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HIGH END 2023 Elektronik

HIGH END 2023, Teil 2: Elektronik

Die Renaissance des Vollverstärkers

Vollverstärker – mehr als ein Retro-Trend

Er wurde gebraucht. Für viele war er der Start in das audiophile Hobby, die Schaltzentrale, das Herzstück: der Vollverstärker. Auf der HIGH END 2023 kehrt er zurück.


Hier geht’s zu den anderen Teilen unserer HIGH END 2023 Messenachlese:

Teil 1: Analog

Teil 3: Lautsprecher


HIGH END 2023 Elektronik
Ein klassischer Vertreter der Gattung Vollverstärker: Ein Angström Audiolab ZIA 100. Dank separatem Gain-Regler lässt sich der Lautstärkesteller unabhängig von der Line-Signalstärke schön im Sweet Spot halten.

Doch in den letzten Jahren liefen ihm vermeintlich klügere, praktischere Lösungen den Rang ab. Wer heute noch einen Vollverstärker baut, muss sich Gedanken über einen gewissen Mehrwert machen. Ein britischer Standbetreiber brachte es bei der HIGH END 2023 auf den Punkt: „Ein Vollverstärker ohne Zusatznutzen lässt sich heutzutage kaum noch verkaufen.“

Dafür sind Geräte wie der schon Ende 2022 erschienene Mission 778X ein gutes Beispiel. Der kompakte Vollverstärker begnügt sich nicht damit, Signale von Hochpegelquellen auf ein Niveau zu bringen, das auch Lautsprecher antreiben kann, und dazu noch die Frequenzkurve von (MM-)Tonabnehmern geradezubiegen – er versteht sich auch mit Bluetooth-Lieferanten wie Smartphones und hat außerdem mit dem ESS ES9018K2M einen zeitgemäßen DAC eingebaut, der Digitalsignale mit einer Abtastrate von bis zu 384 kHz (PCM) und DSD256 decodieren kann. Die Schaltzentralen-Idee von einst wird neu gedacht. Der Mission spiegelt noch zwei weitere Trends wider: Er kommt in postmodernem Retrodesign daher, erinnert sehr bewusst an seinen Vorfahren 778 (ohne „X“) und ist für den Mutterkonzern seit Jahren der erste Verstärker, den man selbst entwickelt hat.

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Man soll ein Buch ja nicht nach dem Umschlag beurteilen: Der Vollverstärker Mission 778X gibt sich optisch als passender Spielpartner für die klassisch gestaltete Mission 700, bringt aber wie selbstverständlich Konnektivität des 21. Jahrhunderts mit.

Das machen andere freilich auch. Viele Lautsprecherproduzenten haben inzwischen wieder Verstärker unter eigenem Label im Programm und kommentieren dieses Engagement mit dem einleuchtenden Argument, dass sie am besten wissen, wie ihre Schallwandler optimal angetrieben werden.

Auf der HIGH END 2023 allgegenwärtig: All-in-One-Systeme

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Alles, was man für die hochwertige Musikwiedergabe so braucht, wird beim T+A R2500R sicher in einem Tresorgleichen Gehäuse verwahrt.

Verstärkung alleine reicht aber eben meist nicht mehr aus. Dem Wunsch vieler Musikenthusiasten, die gesamte Elektronik in einem einzigen Gehäuse versammelt zu haben, entsprechen viele Hersteller mit Streaming-Verstärkern wie dem Forté 3 von Axxess. Diese Debut-Komponente der neuen Marke von Audio Group Denmark bildet mit einem Paar Lautsprecher bereits ein vollständiges Setup, wie man es sich in seinem Wohnraum wünscht.

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Bekannt geworden ist die Audio Group Denmark mit phantastischen Cost-no-Object-Komponenten. Mit Axxess haben die Dänen nun eine Marke aus der Taufe gehoben, die ihre innovativen Technologien in “humaneren” Preisgefilden zugänglich macht. Der Forté 3 Streamingverstärker ist alles, was ein typischer Nutzer an Elektronik je brauchen wird.

