Albumdoppel: Frank Zappa vs. Trio Kadabra – Hände am Beckenrand
Es gibt nicht nur Coverversionen von Songs. „Gecovert“ werden auch Plattenhüllen. Das gecoverte Cover: Ist es witzige Anspielung, respektvolle Verehrung, Parodie – oder hat es einen tieferen Sinn?
Das Album Hot Rats (1969) war das erste von Frank Zappa, das in Deutschland in die Albumcharts kam. In Großbritannien, Australien, den Niederlanden erreichte es sogar die Top 20. Viele fanden damals, es sei das beste Zappa-Album bis dahin. Manche sagten sogar, es sei sein einziges gutes. In den USA aber war das ganz anders – dort schnitt Hot Rats schlechter ab als irgendein Zappa-Album davor. Für Zappa hieß das: “Another flop!”
Eines ist somit klar: Hot Rats war anders. Nur wenige Monate vorher hatte Zappa nämlich seine Band aufgelöst, die berüchtigten, wild-anarchischen Mothers Of Invention, bekannt für ihr „buntes, böses Politrock-Kabarett“ (Christian Graf). Der Grund für die Auflösung: Es gab zu wenig Einnahmen, um den Musikern weiterhin ein festes Gehalt bezahlen zu können. Zappa kündigte nicht die Zusammenarbeit auf, aber die feste Basis. „Hot Rats“ entstand daraufhin quasi als ein Soloalbum mit eigens dafür engagierten Mitstreitern. Den wichtigsten von ihnen übernahm Zappa tatsächlich direkt von den Mothers – es war Ian Underwood, der später in Hollywood mit Filmmusik Karriere machen sollte. Underwood ersetzt auf Hot Rats mindestens ein halbes Dutzend Musiker, spielt Klavier, Hammondorgel, Saxofone, Klarinetten und Flöten. Zappa hatte komplexe mehrstimmige Bläserarrangements geschrieben, die Underwood per Multitrack ganz allein zu meistern hatte. Man verwendete bereits eine 16-Spur-Maschine.
Die anderen Musiker holte sich Zappa weitgehend aus der R&B- und Jazzszene, darunter die elektrischen Violinisten „Sugarcane“ Harris und Jean-Luc Ponty, die Bassisten Max Bennett und Shuggie Otis, die Drummer John Guerin und Paul Humphrey. Der Bandleader schließlich spielt hier praktisch nur E-Gitarre – dies aber ausdauernd. Mit Hot Rats beginnen bei Zappa die wirklich langen Soloparts. Daher wurde das Album später gelegentlich als Pioniertat des Rock-Jazz bezeichnet – es ist eine Mixtur aus Rockbeat, Bluesriff, Funkrhythmus und ausgedehnter Improvisation. Auch Underwood und Harris haben mehrminütige Soli. Die einzige Gesangseinlage liefert Captain Beefheart in „Willie The Pimp“. Allerdings ist er schnell mit dem Singen fertig, und das Stück geht dann noch acht Minuten lang weiter. Mit Captain Beefheart (Don Van Fliet) arbeitete Zappa damals eng zusammen – gerade erst hatte er dessen Album Trout Mask Replica produziert.
Zappa war auch der Produzent des ersten und einzigen Albums der Mädchengruppe GTO’s, die sich auf sein Betreiben hin gegründet hatte. Der „Boss“ der GTO’s („Girls Together Only“) hieß Christine Frka (der Name ist kroatisch) – sie arbeitete bei Zappa als Kindermädchen für die Tochter Moon Unit. Frka lud gerne ihre Freundinnen zum Tanzen ein – in Zappas Haus. Diese sieben Mädchen besaßen zwar keine großen musikalischen Talente, aber sie standen auf Rock, auf Rockmusiker und auf Drogen. Zappa und einige Kollegen (u. a. Ian Underwood, Jeff Beck, Rod Stewart) dienten bei den Aufnahmen für das GTO’s-Album als Studiomusiker. Das Album erschien dann praktisch zeitgleich mit Hot Rats – und die Frau, die sich auf dem Cover von Hot Rats am Beckenrand festhält, ist niemand anderes als Christine Frka, Zappas Kindermädchen, fotografiert mit einer Infrarotkamera. Der Pool, aus dem sie herauslugt, soll einmal dem Schauspieler Errol Flynn gehört haben. Cal Schenkel, der rund 20 Zappa-Alben gestaltet hat, machte das Coverdesign. Er verdankte Zappa übrigens seine ganze Designerkarriere – er lebte und arbeitete in Zappas Haus.
Die sechs Stücke auf Hot Rats sind ausnahmslos Zappa-Klassiker geworden. Der Opener, „Peaches En Regalia“ (der Titel ist eine englisch-spanische Mischung), ist sogar die (mit Abstand) meistgecoverte Zappa-Komposition überhaupt. Coverversionen seiner Musik sind besonders in Italien beliebt, wo man Zappa gerne als „Landsmann“ reklamiert (s. FIDELITY 36). Der Name „Zappa“ ist tatsächlich italienischer Herkunft – beide Elternteile des Musikers hatten ihre familiären Wurzeln in Italien. Auch der italienische Schlagzeuger Jacopo Giusti ist ein großer Zappa-Fan und nennt dessen Musik „eine Quelle des Glücks“. Mit der Band Fattore Zeta hat Giusti schon einige Zappa-Tributalben eingespielt. Auf der Zappanale, dem jährlichen Zappa-Festival in Bad Doberan, trat er ebenfalls wiederholt auf.
Für das Album Hot Jats (2017) tat sich Giusti nun mit dem Pianisten Massimiliano Fantolini und dem Bassisten Mauro Giannaccini zusammen, um eine Reihe von Zappa-Titeln in ein kleines Jazz-Format zu übersetzen. (Der Albumtitel Hot Jats entstand wohl als Kreuzung aus „Hot Rats“ und „Hot Jazz“.)
Der „Jazz-Sound“ des Pianotrios ist dabei wichtiger als eine hohe Jazz-Qualität der Interpretation. Vom Album Hot Rats sind immerhin zwei Stücke auch hier mit dabei: „Little Umbrellas“ und „Son Of Green Genes“. Das Rhythmuskonzept von Trio Kadabra ist überwiegend rockig (binär), gelegentlich aber auch swingend (ternär). Besonders interessant geriet Zappas Walzer „King Kong“ mit Miles Davis’ „All Blues“ als Einleitung und King Crimsons „Frame By Frame“ als Abschluss im 7/8-Takt. Der Grafiker Pietro Scuderi packte Comic-Karikaturen der drei Musiker an einen gezeichneten Beckenrand. Das Model auf dem Originalcover, Zappas Kindermädchen, ist übrigens mit 22 Jahren schon gestorben – an einer Überdosis.
Frank Zappa: Hot Rats (1969, Bizarre/Reprise/Barking Pumpkin/Zappa)
Trio Kadabra: Hot Jats (2017, GT Music)
Hot Rats von Frank Zappa auf jpc.de
Hot Jats von Trio Kadabra auf jpc.de