Axel Fischbacher Trio – Bebop Sketches
Der Zauber der Stromgitarre
Dieser Sound! So klingt eine Stromgitarre, wenn ein Meister sie spielt. Nach Röhrenverstärker. Nach Stahlsaiten, die tiefe Abdrücke in den Fingern hinterlassen, wenn man sie schnell spielt. Die für Gänsehaut sorgen, wenn man den Klängen nachlauscht. Axel Fischbacher ist ein Virtuose, ganz ohne Frage. Und die Scheibe Bebop Sketches, die der Jazzgitarrist mit seinem Trio – Nico Brandenburg am Kontrabass und Tim Dudek an den Drums – eingespielt hat, ist in musikalischer wie highendiger Hinsicht meine Empfehlung für kalte Herbst- und Wintertage.
Derart herzerwärmend kann ultracooler Jazz wirken. Fischbacher hat, wie er im liebevoll verfassten und ebenso gestalteten Booklet der Scheibe schreibt, sieben jener Jazzstandards für die Ewigkeit festgehalten, „die seit Beginn meines Musikerlebens meine Begleiter sind“. Vor etwas über 45 Jahren (Bebop Sketches wurde 2020 eingespielt) war der damals 18-jährige Fischbacher als Rockgitarrero unterwegs – und kam um Klassiker der Jazzliteratur wie „Autumn Leaves“, „Blue in Green“ oder „Days of Wine and Roses“ dennoch nicht ganz herum. Weil dies der Soundtrack der Nachkriegsjahre war und sogar für den Schreiber dieser Zeilen, Jahrgang 1966, noch die jazzmusikalische Muttermilch verkörperte.
Fischbacher und Co. haben aus den (allzu) bekannten Stücken freilich etwas gemacht, dem er die Prädikate „leicht“ und „skizzenhaft“ beimisst. Paraphrasen, Meditationen, die manchmal (wenn man nicht in die Playlist schaut) erst aufs zweite oder dritte Hinhören offenbaren, welcher Jazz-Ohrwurm als Steinbruch für die Experimente des Axel Fischbacher Trio diente.
Bestechend, mit welcher Lockerheit den drei experimentierfreudigen Jazzern ein vermeintlich unmöglicher Spagat gelingt: Das Soundgewand wirkt vordergründig nostalgisch, von Axel Fischbachers Gitarre in postmodern geklitterten Sixties-Farben gehalten. Die Umsetzung geschieht gleichwohl so unvorhersehbar, so lustvoll um Erwartungshaltungen und Hörgewohnheiten herum arrangiert und umgesetzt, wie sich das in Konsequenz erst der Contemporary Jazz des ganz späten 20. Jahrhunderts angeeignet hat. Was die Masterminds des Bebop in den 1950er Jahren angestoßen haben, wird auf Bebop Sketches weitergedacht, fortentwickelt, zu etwas Neuem transformiert.
Ornette Colemans „Turnaround“ etwa swingt ruhig und introvertiert – als Trialog von Leuten, die sich blind verstehen und ihre eigenen Gedanken so schwerelos wie Bleistiftstriche aufs Notenpapier werfen. Unverkrampft. Unverkopft. Mit einer unkaputtbaren Melodielinie, die erst gegen Schluss kenntlich wird, die nicht Leitthema ist, sondern Conclusio.
Die überaus entspannte Grundstimmung des Albums wurde kongenial umgesetzt: blankpolierte Aufnahme, supersaubere LP-Pressung und als (kostenlose) Zugabe eine CD, die so grandios wie das Vinyl klingt.
Axel Fischbacher Trio
Bebop Sketches
Label: JAZZsick Records 2020
Formate: LP, CD
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