Inklang Lautsprecher Manufaktur, Hamburg – Umgedacht
Oder besser: Weiter gedacht. Guter Klang ist bei Lautsprechern ab einer bestimmten Klasse ohnehin Grundbedingung. Da kann man sich doch wundern, warum Design und wohnliche Aspekte nicht viel weiter in den Vordergrund treten. Inklang aus Hamburg zeigt, dass auf diesem Gebiet noch viel Raum für frische Denkweisen und innovative Vertriebsansätze ist.
Peutestraße, Hamburg, kurz vor zehn Uhr vormittags an einem wundervollen Dienstag im August. Die Industriestraße liegt am östlichen Ende des endlosen Hafengebiets und folgt stoisch dem Verlauf der Norderelbe. Obwohl ich schon spät dran bin, nutze ich die Gelegenheit, um schnell noch ein paar Fotos von dem riesigen Backsteinbau einzusammeln, dessen Kolonnade von Schornsteinen auf (s)eine Vorgeschichte als Industriekomplex hinweisen dürfte. Unmittelbar darauf werde ich doch noch etwas hektisch. Das „Elbe-Gewerbe-Zentrum“ beherbergt dutzende Unternehmen und ich entdecke neben Lagertoren und diversen Fluchtausgängen allein vier größere Hauptzugänge. Doch dank der guten Beschriftung kann ich das flink richtige Treppenhaus ausmachen und laufe nur Augenblicke später einem bestens gelaunten Thomas Carstensen in die Arme.
Warum er mit seiner Firma ausgerechnet in dieses Gebäude gezogen ist, erfahre ich auf den letzten Metern zu seiner Manufaktur: „Wir haben hier eigentlich alles, was wir brauchen“, erklärt er mir. Dieser Teil Hamburgs liege abseits des Trubels, obwohl es kaum tausend Meter zur staugeplagten Auffahrt zu den Elbbrücken sind. Die Zufahrt zum Gewerbezentrum bietet reichlich Platz für Lieferwagen und es existiert alle erforderliche Logistik (gemeint sind Lastenaufzüge), um selbst schwerste Lautsprecher und Paletten von A nach B zu bugsieren. Nur wenige Schritte vor Inklangs heiligen Hallen passieren wir ein Fotostudio, dessen geschmackvolle Bilder jeder kennt, der schon einmal auf der Homepage des Herstellers war. Und sogar an einer kleinen Schokoladenfabrik kommen wir vorbei, die herrlich duftende Pralinen und Törtchen produziert. Kurzum: Der Hersteller residiert im Paradies für Gewerbetreibende.
Kurz darauf stehen wir im Herz der Firma – oder zumindest in jenem Teil, in dem die entscheidenden letzten Arbeitsschritte sowie die Qualitätskontrolle erfolgen. Eigentlich handelt es sich um nicht viel mehr als zwei mittelgroße Räume mit einigen gepolsterten Fertigungstischen, Computer-Arbeitsplatz, einer Lötstation für Notfälle, dem Nötigsten an Lagerflächen und – natürlich – einer kleinen Küche. Carstensens Mitarbeiter Stefan Poelk ist in der hellen, aufgeräumten Atmosphäre des Hauptraums gerade dabei, das mittelgraue Gehäuse einer Ayers Five mit den erforderlichen Zutaten zu „verheiraten“ – doch dazu kommen wir später.
