Lugano Arte e Cultura (LAC)
Jetzt passiert es schon wieder: Wir grasen abseits der ausgetretenen Pfade und kümmern uns um Säle, die nicht unbedingt auf jeder SXL oder LSC zu finden sind. Der Sala Teatro im Lugano Arte e Cultura ist einer dieser Säle, die von der Medienwelt scheinbar übersehen werden, wobei sie doch eigentlich alles Recht hätten, eine klingende Hauptrolle zu spielen.
Der Lugano-Arte-e-Cultura-Komplex ist ein Konglomerat aus unterschiedlichen Bauwerken unterschiedlicher Jahrhunderte, die zusammen ein ungemein spannendes Kulturzentrum mit Kinos, Cafés, verschiedenen Sälen und üppigen Jugendprogrammen bilden.
Kommt man als Musiker nach Lugano, möchte man eigentlich gar nicht in den Saal, denn die Lage direkt am See lässt einen an alles denken, nicht aber an Proben unter Kunstlicht. Und wenn wir schon dabei sind: Mit einem gemütlichen Spaziergang von nur 10 Minuten erreichen wir vom Vorplatz aus nicht nur das Bühnenhaus des LAC, sondern auch das Flamel, eines meiner liebsten Restaurants dieser Welt, ein Ort der Sinne und Freuden, wenn man verfeinerter italienischer Küche etwas abgewinnen kann.
Nun gut, wir sind doch pflichtbewusst und lenken unsere Schritte in Richtung Bühne. Der sowohl großzügige als auch helle Backstage-Bereich – beides ist selbst bei modernen Sälen immer noch keine Selbstverständlichkeit – versöhnt uns ein wenig, immerhin soll nach dem Verzicht auf großartiges Essen die Arbeit Freude machen. Verlässt man dann das von Sichtbeton dominierte Ambiente der Garderoben und entert die Bühne, verschlägt es einem den Atem. Helles Holz, angenehme Brauntöne, eine überall helle und gleichzeitig blendfreie Beleuchtung – damit haben wir nicht gerechnet.
Außerdem merkt man dem Saal sein Wandlungstalent nicht an, man hat das Gefühl, in einem richtigen Konzertsaal und nicht in einer Multifunktionshalle zu sitzen. Der Theatergeometrie ist lediglich die deutliche Entfernung zum Publikum geschuldet. Gerade als Pauker, der ja meistens in der letzten Orchesterreihe Platz findet, empfindet man schon eine gewisse Distanz zum Geschehen. Auch der Dirigent ist nicht eben um die Ecke, hier muss man sich auf die Entfernung ein wenig einstellen und mittels Erfahrung die Laufzeit korrigieren (also etwas früher spielen). Da man allerdings dank der hölzernen Seitenwände alle relevanten Informationen über das Tun der Kollegen erhält, ist auch das kein größeres Problem – nach wenigen Augenblicken ist man angekommen und genießt den wunderbar transparenten und gleichzeitig warmen Klang dieser Halle. Für das Publikum klingt es übrigens ganz ähnlich, da die Projektion von der Bühne ganz exzellent funktioniert. Die Sprachverständlichkeit ist ausgezeichnet, wie es sich für ein Theater gehört, gleichzeitig trägt der Raum ausreichend, sodass nicht jeder Ton vor dem Instrument oder Sänger direkt auf den Boden fällt.
Und wenn man als Musiker Glück hat, spielt man in einem der früheren Konzerte, die schon um 19 Uhr beginnen. Danach bleibt dann noch Zeit für wenigstens ein kurzes Menü bei Flamel. Dem Zuschauer bleibt die Hoffnung auf ein späteres Konzert und ein frühes Abendessen am davor gebuchten Tisch.
Musiktipps – Aufnahmen mit typischem Raumklang
Keine bekannten CD-Produktionen, allerdings viele Streams des SFR mit dem Orchestra della Svizzera italiana (OSI).