Musical Fidelity M6x
Nein, Nachholbedarf im Digitalen hat Europa nicht: Der Musical Fidelity M6x DAC dürfte sich spielend an der Weltspitze behaupten – und kostet trotzdem nicht die Welt.
In aller Kürze:
Der D/A-Wandler M6x von Musical Fidelity bereitet digitale Signale auf – und bleibt dabei aber konsequent analytisch.
Ein DAC ist ein DAC ist ein DAC: das Gerät, dessen Bedeutung im Bekanntenkreis am schwersten zu vermitteln ist. Ja, ein Plattenspieler! Das ist ein hochempfindliches mechanisches Gerät, dem man sich nur gemessenen Schrittes und mit einer guten Haftpflicht nähern darf. Aber ein Wandler? Digital ist digital, und digital ist besser. Solche Ansichten sind natürlich eher im Bereich der „Fake News“ anzusiedeln. Das CD-Zeitalter war eine Phase, in der Musik ein standardisiertes Industrieprodukt war, mit dessen Einzelspezifikationen man sich auch als interessierter Musikliebhaber nicht wirklich auseinanderzusetzen hatte. Ab 1980 regelte der recht übersichtliche Redbook-Standard alles, was Toningenieure und Hardware-Hersteller wissen mussten. Dies hat sich deutlich gewandelt: Die Vielfalt an digitalen Formaten ist erdrückend, und nicht jedes Gerät, das prinzipiell irgendeinen Codec verarbeiten kann, kann dies gleich gut.
Auftritt: der neue Oberklasse-DAC aus dem Hause Musical Fidelity, der M6x. Er folgt auf den vielgelobten M6, dessen Ursprungsvariante per Modellpflege bis zur Roon-Zertifizierung aufgepimpt worden war. Zeit also, die Sache noch einmal grundsätzlich und ganz von vorn anzugehen. Es handelt sich weiterhin um einen Stand-alone-DAC, der sich auf seine eigentliche Aufgabe besinnt: das Vorbereiten und Umwandeln digital angelieferter Signale zur analogen Weiterverschickung. Das Gerät hat also nicht noch einen Nebenjob als Streamer und zieht sich die Signale nicht eigenständig aus dem Netz. Trotzdem ist das Gehäuse groß und majestätisch: Hinter der oben wie unten abgeschrägten Aluminiumfront geht es stolze 30 Zentimeter in die Tiefe. Genug Platz also auf der Platine und drumherum, um Bauteile und Schaltungen angemessen weit entfernt voneinander zu platzieren. Auch ein Vorverstärker hat Platz gefunden, so lässt sich auch ein Endverstärker direkt ansteuern. Rückseitig finden sich fünf digitale Eingänge von USB bis AES/EBU, raus geht es per RCA oder XLR (oder über die frontseitige Kopfhörerklinke). Man sieht: Auf eine halbherzige Konnektivitäts-Bonanza wird zugunsten von Hochwertigkeit verzichtet. Die Optik ist wie immer klassisch: Die blauen Signal-LEDs sind übersichtlich und nach nachvollziehbaren Themen – Output, Input, Filter, PCM-Samplerate der anliegenden Quelle etc. – angeordnet und bei gedimmter Raumbeleuchtung wirklich anmutig anzusehen. So weiß man immer, was das Gerät gerade macht, und braucht kein Display, das als zusätzliches Element Einstreuungsrisiken unnötig erhöhen würde.
Digitale Signale sind nicht minder empfindlich als analoge, nur weil sie eben digital sind. In der Praxis fließt auch hier analoger Strom in Form einer Rechtecks-Wellenform. Und genau deshalb können auch in die binäre Darstellung unerwünschte Bestandteile hineingeraten. Außerdem kann ein Wandler – in diesem Fall zwei ESS-ICs von Sabre für einen konsequenten Dual-Mono-Aufbau des gesamten M6x – zwar zwischen Null und Eins unterscheiden, wann sie aber angeliefert werden, kann er nicht vorausahnen. Wie immer ist Timing aber alles. Musical Fidelity löst dies durch ein dreifaches Reclocking – gewissermaßen vorne, in der Mitte und hinten –, um die Null-Eins-Übergänge sauber zu takten, sodass ein möglichst idealtypischer Rechteckverlauf des Signals angeliefert wird. Gewandelt wird dann ESS-typisch mit 32 Bit, was einen hohen Dynamikumfang und einen hohen Grad an Verzerrungsfreiheit verspricht.
