Goldring Eroica HX
Die stetig ansteigende Nachfrage nach Vinylschallplatten in den letzten Jahren ist zum Teil verbunden mit dem wachsenden Interesse der jüngeren Generation. Die Wertigkeit und Fühlbarkeit von Musik als ein persönliches Erlebnis steht dabei im Vordergrund und nicht mehr nur die Überall-Verfügbarkeit der Streaming-Playlisten.
In aller Kürze:
Auf den Punkt gebracht: Der Goldring Eroica HX ist mit seinem hervorragenden Klang zum fairen Kurs der perfekte analoge Vermittler zwischen den Generationen.
Wahrscheinlich hat die Corona-bedingte Lockdown-Zeit auch dazu beigetragen. Mehr Zeit zu Hause bedeutete neue Aufmerksamkeit für die Vinylschallplatte, die haptischen und visuellen Vorzüge des größeren Formates dürften ein Stück weit zu dieser Renaissance beigetragen haben. Gute Argumente also für die Hersteller, sich dieser neuen Zielgruppe zuzuwenden. Oft verfügen die klassischen älteren Komponenten noch über einen MM-Input am Verstärker. Viele der neuen günstigeren Plattenspieler haben einen MM-Phonoverstärker direkt integriert. Die Qualität ist dabei nach eigenen Erfahrungen stetig gestiegen und trotzdem in der Einstiegsklasse erschwinglich geblieben. Die Firma Goldring wurde schon vor Generationen – im Jahr 1906 – in Berlin gegründet und siedelte in den 1930er Jahren nach England um, mit heutigem Sitz in der Grafschaft Hertfordshire nördlich von London.
Der Hersteller zählte von Anbeginn zu den Technologieführern und war für sein „Record Saving Lightweight Design“ bei Tonarmen und Moving-Magnet-Tonabnehmern bekannt. In den 1950er Jahren war das Model No. 500 einer der leichtesten Tonabnehmer, die bei der BBC im Einsatz waren. Mit seinen MM-Einsteigern der E-Serie von 2010 hat Goldring die Zeichen der Zeit früh erkannt und damit gerade die jüngere Generation erreicht. Seit den 1980er Jahren kamen MC-Tonabnehmer mit den Baureihen Eroica, Excel, Elite, Legacy und zuletzt 2018 Ethos hinzu. Stete Forschung und Weiterentwicklung von Materialien und Technologien, die breite Produktpalette mit moderater Preisgestaltung sowie die Zusammenarbeit mit Premiumherstellern wie Transrotor oder Linn haben dabei die Verbreitung und den guten Ruf „Made in the UK“ auch in schwierigen Zeiten gefestigt. Mit dem neuesten Tonabnehmer, dem Eroica HX, zielt Goldring jetzt genauso konsequent auf die damit heranwachsende Zielgruppe der Vinyl-Aufsteiger, die im Berufsleben Fuß gefasst haben und die gewachsene Plattensammlung mit einem gesteigerten Anspruch an das Musikerlebnis genießen möchten. Nach Ansicht von Goldring ist dabei ein Wechsel vom MM-System auf einen MC-Tonabnehmer das effizienteste Upgrade. Das Eroica HX erfüllt genau das, und zwar mit einem herrlichen Kompromiss: Als High-Output-MC lässt es sich direkt an MM-Eingängen verwenden.
Ein X für ein H
Das Eroica HX ist der Nachfolger des Eroica H und die High-Output-Variante des beliebten LX-Moving-Coil-Systems. Üblicherweise werden die Moving-Magnet-Systeme gerne mit einer Ausgangsspannung von fünf Millivolt, die MC-Systeme oft mit 0,5 Millivolt betrieben. Das Eroica HX findet sich mit einer Ausgangsspannung von 2,5 Millivolt in einem mittleren Verstärkungsbereich.
Ob das System damit am MM-Eingang eventuell zu leise klingt und zudem problemfrei an einem MC-Eingang betrieben werden kann, wird der Praxistest klären.