Ein Herz für Individualisten
Wie es die uralten Stammesrituale bei Firmenbesuchen verlangen, widmen wir uns zunächst der Espressomaschine und etwas einleitendem Smalltalk. Gleich die erste Frage offenbart mein Gespür für Feingefühl: „Warum das alles? Brauchte 2014 denn noch jemand einen weiteren Lautsprecherhersteller?“ Carstensen lacht kurz, kommt dann aber schnell zur Sache. „Ja!“ Als HiFi-Hobbyist und Freund schöner Wohnumgebungen hatte er sich immer gefragt, warum sich die meisten Hersteller scheuen, ihren Kunden auf den Zahn zu fühlen und den wachsenden Wunsch nach Individualität zu erkennen. Natürlich gab es so etwas auch damals schon, doch wies der Budget-Zeiger bei Sonderwünschen derart aggressiv nach oben, dass die Möglichkeiten nur selten ausgeschöpft wurden. Da er vor der Gründung von Inklang in der Investorenberatung tätig war, wusste er nur zu gut, wie man eine Geschäftsidee auch kalkulatorisch erfasst. „Wir haben alles mehrfach durchgerechnet und dabei schnell erkannt, dass es machbar ist. Der Gedanke hat mich derart angefixt, dass ich ihn einfach umsetzen musste.“
Bald darauf erschienen die Modelle der Advanced Line mit verschiedenen „Unique Selling Points“: Eine Wahloptionen zwischen Standard- und Luxusfrequenzweiche sowie zahllose – gern farbenfrohe – Lackierungen, die ohne vertrackte Aufpreistabelle angeboten wurden. Mit dieser Mixtur war seinen Boxen vom Start weg große Aufmerksamkeit sicher. Und sie brachte Carstensen 2016 den German Design Award sowie 2017 den German Brand Award ein. Während die meisten Hersteller vor allem mit ihrem Klang argumentieren, dreht Inklang die logische Verzahnung der Aspekte einfach um: Lautsprecher sind an 365 Tagen im Jahr ein auffälliger Teil des Wohnraums. Sie sollten also unbedingt so gestaltet werden, dass man gern mit ihnen zusammenlebt. Der Klang? Passt.
2019 dann die große Zäsur. Die Advanced Line wurde recht unvermittelt aus dem Katalog gestrichen und durch die jüngst ebenfalls mit dem German Brand Award bedachte Ayers-Serie ersetzt. Meine Frage, wie es dazu kam, begründet Carstensen mit logischen Erwägungen: „Wir haben mit jedem gebauten Paar dazugelernt. Die Advanced Line war prima, aber wir wussten recht bald, wie es noch besser geht.“ Mit „besser“ meint er „günstiger“ und damit kommen wir zu dem Punkt, der mich an Inklang seit jeher am meisten beeindruckt.
Tatsächlich darf man die Hamburger HiFi-Schmiede als lupenreine Manufaktur einordnen. Alle Modelle der Ayers-Serie werden (wie zuvor schon die Advanced Line) vor Ort von Hand nach Kundenwunsch montiert, paarweise abgestimmt, poliert, kartoniert und mit Küsschen sowie lieben Grüßen aus Hamburg an ihre ungeduldigen Eigentümer verschickt. Dieser Service, gepaart mit dem Label „Made in Germany“ macht Boxen dieser Klang- und Güteklasse normalerweise zu einem exklusiven Vergnügen. Nicht so bei Inklang: „Wir haben viel Aufmerksamkeit in die Standardisierung aller Bauteile gesteckt“, lüftet Carstensen eines seiner Geheimnisse. So kommt die Ayers-Flotte mit ihren acht Modellen mit gerade einmal drei selektierten Wavecor-Treibern zuzüglich einer „Bärennase“ aus. Das erleichtert natürlich auch die Planung und Konstruktion der Frequenzweichen. Unverzichtbare Bestandteile wie die Fußausleger, die hervorragenden bodenschonenden Spikes oder die Rückenplatten sind bei allen Modellen identisch – egal ob große Standbox, Kompakte, Center oder Subwoofer. Das ermöglich selbst einer vergleichsweise jungen Firma wie Inklang die Bestellung großer Teilemengen, was sich letztlich positiv auf die Einkaufspreise auswirkt. Und so dürfen sich die Hamburger damit brüsten, die einzigen Highender zu sein, deren Topmodell nicht ganz 4200 Euro kostet – das ist vielleicht der größte „Unique Selling Point“ von Inklang.
Die Optionen zur Individualisierung haben gegenüber der Advanced Line (zumindest vordergründig) abgenommen. „Wir mussten die Erfahrung machen, dass rote, gelbe oder himmelblaue Lautsprecher zwar für Aufmerksamkeit sorgen, aber praktisch nie verkauft werden“, erläutert der Firmeninhaber. „Wer seine Lautsprecher gern offen präsent, wählt dunkle Töne, die sie von Wand und Boden absetzen. Wer sie dezent im Hintergrund halten möchte, wählt ein helleres Finish. Wir haben die Farbpalette entsprechend angepasst, mehr Optionen bei der akustisch transparenten Stoffabdeckung hinzugefügt und damit offenbar ins Schwarze getroffen.“ Doch keine Bange. Wer mag, kann sich seine Ayers nach wie vor in jeder erdenklichen Wunschfarbe ordern. Da die Erfahrungen zeigen, dass der Lautsprecher als Teil der Einrichtung gesehen wird, bietet Inklang neuerdings einen „Change Serivce“ an. Sollte sich die Einrichtung von Beige zu einem zarten Altrosa wandeln, kann man die Boxen entsprechend umlackieren lassen.
