Du hast recht – und ich habe meine Ruhe
Die Welt der Foren und sozialen Medien wächst täglich und ermöglicht es schnell und einfach, in Kontakt mit Gleichgesinnten zu treten. Doch leider hat auch diese moderne Errungenschaft ihre Fallstricke.
Illustration: Ralf Wolff-Boenisch
Der Hobbyist ist nicht gerne allein. Jeder, der sich in seiner Freizeit intensiv einer Sache widmet, liebt den Austausch mit gleichartig Interessierten. Gründete man zu diesem Zweck in früheren Zeiten einen Verein mit erstem und zweitem Vorsitzenden (nebst Kassen- und Jugendwart), so findet der Kontakt heutzutage in spezialisierten Foren und den sozialen Medien statt. Das ist für die Teilnehmer wesentlich einfacher und komfortabler. Dort tummeln sich auch jede Menge „Audiophilisten“, denn im Umfeld einer Gemeinschaft eröffnen sich neue Ideen sowie der Zugriff auf Wissen und bisher nicht erschlossene Ressourcen. Sie suchen einen längst vergriffenen Transistor oder den Schaltplan eines uralten Dampfradios? Die Chancen stehen gut, dass Sie in einem passenden Forum fündig werden. Der Austausch mit anderen ist einfach das Salz in der Suppe unseres Hobbys.
Die Auswahl an Foren ist vielfältig und es existieren große Qualitätsunterschiede. Manchmal mangelt es an der gesuchten Kompetenz, wobei die Ansprüche der Suchenden durchaus unterschiedlich ausfallen. Der Umgang miteinander bleibt häufig nicht auf der sachlichen Ebene. Manche Foristen sind nicht wirklich am Austausch interessiert, sondern wollen ihr Ego stärken, indem sie andere beleidigen, verunglimpfen und ausgrenzen. Jedes Thema, das nicht ins eigene Weltbild passt oder in Gänze verstanden wird, diffamieren sie als „Voodoo“, genau wie diejenigen, die die „Unverschämtheit“ besaßen, es überhaupt anzusprechen. Zum Denken sind eben wenige Menschen geneigt, aber alle zum Rechthaben. Moderierte Foren garantieren hier gewisse Mindeststandards und schrecken viele Egomanen ab. Ein Forum lebt in erster Linie vom freien Gedankenaustausch. Natürlich gibt es Grenzen wie das Ohm’sche Gesetz, die respektiert werden sollten, doch ansonsten muss jegliche Spinnerei erlaubt sein.
Einige dieser Spinnereien, die Audiophile aufgrund von eigenen Beobachtungen in der Vergangenheit machten und für die sie anfangs belächelt wurden, sind heutzutage Bestandteil des audiophilen Allgemeinwissens, beispielsweise der Einfluss unterschiedlicher Kabel oder einer störungsfreien Stromversorgung. Hätte man damals den Voodooisten Glauben geschenkt, so würden unsere Hörstunden immer noch von Klingeldraht und Hochfrequenzmüll limitiert. Fortschritt lebt von Freigeistern, auch im Hobbybereich. Es bringt niemanden weiter, wenn in einem Forum der Geist von „Du hast recht – und ich habe meine Ruhe“ die Diskussionen bestimmt.