Roksan Attessa Turntable – Der hat es faustdick unter der Zarge!
Der Roksan Attessa Turntable hat große Vorfahren. Und zeigt sich seines großen Familiennamens würdig. Obwohl er manches anders macht.
In aller Kürze
Der Roksan Attessa Turntable will ein „Plug and play“-Plattenspieler für Musikliebhaber ohne ausgeprägten Analog-Spieltrieb sein. Auch ohne Ausloten des geringen Verbesserungspotenzials spielt er sehr „erwachsen“.
Wenn man an die „guten alten Tage“ im ausgehenden 20. Jahrhundert denkt, dann klingelt bei dem Namen „Roksan“ sofort eine Glocke. Damals, Mitte der 1980er Jahre, war ganz viel im Umbruch. Die CD war gerade vorgestellt worden, wurde aber von der etablierten analogen High-End-Szene eher mit Belustigung denn als echte Konkurrenz betrachtet. Die Platzhirsche bei den besonders hochwertigen Plattendrehern hießen Linn oder Micro Seiki, die Glaubenskriege zwischen Geräten mit wabbeligen Subchassis und Riemenantrieb oder direkt angetriebenen Monumenten vom Gewicht eines kleinen Einfamilienhauses füllten Bücher und man glaubte die Geschichte der analogen Musikwiedergabe weitgehend auserzählt.
Dann kamen Tufan Hashemi und Touraj Moghaddam, Absolventen renommierter britischer Universitäten beziehungsweise Fachhochschulen, und stellten 1985 ihren Xerxes-Plattenspieler vor. Moghaddam habe, so will es die Legende, eine Linn-Kette gehört, von deren Klang er nicht begeistert war. Seine Plattenspielerkonstruktion, die auf Federelemente verzichtete, aber den Riemenantrieb zwecks Entkoppelung des Antriebs vom Plattenteller beibehielt, wurde auf Anhieb als klanglicher Fortschritt empfunden. Studienfreund Hashemi hörte den Prototypen, wollte so ein Ding haben – und stieg in die Firma ein. Die wurde, weil die Familien beider Firmenchefs aus dem Iran stammten, nach der Tochter des Perserkönigs Xerxes, Roxana, benannt. Im Laufe der Jahre kam der Lautsprecher Darius dazu, der ähnlich wie der Xerxes bahnbrechend anders war.
Passende Verstärkerelektronik rundete das Portfolio ab und machte Roksan zum Vollsortimenter.
Nach vielen Höhen und ein paar Tiefpunkten befindet sich Roksan seit 2016 unter dem Dach des britischen Lautsprecherherstellers Monitor Audio. Im vergangenen Jahr wurde die Attessa-Serie vorgestellt (Den Test des Attessa Integrated Vollverstärkers finden Sie hier), in der es ein CD-Laufwerk sowie eine Verstärkereinheit mit und ohne Streaming-Zugabe gibt – und jenen Plattenspieler, um den es in diesem Test geht. Der Roksan Attessa Turntable ähnelt in der Grundidee dem Xerxes, wendet sich aber an eine andere Zielgruppe und ist vor allem deutlich bezahlbarer als sein Urahne.
Dass man für knapp 1300 Euro einen Plattenspieler bauen kann, der konkurrenzfähig klingt, lässt sich mit jahrzehntelanger Erfahrung erklären, mit standardisierten Fertigungsverfahren – und mit dem konsequenten Verzicht auf alles, was keinen direkten Einfluss auf den Klang hat. Der Attessa Turntable ist ein typischer Brettspieler, solide konstruiert und unspektakulär. Aber mit ein paar Detaillösungen und Zugaben, die man bei der Konkurrenz so nicht unbedingt findet.
Wohl am auffälligsten ist die Verwendung eines einfach aus einem Aluminiumprofil hergestellten, durchaus effizienten Einpunkt-Tonarms mit einem eingelassenen Drehpunkt aus Glas und einer effektiven Masse von 14,9 Gramm, fertig verkabelt mit sauerstofffreiem Kupferkabel.
Der Tonarm bedingt auch den einzigen größeren Aufwand, den man bei diesem als Plug-and-Play-Plattenspieler beworbenen Produkt treiben muss: Das Auflagegewicht will genau eingestellt werden, eine verschiebbare ovale Spange am hinteren Ende des Tonarms soll dafür sorgen, dass der Einpunkter beziehungsweise seine Tonabnehmernadel genau waagerecht über dem Plattenteller steht. Keine Einstellarbeiten sind dagegen am Tonabnehmer vonnöten, und auch ein Phonoverstärker – „alles andere als eine Alibi-Lösung“ lobt ihn Jens Ragenow vom deutschen Monitor-Audio-Vertrieb – ist schon eingebaut. Der Attessa Turntable spielt also problemlos an jedem Hochpegel-Eingang. Ragenow weist auch auf „ein spannendes Detail, welches gerne übersehen wird“ hin: Die Zarge des Plattenspielers sei „exakt so groß, dass der Plattenspieler perfekt auf die beiden zugehörigen Verstärker Attessa Integrated Amplifier beziehungsweise Attessa Streaming Amplifier passt“, erklärt der Vertriebsprofi. So werde verhindert, dass „anders als bei vielen anderen Plattenspieler-Verstärker-Kombinationen“ etwas wackele oder der Plattenspieler, der zur Kippelvermeidung nur drei Standfüße hat, hintenüberfällt. Ein Qualitätsprodukt ist nach den Worten Ragenows auch der fertig justierte Tonabnehmer. Der Roksan Dana sei weder eine exotische Nischenlösung, die mit nichts anderem kompatibel ist, noch ein simples Beipacksystem. „Es handelt sich um ein nach Spezifikationen von Roksan gefertigtes, perfekt auf den Plattenspieler abgestimmtes System, das sich durch bessere Nadeln klanglich sogar noch weiter steigern lässt“, führt Ragenow aus. Hintergrund: Den Dana lässt Roksan bei den Tonabnehmerspezialisten von Audio-Technica bauen. Das eröffnet die Möglichkeit, dem MM-System hochwertigere Nadeleinschübe zu spendieren und den Klang auf diese Weise zu „tunen“. Und wem das noch nicht reicht, der kann auch den eingebauten Phonoverstärker per Schalter aus dem Signalweg nehmen und eine hochwertigere separate Phonoamp-Lösung einsetzen.