Ein wenig anders denkt Nubert den Gedanken der Schaltzentrale: Der nuControl X verzichtet auf die Leistungssektion und bietet damit mehr Spielraum beim Aufbau des Setups – Aktivlautsprecher können mit Lautsprecherklemmen schließlich nicht viel anfangen. Befürworter passiver Schallwandler bedient Nubert an dieser Stelle mit passenden nuPower Endstufen. Der Control X versteht sich also als vollintegriertes Frontend, das sich mit allen gängigen Streamingdiensten ebenso verständigen kann wie mit Bluetooth-Gebern. Externe Line-Level-Quellen nimmt er genauso gerne an wie Plattenspieler, wandelt digitale Signale intern und regelt die Lautstärke – alle Kontrollfunktionen in einer Box eben.

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Preisklassenunabhängig ist Integration ein deutlich erkennbarer Trend auf der HIGH END 2023. Bei Sonoro kommt dabei auch die gute alte CD nicht zu kurz.

Auch Oldschool bleibt ein Thema

Manche stemmen sich allerdings bewusst gegen den Strom. Verstärker-Guru Rolf Gemein etwa, dessen „Symphonic Line“-Modelle seit jeher auf jegliches Bling-Bling verzichten und nur auf besten Klang gezüchtet sind. Zur Messe prangte auf Gemeins Stand, den er zusammen mit Tochter Marion betreute, als Neuheit eine Endstufe von der Sorte „schwer und riesig“, für die all jene dankbar sein dürften, die „zickige“ Lautsprecher mit fiesen Impedanzminima und mäßigem Wirkungsgrad antreiben müssen. Eine Nummer kleiner fällt der bekannte „La Musica“-Vollverstärker aus, den Gemein nun auch in einer „2023 Edition“ anbietet.

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“Integrated Amplifier” ist für manche freilich integriert genug: Rolf Gemein stellt hier einige seiner betont unmodern angelegten Vollverstärker aus – auch die finden ihre Abnehmer.

Wer weniger extreme Parameter zu bedienen hat, kann getrost auch der nicht ganz neuen Mode der Miniaturisierung frönen und beispielsweise beim Plattenspielerspezialisten Pro-ject ins Regal greifen, in dem seit kurzem die Stereo Box DS3 steht. Auf den ersten Blick ein in den äußeren Abmessungen deutlich „geschrumpfter“ Vollverstärker, der trotz seiner sehr kompakten Abmessungen drei Line-Eingänge bietet, MM- und MC-Tonabnehmer gleichermaßen versteht und auch Bluetooth spricht. Klar muss man sich sein, dass die Reduktion der Außenmaße (und des Gewichts) nur durch Schaltverstärkertechnik möglich wird. Diese „Class-D“-Designs sind aber längst in klanglichen Gefilden angekommen, in denen sich auch audiophile Geister wohlfühlen.

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Integration geht auch ohne Verstärkung: Ein Regelbarer Streaming-DAC wie der Linn DSM Klimax kann als vollwertige Schaltzentrale fungieren und bildet mit einem Paar Aktivlautsprecher ein schlankes Setup. Einzig der Plattenspieler benötigt zwingend einen separaten Stellplatz auf dem Rack.

Röhren dürfen nicht fehlen

Für das pure Bad im Wohlklang und den bewussten Verzicht auf das letzte Quäntchen tonale Wahrheit empfehlen sich aber weiterhin Röhrenverstärker – was sich aus dem Konzept herausholen lässt, ließ sich an diversen Messeständen betrachten und oft auch anhören. Das ebenso banale wie erfreuliche Fazit: Das Röhren-Revival hält an, und klassische 300B-Designs bilden die Basis für eine Myriade von Vollverstärkern und Endstufen.

Wer gerne an der Anlage tunt und feilt, wer nach Möglichkeiten sucht, den Klang subtil zu verbessern und dem eigenen Geschmack weiter anzunähern, findet in der Röhrentechnik auch und gerade im Jahr 2023 eine schier gigantische Spielwiese. Zumal der Kult-Hersteller Western Electric die Röhren-Legende 300B wieder neu fertigt. Da kann der preiswerte Röhren-Amp oft chinesischer Provenienz zum highendigen Überflieger werden, indem man ihm ein neues „Herz“ einpflanzt und die Röhrenbestückung tauscht.

