Kissa-Bar :: The Big Romance, Dublin – The Real Dublin
In einer unwirtlichen Seitenstraße hat sich eine der spannendsten Bars der irischen Hauptstadt etabliert, eine Mischung aus Jazz-Kissa und audiophilem Club: The Big Romance.
Dublin – das kann durchaus mehr sein als Guinness und Irish Folk. Ohnehin ist diese Art von touristischer Folklore meist nur rund um Temple Bar, südlich des Liffey Rivers anzutreffen. Nördlich des Flusses wird es dann schnell weniger pittoresk. Eben noch am oberen Ende der geschäftigen O’Connell Street inmitten von staunenden Touristen gewesen, erlebt man beim Abbiegen östlich in die Parnell Street eine komplett andere Szenerie. Nach wenigen Metern wird alles ein wenig rough, das Publikum auf der Straße merklich jünger und multikultureller, und die Bars erinnern so gar nicht mehr an die Irish Pubs aus den Reiseführern. Dafür findet man hier „The Big Romance“, Dublins erste und einzige audiophile Kissa-Bar.
Wir sind zu fortgeschrittener Zeit mit Dave Parle verabredet, der uns nicht ohne einen gewissen Stolz die Erfolgsgeschichte seiner Bar erzählt. Zunächst war er ein wenig überrascht von unserem angekündigten Besuch, er wüsste nicht, ob überhaupt schon mal Touristen The Big Romance betreten hätten, vielmehr sei die Bar eine Heimstatt für viele junge Einheimische, die den Pubs in der Innenstadt entfliehen wollten. „Ich kannte die Gegend hier recht gut und wusste, dass sie ein wenig unerschlossen war“, erzählt Dave. „Ich weiß nicht, ob die Leute vielleicht ein bisschen Angst davor hatten oder so. Ich fand schon immer, dass es ein wirklich energiegeladener Ort in der Stadt ist und hatte immer das Gefühl, dass hier Platz ist, um etwas Neues auszuprobieren.“
Die Idee einer Bar, in der sich alles um Schallplatten und ein audiophiles Soundsystem dreht, wurde von einem Besuch Daves in Japan inspiriert. Die dortigen Kissas hatten ihn angefixt, und der Wunsch entstand, deren Konzept aufzunehmen, aber den eigenen Bedürfnissen anzupassen. So entschied er sich zusammen mit seinen Mitstreitern von Hidden Agenda, der wichtigsten irischen Konzertagentur für elektronische Musik, explizit gegen Vintage-Equipment, da die Soundqualität wichtiger als der Kultfaktor sein sollte. Schließlich ist der hintere Barraum größer als die Räumlichkeiten vieler japanischer Kissas, sodass man hier auf ein modernes Beschallungskonzept setzen wollte, wobei jedoch die Politik des „Vinyl Only“ der Kissas übernommen wurde.
Das Soundsystem aus Lautsprechern, Monitoren und Verstärkern hat man von Toby Hatchett aus dem südirischen Cork speziell für die eigenen Räumlichkeiten entwickeln lassen. Hatchett gilt auf der Insel aktuell als Geheimtipp für audiophiles Custom-Made-Equipment, das auch auf größere Räume zugeschnitten werden kann. Dave erläutert uns ausführlich, dass er die Quadratur des Kreises angestrebt habe. Einerseits sollen die Besucher sich zurücklehnen und intensiv der Musik lauschen können, andererseits aber soll die Bar als Kommunikationsort erhalten bleiben, ohne dass man seine Gegenüber anschreien muss. „Wir wollten keine Bar mit vielen verschiedenen Lautsprechern, die den Sound ungleichmäßig verteilen, und wir wollten auch keinen sterilen Club-Sound, sondern waren an einem HiFi-Sound interessiert, der auch in einem Raum funktioniert, der kein Wohnzimmer ist.“ Ein Konzept, das bei unserem Besuch überzeugt hat. So war einerseits die Musik unglaublich präsent, vor allem im tiefen Frequenzbereich, hatte aber nie etwas Schneidendes in den Höhen und ließ unabhängig von den gespielten Songs jederzeit ein Tischgespräch zu.
Dieser audiophile Sound und ein entspanntes Musikprogramm, das von Jazz über Soul und Hip-Hop bis hin zu Electronica reicht, machen das Big Romance mittlerweile zu einem angesagten Ort, um einen Wochentag bei Drinks und guter Musik ausklingen zu lassen. So war bei unserem Besuch an einem Mittwochabend beinahe jeder Tisch im hinteren Teil der Bar belegt und auch um 22 Uhr noch ein reges Kommen und Gehen zu beobachten. Besonders beliebt sind die Themenabende, deren Konzept dann wieder eher an klassische Kissa-Bars erinnert. Hier stehen einzelne Musiker oder Bands im Fokus, wobei dann durchaus auch mal komplette LP-Seiten durchgespielt werden.
Zu unserem Erstaunen war für den nächsten Tag ein Kraftwerk-Abend geplant, den wir leider nicht mehr mit unseren Reiseplänen abstimmen konnten. Um ein wenig Abwechslung in die jeweiligen Themenabende zu bringen, wird auch Artverwandtes gespielt; Dave kündigte für den Kraftwerkabend auch jede Menge Can und Aphex Twin an. Jazz bekommt dagegen vor allem bei Livekonzerten seinen Platz im Big Romance. Jazz sei nach wie vor in Irland unterrepräsentiert, aber gerade junge Musiker zwischen 20 und 30 entdeckten aktuell die Musik neu, und so gibt man am Sonntag gern innovativen Bands den Raum für eine Session. Mittlerweile sind diese Jazzabende in Dublin über den Status eines Geheimtipps hinausgewachsen, sodass auf Wochen hinaus die Plätze ausgebucht sind. Chapeau.
Also verzichten Sie bei Ihrem nächsten Dublin-Besuch ruhig mal auf den Abend im Pub mit Guinness und Folk. Machen Sie sich stattdessen auf ein Craft Beer oder einen Cocktail in die Parnell Street auf und tauchen Sie ein in die jazzige und audiophile Welt von The Big Romance. Sie werden überrascht sein!
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag: 16 bis 23.30 Uhr
Freitag und Samstag: 13 bis 0.30 Uhr
Sonntag: 13 bis 23.30 Uhr
Kontakt
The Big Romance
98 Parnell St, Rotunda, Dublin
Telefon +353 1 5595997
Hatchett Sound & Atmosphere