Zwei kleine beleuchtete Taster schalten den Antrieb ein und lassen die Wahl zwischen 33 und 45 Umdrehungen pro Minute – das nervige Umlegen des Antriebsriemens, das einst beim viel teureren Xerxes nötig war, gehört beim Attessa-Urenkel der Vergangenheit an. Eine dritte Taste hält die kleine Musikmaschine, die es in Weiß oder Schwarz gibt, wieder an. So weit, so betont simpel. Aber wie tönt er nun, der Mini-Roksan?
Erstaunlich gut, wenn man überlegt, dass der auf einem quietschorangenen, im Betrieb zum Glück unsichtbaren Plastik-Subteller ruhende Glas-Plattenteller gerade einmal 1,8 Kilogramm wiegt und auf einem handelsüblichen Edelstahllager mit eingelassener Messingbuchse ruht. Kein Voodoo, sondern solide Plattenspielertechnik, wie sie sich tausendfach bewährt hat. Die Filzmatte namens „Roksan Rmat“, die dem Glasteller das Klingeln erfolgreich austreibt, darf mit ihrem Speichendesign übrigens auch als eine Reminiszenz an vergangene Roksan-Großtaten gelten.
Schnell wurde im Hörtest klar, dass die Tugenden des High End endgültig in der Consumer-Klasse angekommen sind. Der Roksan Attessa Turntable ist das glatte Gegenteil eines „Me too“-Sparbrötchens. Er soll kongenialer Zuspieler der „kleinen“ Roksan-Kette sein, was ihm auch gelingt. Bewusstes Augenmerk wurde auf den Gleichlauf gelegt. Als Antrieb werkelt ein 24-poliger Wechselstrom-Synchronmotor, der von einem Wechselstrom-Signalgenerator digital aufbereiteten Strom zugeführt bekommt. Mit dieser Konstruktion kann man sogar Klaviermusik hören, ohne sich über Gleichlaufschwankungen ärgern zu müssen.
Im Test durfte sich der sympathische Plattenspieler am versponnenen Edelpop der Gruppe Frollein Smilla ebenso versuchen wie an Grigori Sokolows legendärem Salzburg Recital (Deutsche Grammophon) oder an Gustav Mahlers gigantisch besetzter Achter Sinfonie. Frappierend, wie kraftvoll und dennoch größenrichtig der Attessa Turntable Räume aufbaut und wie superstabil er das Bassfundament zu betonieren versteht. Da gibt es kein Wackeln, nichts Schwammiges. Stattdessen glasklare Tonreproduktion, die bei praktisch jeder Art von Musik zur leicht warmen Seite tendiert.
Selbst harter Rock bringt den Roksan Attessa Turntable nicht aus der Ruhe. Die Vinyl-Version des „Rock’n’Roll Train“ der australischen Hardrock-Pioniere von AC/DC treibt selbst meine pegelfesten Infinity-Kappa-Schlachtrösser an ihre Grenzen, während der Plattenspieler, der das Getöse emittiert, so unbeeindruckt wie eine Digitalquelle ohne bewegte mechanische Teile bleibt.
Am Ende steht eine dicke Empfehlung für den Attessa Turntable. Ihn nur für die allfällige Studentenparty einzusetzen (was der vergleichsweise günstige Preis und die einfache Inbetriebnahme suggerieren) hieße, ihn unter Wert einzusetzen. Anhören. Dahinschmelzen. Und behalten.
Info
Plattenspieler Roksan Attessa Turntable
Konzept: Plug-and-Play-Dreher mit integriertem MM-Phonoentzerrer
Besonderheiten: eingebauter Phonoverstärker für MM-Tonabnehmer (abschaltbar), Tonarm und Tonabnehmer Roksan Dana MM ab Werk eingebaut und vorjustiert
Beigelegtes Zubehör: Filzmatte, Staubschutzhaube
Ausführungen: Schwarz oder Weiß, Plattenteller in Schwarz
Gewicht: 6,3 kg
Maße (B/H/T): 43/10/28 cm (ohne Haube)
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 1300 €
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