Bevor es aber so weit ist, lässt sich das Signal per Taster durch sieben voreingestellte Rekonstruktionsfilter schicken. Diese nehmen Einfluss auf Größen wie auf Aliasing und Vorschwingen und reichen von moderaten Eingriffstiefen bis zum heftigen „Brickwall“-Filter: Der verzögert das Signal und verstärkt somit das Vorschwingen. Klanglich muss man sich diese Einstellung in etwa so vorstellen wie zu Beginn des CD-Zeitalters, als der Sound ungewohnt kristallin daherkam und so manche Merkwürdigkeiten bei der Wiedergabe von hohen, perkussiven Instrumenten aufwies. Wie die Filter sich bemerkbar machen, ist in hohem Maße von der Quelle und der Aufnahme abhängig. Mal tritt der Bass deutlicher hervor, mal erscheinen die Höhen transparenter, mal gewinnt das Klangbild an Räumlichkeit, mal wird die Wiedergabe fokussierter – und mal sind es eher feine Nuancen. Mit dem achten Preset lässt sich der Filter umgehen. Schon bald möchte man diese Möglichkeiten nicht mehr missen: Denn so lassen sich qualitativ unterschiedliche Zuspieler und die schwankende Qualität von Audiomaterial von Fall zu Fall sehr gut managen. Das macht richtig Spaß.
Und genau hier liegen die Qualitäten des DAC: Man kann ihm getrost alles anvertrauen. Jürgen Reichmann vom deutschen Vertrieb bringt es auf den Punkt: „Auch ein Feinschmecker isst manchmal eine Leberkäsesemmel.“ Anders gesagt: HiRes-Files sind eine schöne Sache, aber wer hätte sich nicht schon dann und wann dabei ertappt, per Bluetooth einen Radiosender zu streamen? Entsprechend hat man bei Musical Fidelity stets darauf gesetzt, Eingangssignale grundsätzlich mit Up- bzw. Oversampling und Reclocking aufzubereiten. Weil sich seitens der Quellen die Qualität des angelieferten Materials allerdings allmählich nach oben entwickelt, lässt sich die Bearbeitung mit dem 6x minutiös beeinflussen – was den DAC buchstäblich zur digitalen Schaltzentrale macht.
Diese Qualitäten zeigen sich klanglich auf einem wirklich beeindruckenden Level. Der M6x ist mit einem Preis unterhalb von 2500 Euro ein wirklich erschwingliches Gerät, das sich deutlich teurer anhört. Im Testumfeld spielt er den Cambridge Audio CXN erwartungsgemäß mühelos an die Wand, wertet den TEAC UD-701N mit einem deutlichen Mehr an Transparenz und Basskontrolle auf und veredelt auch den alten Creek-CD-Spieler, der schon so manch teures Gerät in die Flucht geschlagen hat, noch einmal merklich.
