, Bop und Latin miteinander verbindet. Genialität made in France.

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Milt Jackson, Barney Wilen: Jazz sur Seine (SAM77127)

www.samrecords.fr

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