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Eine von vielen Variationen auf dem Thema Vakuumkolben: Röhrenvollverstärker von Lab12.

Welchen Einfluss der Verstärkerklang auf eine Stereokette haben kann, ließ sich bei Dan D’Agostino nachlauschen, dessen Verstärker im Steampunk-Stil mit ihren großen Zeigerinstrumenten und ihren neuerdings wahlweise kupferfarbenen Zierleisten mehr denn je Hingucker sind. Seine Kreationen führte der Altmeister in München persönlich vor und gewährte dabei Einblicke in jene Hochphase des High End, als D’Agostino mit Entwicklerkollegen wie John Curl und Nelson Pass um die effizientesten Schaltungen, die beste Stromstabilität, den präsentesten Klang konkurrierte.

D’Agostinos große „Momentum“-Modelle sind Monumente, so schwer, dass ein Mensch sie allein praktisch nicht von der Stelle bewegen kann. Was den überdreht agierenden Standmoderator zu der Bemerkung hinriss, wer die „Trümmer“ selbst und ohne Hilfe davontragen könne, dürfe sie behalten. Ausprobiert hat das dem Vernehmen nach niemand.

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Die Verstärkerboliden von Dan D’Agostino ziehen auf jeder Messe zuverlässig alle Blicke auf sich.

Moderne Technik im Retro-Gewand

Das Auge isst mit, und so blieb ich eine Weile am Stand von HiFi Rose hängen und spielte mit den vielen Knöpfen, Kippschaltern und vor allem dem zahnradgekoppelten Lautstärkeregler des Vollverstärkers RA180, der auf seiner Phalanx von Ausgangsklemmen bis zu 1100 Watt stemmen kann, einen gesonderten Subwoofer-Ausgang hat und so aussieht, als käme er direkt aus einem Tonstudio der 1960er Jahre. Ein erstaunliches Statement für eine Firma, die ansonsten mit ultramodernen Streamern reüssiert.

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Auch wenn sich HiFi-Rose hauptsächlich mit Streaminglösungen auf der Höhe der Zeit beschäftigt, zeigt sich in den Darstellungsoptionen des Touchscreens durchaus eine gewisse Liebe zum Retro-Chic.

Studiodesign dominiert traditionell auch bei SPL, wo es die Verstärker nun auch eine Nummer kleiner gibt, was den „Wife Acceptance Factor“ beziehungsweise die Wohnzimmertauglichkeit deutlich steigert. Erfahrungsgemäß klingen die SPL-Bausteine so gut, wie sie aussehen.

Schade, dass auf der HIGH END 2023 weder Marantz noch Denon präsent waren. Gerade die neue Vor-/Endstufen-Kombination von Marantz hätte man gerne in Aktion gehört. Trösten konnte man sich auf dem Esoteric/TEAC-Stand, wo Jasper Bol und seine Crew eine auffallend stimmig klingende Vorführanlage aufgebaut hatten. Die Gene der hochwertigen Esoteric-Komponenten werden gerade in die eher konsumentenorientierten TEAC-Modellreihen weitergereicht, was nicht nur das bekannt überlegene VRDS-CD-Laufwerk betrifft, sondern auch clevere Verstärkerkonstruktionen, die es bei TEAC als handliche, aber umso klangstärkere Minis gibt.

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Wirklich handlich war der Burmester-Vollverstärker 232 nicht, der bei den Berlinern leider nur als Ausstellungsstück zu bewundern war. Das klassische Burmester-Design ist aber auf jeden Fall geeignet, die Welten zu vereinen, die Retrofans mit den Modernisten zu versöhnen. Das schaffen auch T+A oder Trigon, die wie Burmester zu den letzten inländischen Elektronikherstellern zählen und sich klanglich wie optisch durch betonte Klarheit auszeichnen. Weniger ist mehr, auch und gerade im Verstärkerbau.

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