Da es sich um ein MC-System handelt, sind prinzipiell die bewegten Massen im System geringer, und Goldring verspricht als Upgrade zu Moving-Magnet-Systemen einen gesteigerten Frequenzumfang und Kanaltrennung beim Umstieg auf das neue HX. Mit einem Gewicht von nur 5,2 Gramm kommt auch hier das „Lightweight Design“-Prinzip zur Anwendung – wo keine Masse ist, kann auch nichts schwingen, verzerren oder resonieren. Zum geringen Gewicht trägt maßgeblich das Gehäusematerial Pocan bei, ein PBT-Kunstoff, der für die Serienherstellung im Spritzguss- oder Extrusionsverfahren geeignet und damit auch relativ kostengünstig ist. Allerdings ist damit die Verwendung an einem mittelschweren bis leichten Tonarm die Voraussetzung, sonst passt das Resonanzsystem der bewegten Massen im Abtastvorgang nicht zusammen und die Wiedergabe wird unsauber oder im Extremfall gar nicht mehr möglich.
Der Autor hatte vor langer Zeit als gut gemeinten Höhenausgleich ein paar Filzstreifen zwischen Plattenteller und Subteller gelegt, mit dem Effekt, dass die Nadel bei der Widergabe dann und wann aus der Rille gesprungen ist. An meinem Naim ARO funktioniert der Betrieb aber sehr gut. Gewicht und Geometrie des Eroica HX passen gut zu diesem Tonarm, als Gegengewicht kommt jedoch eine der leichteren Varianten zum Einsatz. Die fummelige Montage an die Headshell mit Schrauben und Muttern ist etwas aus der Zeit gefallen und für Unerfahrene ein recht stressiger Prozess. Genauso wie für die Nadel, die bemerkenswerterweise einen konturscharfen Gyger-II-Schliff aufweist und gute Abtastwerte verspricht. Das Abtastgewicht wird mit 1,7 Gramm empfohlen und entspricht den gewohnten Werten beispielsweise meines Lyra Dorian, das ich für Vergleichszwecke gerne heranziehe. Ebenso habe ich zwei Denon-Varianten, das DL-103R und den Genuin-Tonabnehmer Sting mit Van-den-Hul-Nadelschliff zum Vergleich gehört, um mir eine subjektive Klangeinschätzung des Goldring HX zu ermöglichen.
Allrounder
Nach dem Einbau habe ich mich für den Camtech-Phonovorverstärker als ersten Spielpartner entschieden, da ich so zwei Tonabnehmer anschließen und zudem einfach zwischen der Betriebsart MM und MC umschalten kann. Dieser Phonoverstärker stammt zwar noch aus einer älteren Generation, ist klanglich aber immer noch auf der Höhe der Zeit und zu einem moderaten Preis auch noch gebraucht zu bekommen. Zu meinem Schrecken startet Love & Money, die neue Schallplatte von Katie Melua, unerwartet laut, weil ich noch in meinem üblichen MC-Modus gestartet bin. Zum Glück ist das Eroica HX nur halb so laut wie andere High-Output-Varianten, ein Betrieb mit relativ geringer Verstärkung am MC-Eingang deshalb noch gut im Umschaltbetrieb zu MM vergleichbar.
Ich bleibe im MC-Betrieb und bin erstaunt, wie direkt und druckvoll das Eroica musiziert. Obwohl nicht für den MC-Betrieb bestimmt, kann es seine Verwandtschaft zum LX nicht verleugnen. Die Stimme von Katie Melua steht hier prägnant im Vordergrund, das Klangbild ist dabei eher kompakt, aber in sich stimmig. Ich schalte in den empfohlenen MM-Betrieb um, Katie Melua weicht jetzt etwas zurück, die Musiker und Instrumente rücken auseinander und stehen auf der Bühne besser nebeneinander. Nun klingt es allerdings etwas zurückhaltender, tonal mit warmen Klangfarben. Die Stimme ist klar und S-Laute sind sehr sauber, was ich auch dem Gyger-II-Schliff zurechne. Das Eroica HX spielt weiter aus der Mitte heraus, ähnlich dem Denon DL-103R, und ebenso dynamisch, zudem auch langzeittauglich. Dabei erinnert es mich aber noch mehr an mein Lyra Dorian, weil das Eroica eine noch feinere Klinge führt als das Denon.
