FIDELITY zu Gast bei … FRAMED, Berlin
Kultursalon trifft Tonstudio
Berlin ist schon lange nicht mehr „arm, aber sexy“, wie es einst der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in die Welt hinausposaunte. Heute scheint in der Hauptstadt eher das Motto „Arm, aber teuer und langweilig“ zu gelten. Die künstlerischen Freiräume werden zunehmend an den Rand gedrängt oder sind nur zu horrenden Preisen in den herausgeputzten Kiezen zu finden. Schwierig für all die, deren Konzept nicht in eine Köpenicker Industriebrache passt, sondern auf eine virile Nachbarschaft angewiesen ist. Umso erstaunlicher, dass sich dann doch immer noch kleine, feine Konzepte im Innenstadtbereich finden lassen, wenn auch häufig nur mit kurzen und rechtlich heiklen Mietverträgen versehen. So auch im Falle von FRAMED Berlin, einem Kultursalon mitten in Friedrichshain, der 2019 von der in Tel Aviv geborenen Sängerin Yael Nachshon Levin gegründet wurde. Nach ihrem Jazzstudium in New York kam sie 2016 nach Berlin und setzte ihre Idee kommunikativer künstlerischer Begegnungen zunächst in den heimischen vier Wänden um, wo ihre jetzigen Mitstreiter, der Bassist Haggai Cohen-Milo und der Maler Ofir Dor, zu den Besuchern zählten. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept eines produktiven Eklektizismus, der grenzüberschreitend Menschen zusammenbringen soll.
Art. Music. Friends
So entstand mit FRAMED ein Ort, der nicht nur Galerie oder Konzertsaal oder Bar sein will, sondern deren Synthese. Nicht umsonst hat man sich den Untertitel „Art. Music. Friends“ gegeben. Um die Besonderheit des Ortes zu wahren und um nicht im schnöden hektischen Alltagsbetrieb unterzugehen, öffnen sich die Türen nur alle zwei Wochen, dann aber wird ein möglichst diverses Programm für ein breit gestreutes Publikum geboten. In der Auswahl der bildenden Künstler ist man weder auf Abstraktion noch auf Realismus festgelegt, die Musik pendelt häufig zwischen Jazz und Weltmusik, aber auch Operngesang oder Flamencotanz hat bereits seinen Weg in die Räumlichkeiten gefunden. Attraktiv für die Künstler ist es, dass der große Salonraum nach den individuellen Bedürfnissen individuell hergerichtet werden kann. In unserem Gespräch verwies das FRAMED-Trio darauf, dass es die Qualität sei, die bei der Auswahl der Künstler und Musiker zähle, weniger die Stilistik. Grundsätzlich achte man aber auf die Offenheit, nach der Aufführung in einen Dialog mit dem Publikum einzutreten.
Weltstars im Kiez
Für die Musikauswahl zeichnet Haggai Cohen-Milo verantwortlich, der seit langen Jahren international als Bassist erfolgreich ist. Er hat unter anderem auf John Zorns Label Tzadik 2014 sein Album Penguin veröffentlicht und 2017 als Teil des Omer Klein Trios den ECHO gewonnen. Seinen Kontakten ist es zu verdanken, dass international erfolgreiche Musiker auftreten, die man nicht unbedingt auf einer kleinen Friedrichshainer Salonbühne erwarten würde. So etwa der momentan bei ECM reüssierende Pianist Yonathan Avishai, der bei FRAMED die weltweit erste englischsprachige Version seines Musiktheaterstücks Pianiste – Un portrait musical et théatral aufgeführt hat, oder der bei Enja und Neue Meister veröffentlichende Vibrafonist Pascal Schumacher. Auch wenn es nicht immer passgenau gelingt – Haggai Cohen-Milo und Ofin Dor versuchen Kunst und Musik so zu kuratieren, dass ein Dialog zwischen den ausgestellten Bildern und der Livemusik imaginativ im Kopf der Zuhörer stattfinden kann.
Vinyl only
Was FRAMED neben den Konzerten so interessant für den audiophilen Musikfreund macht, ist die Zusammenarbeit mit dem Berliner Tonstudio und Label LowSwing, dessen Betreiber Guy Sternberg bereits so illustre Namen wie 2RaumWohnung, Jimi Tenor oder Erlend Oye in seinem Studio betreut hat. Wert legt man dort vor allem auch auf hochwertiges analoges Equipment und das ein oder andere Vintage-Gerät, wie etwa eine Neve 5316 Mixing-Konsole im AB-Modus. Seit einiger Zeit werden auf einem hauseigenen Label Aufnahmen ausgewählter Musiker veröffentlicht – rein analog produziert und ausschließlich auf Vinyl erhältlich. Hier ist auch Yael Nachshon Levins jüngstes Album Shining Long After They’re Gone erschienen, dessen Produktion Anlass für die Sängerin war, FRAMED und LowSwing zur Zusammenarbeit zu animieren (das Record-Release-Event fand übrigens in der Rhinoçéros Bar statt, der Berliner Jazz-Kissa, über die wir in FIDELITY online berichtet haben). Es entstand die Idee, jedes Konzert in Ton und Bild mitzuschneiden und es kurze Zeit später im Internet abrufbar zu machen. Hauptaugenmerk gilt aber einem jährlich erscheinenden Vinylalbum, das neben den Konzerthöhepunkten des vergangenen Jahres auch ein Portfolio hochwertiger Kunstdrucke mit Bildern der jeweiligen Ausstellungen enthält. So finden dann Kunst, Musik und Aufnahmestudio zusammen, ein Projekt, das in dieser Weise momentan einmalig in der Hauptstadt sein dürfte. Da man gemerkt hat, dass diese Art der Kooperation jede Menge kreativer und neuer Ideen freisetzt, soll das Konzept „Kultursalon trifft Tonstudio“ demnächst noch weiter ausgebaut werden. Man darf gespannt sein und wünscht dem kreativen FRAMED-Trio einen langen Atem.
Hinweis: Die Aufnahmen entstanden während einer Ausstellung der Malerin Tanja Selzer und der Konzerte von Yonathan Avishai und LennyTunes (The Bellydance Superstars) im Februar 2022.
Das aktuelle Programm ist jeweils der Homepage von FRAMED zu entnehmen. Die LP ist ebenfalls dort zu beziehen.
Kontakte
FRAMED Berlin
Simplonstraße 29
10245 Berlin
Telefon +49 176 21844651
www.framed.berlin
LowSwing Records
Starmount Productions Gbr
Kattegatstraße 19
13359 Berlin
Telefon +49 177 2438421
www.lowswing-records.com