Der Hund bringt den Spaß, nicht die Hundeflöhe
Seit einigen Jahren kommt es nur noch selten vor, dass ich meine müden Knochen motivieren kann, ein Konzert zu besuchen. Falls es dann doch mal passiert, finde ich es umso ärgerlicher, wenn meine Vorfreude sich jäh in derbe Enttäuschung wandelt.
Die Bands spielen zwar meistens engagiert, aber was den Gesamteindruck der live vorgetragenen und erlebten Musik angeht: Häufig sind die klanglichen Mängel da nicht zu tolerieren. Oft ist der Hall auf den Gesangsstimmen zu hallig, sind einzelne Instrumente im Klangbild nicht exakt lokalisierbar oder die Dimensionen des Raumes nur diffus wahrnehmbar.
Kommt Ihnen das vielleicht spanisch vor? Da liegen Sie verdammt richtig! Konzertbesucher achten nämlich überhaupt nicht auf diese Dinge. Das tun nur Audiophilisten im Angesicht ihrer Musikwiedergabeanlage, weil sie sich das im Laufe der Jahre so antrainiert haben, woran die HiFi-Presse sicher nicht ganz unschuldig ist. Im Konzert hört man im Gegensatz dazu ganzheitlich. Die Musik reißt den Zuhörer entweder emotional mit oder halt nicht. Geil oder nicht geil, das ist hier die Frage. Vielleicht befinden sich viele Highender bei der Optimierung ihres Equipments genau an dieser Stelle auf dem Holzweg, indem sie immer mehr Details aus ihrer Anlage herauskitzeln und dabei den Gesamtklang aus den Augen verlieren. Natürlich leisten die Details im Musikvortrag ihren Beitrag zum musikalischen Ganzen, das Konzert besteht ja schließlich aus ihnen, aber im Fokus des Musikhörens steht immer der Musikvortrag in seiner Gesamtheit.
Wäre es anders, könnte die Musikwiedergabe über ein altes Röhren-Dampfradio uns nicht begeistern, denn dort sind die Feinheiten kaum wahrnehmbar und das Frequenzspektrum ist begrenzt. Die zentrale Message des Vortrags bleibt davon jedoch unberührt und kommt, falls denn vorhanden, voll zur Geltung. Wir können entspannt und zufrieden in der Musik versinken. Manche High-End-Anlage tut sich hier deutlich schwerer und präsentiert zwar Details im Überschwang, scheitert aber daran, diese miteinander zu verheiraten. Der Zuhörer ist kurzzeitig begeistert, aber auf Dauer gelangweilt.
Der Transport der Musik ins heimische Wohnzimmer ist aber auch nicht einfach. Schon bei der Aufnahme über viele Mikrofone wird die Musik zerlegt, später manipuliert, wieder zusammengesetzt, zum Hörer transportiert, um zu Hause in verschiedene Frequenzbereiche aufgeteilt wiedergegeben zu werden. Das Musikstück als Ganzes steht dabei eindeutig nicht im Fokus. Da grenzt es doch an ein kleines Wunder, dass das Endergebnis oft derart hörenswert ist. Manchmal aber eben auch nicht. Vielleicht bedarf es einer anderen Art von Anlagen und einer anderen Art des ganzheitlichen Hörens, um mehr Zufriedenheit in unsere Hörzimmer einkehren zu lassen.