Bei Roxy Musics Avalon fällt der harmonische Gesamteindruck auf, immer noch tendenziell kompakt, dabei druckvoll und kernig. Das Genuin Sting zeigt tonal in die gleiche Richtung, aber mit nochmals gesteigerter Auflösung und Breite im Klangbild, spielt dabei preislich jedoch in einer ganz anderen Liga. Bei Tracy Chapmans Crossroads kommen alle Vorzüge des Eroica HX voll zur Geltung, herrlich direkt und mit „Wums“ im Bass, sonor und lebendig, die Stimme facettenreich, ideal für Singer-Songwriter und Clubatmosphäre, denke ich mir. Je länger ich mit dem Eroica HX durch meine Platten höre, desto klarer wird mir, dass ich einen absolut stimmigen Allrounder vor mir habe, der mit einem UVP von rund 700 Euro sehr vernünftig bepreist ist.
Ich wechsle von der Phonostufe auf einen Röhren-Vorverstärker von Monk-Audio. Chimes At Midnight, das aktuelle Album der norwegischen Indie-Band Madrugada um Sänger Sivert Høyem und Bassist Frode Jacobsen, läuft wie gewohnt sehr ausdrucksstark, die markante dunkle Stimme baut sich aus der Mitte sehr energiegeladen auf. Die Frequenzränder sind wie auch beim Lyra etwas zurückgenommen. Über den Röhren-Entzerrer scheinen die Klangfarben noch schöner zu leuchten und das Klangbild rastet förmlich ein. In so einem Fall ist man als Autor und Hörer glücklich, den „Best Match“ gefunden zu haben. Interessehalber wechsle ich wieder auf MC-Betrieb und bin abermals erstaunt! Die Stimme wird wieder prägnanter, sogar vermeintlich etwas klarer? Die Frequenzränder scheinen jetzt etwas mehr Energie zu tanken und das Klangbild wirkt dadurch schön dreidimensional, die höhere Verstärkung tut dem Röhrenbetrieb also tendenziell gut.
Dieser letzte Auftritt und die gezeigte Performance an MM- sowie auch über MC-Eingang unterstreicht das große Potenzial des Goldring Eroica HX und ist damit eine klare Empfehlung für den Aufstieg zum „Next Level“ der hoffentlich für die analoge Schallplattenwiedergabe weiterhin begeisterten jungen Generation.
Info
Tonabnehmer Goldring Eroica HX
Konzept: High-Output-MC-Tonabnehmer
Frequenzgang (±3 dB): 20 Hz bis 22 kHz
Kanaltrennung bei 1 kHz: 25 dB
Empfindlichkeit (±1 dB, 1 kHz @ 5 cm/s): 2,5 mV
Äquivalente Spitzenmasse: 0,6 mg
Vertikaler Abtastwinkel: 20°
Nadeltyp: Radius Gyger II
Lastwiderstand: 47 000 Ω
Last-Kapazität: 100–500 pF
Gewicht der Kassette: 5,5 g
Auflagekraft: 1,5 bis 2,0 g (1,7 g nom.)
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 700 €
Kontakt
IDC Klaassen
Am Brambusch 22
44536 Lünen
Telefon +49 231 9860-285
info@mkidc.eu
Mitspieler
Plattenspieler/Laufwerk: Avid Diva SP, VPI Avenger, Clearaudio Jubilee Reference
Tonarm: Origin Live Illustrious, Naim ARO
Tonabnehmer: Lyra Kleos, Lyra Dorian, Denon DL-103R, Genuin Sting
Phonovorverstärker: Cyrus Phono Signature, Monk-Audio Le Petit, Camtech „Phono Verstärker“
Verstärker: MFE TA 211 V
Lautsprecher: Blumenhofer Tempesta 20