Diese Qualitäten zeigen sich sehr hörbar – wenn es beispielsweise darum geht, die „Twin Guitars“ der Rolling Stones zu entwirren. Dieses mit Ron Wood perfektionierte Konzept sieht vor, Gitarrenfiguren möglichst ununterscheidbar zu machen. Trotzdem erwarten Stones-Hörer eine klare Herausstellung des Spiels von Keith Richards, denn der ist ja der Chef. Generationen von Tontechnikern haben sich an diesem Paradoxon abgearbeitet. Hören wir, was Don Was auf A Bigger Bang daraus gemacht hat. Dieses Album hat die Besonderheit, die Stones wir eine punkige Garagenband klingen zu lassen, dies aber mit den allerteuersten – und allerdigitalsten – Produktionsmitteln. Im Ergebnis klingt die ganze CD, als hätte man die Summe über das billige, aber mächtige „Maximizer“-Plug-in von Cubase geroutet: die Gitarren laufen ineinander, Charlie Watts klingt, als hätte er Bizeps wie Dolph Lundgren in Masters of the Universe – von den Becken sind eigentlich nur Obertöne zu hören. Aber siehe da: Die „Linear phase fast roll off“-Einstellung des Filters rückt die Slidegitarre und die Solo-Einwürfe von Ronnie einerseits und die mächtigen rhythmischen Hiebe von Keith andererseits gut gestaffelt voneinander ab. Eine der vollendetsten Ausarbeitungen der „Twin Guitars“ findt sich auf Emotional Rescue. Hier merkt man schon (und zwar ganz ohne Filter), wie der Creek auf „Let Me Go“ eine Menge durcheinanderbringt, die spielerisch abgedämpften und technisch verhallten Surf-Sechzehntel von Ron Wood projiziert der Musical Fidelity deutlich präsenter.
Dass man dem M6x vollends vertrauen darf, zeigt Spirit Of Eden von Talk Talk – ein Album, das zu schön ist, um es zu streamen, MQA hin, MQA her. In diesem Fall lohnt es sich, eine Ausnahme zu machen: Im Klangspektrum ist wirklich alles vertreten und penibel aufgelöst, dynamisch lässt der DAC die Flöhe husten und die Wände unvermittelt wackeln. Und: Das weitgehend natürliche Instrumentarium klingt auch so. Und so hat man in dem M6x einen verlässlichen Gefährten für den Parforceritt durch die Musiksammlung: Man kann verfolgen, welche Gitarren bei „The Dope Show“ von Marilyn Manson aus der Demoproduktion im finalen Mix geblieben sind, den Saitengeräuschen von Al Di Meola, John McLaughlin und Paco de Lucia auf Friday Night In San Francisco nachhorchen oder sich musikarchäologisch auf die Suche nach dem erhaltenen Teil der Radio Recordings von Wilhelm Furtwängler machen – denn es ist schon ein besonderes Erlebnis, Aufnahmen aus der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg durch diese Leistungsschau heutiger Technik zum Funkeln zu bringen.
Keine Frage: Musical Fidelity ist mehr als nur ein würdiger Nachfolger des ja vielgerühmten Vorgängers gelungen. Im M6x lässt sich der digitale Teil der Wiedergabekette ungeachtet der musikalischen Situation zusammenführen – und zwar so, dass wirklich keine Wünsche mehr offenbleiben. Vor allem keine Wünsche nach einem teureren Gerät: Der M6x deklassiert so manchen Konkurrenten weit oberhalb seiner Preisklasse.
Info
DAC Musical Fidelity M6x
Konzept: vollsymmetrischer D/A-Wandler mit „32 Bit Hyperstream II“-Technologie
Eingänge digital: 2 x optisch Toslink, 1 x S/PDIF, 1 x AES/EBU, 1 x USB-B 2.0
Ausgänge analog: 1 x unsymmetrisch (RCA-Cinch), 1 x symmetrisch (XLR), 1 x 6,3-mm-Klinke (Kopfhörerausgang)
Digitalformate: PCM bis 768 kHz, max. 32 bit; DSD256 (stereo DoP), DSD512 (stereo nativ)
Besonderheiten: Kopfhörerverstärker, acht umschaltbare Digitalfilter-Presets
Ausführung: Silber/Schwarz
Maße (B/H/T): 44/10/39 cm
Gewicht: 7 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 2400 €
Kontakt
Reichmann Audiosysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach im Schwarzwald
Telefon +49 7728 1064
Mitspieler
Verstärker: Creek Evo IA, TEAC AP-701
Lautsprecher: Neat Momentum 4i, Bryston Mini A, Focal Alpha 80
CD-Player: Creek Evo 2
DAC/Netzwerkplayer: Cambridge Audio CXN, TEAC UD-701N