Vollständig gestrichen wurde derweil die Frequenzweichen-Optionen. „Die untechnische Hälfte unserer Kunden wollte oder konnte damit nichts anfangen, die andere Hälfte fühlte sich im schlimmsten Fall zurückgesetzt, weil sie sich nur die kleine Version leisten konnte. Das machte keinen Sinn, deshalb sind jetzt alle Boxen mit der hochkarätig bestückten Luxus-Weiche ausgestattet.“
Inklang: Kleine Manufaktur, viele Hände
Ein Lautsprecherentwickler ist Carstensen nicht. Und er versucht auch nicht, den Schein zu erwecken. Seine Produkte lässt er nach Vorgaben von Spezialisten entwickeln. Wer genau hinter der technische Umsetzung seiner Ideen steht, verrät er nicht. Ein wenig Geheimnis muss eben bleiben. Und eigentlich ist es auch egal, bestätigen doch zahllose begeisterte Tests bei FIDELITY und anderen Medien, dass er ein gutes Händchen bei der Wahl seiner Partner hat. Baugruppen wie Gehäuse und Weichen werden in externen Fachbetrieben, die über ganz Deutschland verteilt sind, nach strengen Vorgaben des Herstellers gefertigt und zur rechten Zeit in den erforderlichen Stückzahlen angeliefert.
In der Peutestraße laufen alle Fäden zusammen. Alle Baugruppen werden an genau jenen Tischen, an denen ich nun neben Herrn Poelke stehe, zusammengefügt. „Um den Aufwand gering zu halten, haben wir alles so konstruiert, dass die Endmontage ohne Lötkolben erfolgen kann“, lerne ich. Er drückt mehrere Dämmstoffmatten ins Gehäuse, die so zugeschnitten wurden, dass sie sich wie von Geisterhand an die vorgesehene Position fügen und auch dort bleiben. Mit geübten Handgriffen verschraubt er anschließend die Treiber im Gehäuse und versenkt die Frequenzweiche im Gehäuserücken. Als letzten Arbeitsschritt vorm schließen der Abdeckplatte – und nur hier kommt ein externer Werkstoff zum Einsatz – füllt er die Kabelkanäle mit einer kautschukartigen Masse aus einer überdimensionalen Spritze. „Das Gehäusevolumen muss bis auf die Reflexöffnung vollständig geschlossen sein“, erklärt Carstensen diese Maßnahme. Danach beginnt die aufwändige Prüfung des frisch gebackenen Ayers-Paars. Eine Konzentrationsarbeit, mit der wir Herrn Poelke lieber allein lassen. Er prüft die Boxen derart akribisch, dass Inklang – trotz optimierter Arbeitsschritte – maximal sechs bis acht Paare am Tag fertigt. Bei entsprechender Auftragslage könnte man die Fertigungskapazitäten noch etwas erhöhen, wie ich erfahre doch bauen die Hamburger ihre Boxen lieber mit Sorgfalt als mit Hektik.
Der Firmeninhaber nutzt die Gelegenheit, um mir Einblicke in die „Things to Come“ zu gewähren. Zum einen sind das zwei neue Finishes, mit denen er mich sofort hat: Zukünftig wird es die Ayers-Familie auch mit weißem Gehäuse und vergoldeten („Gold Blance“) oder in Anthrazit mit kupferfarbenen („Copper Noire“) Füßen geben. Noch spannender sind einige Prototypen der neuen Aktivelektronik, die auf einem Tisch bereitliegen. Jeder Ayers-Lautsprecher kann mit einem 500-Watt-Kraftwerk aktiviert und über verschiedene analog/digitale Signaleingänge sowie kabellos angesteuert werden. „Momentan erleben wir einen Kleinkrieg um die erforderlichen Chips und Prozessoren“, raunt Carstensen und für einen Moment verdunkelt sich die Stimmung. „Gestern konnten wir bei einem Reseller eine größere Stückzahl zu völlig überzogenen Preisen bestellen. Heute Vormittag folgte die Absage – Irgendwer hat noch mehr geboten und erhält den Zuschlag.“ Solche Methoden seien ihm in den vergangenen sieben Jahren noch nicht untergekommen. Er ist trotzdem zuversichtlich, dass Inklang zum Jahresende planmäßig mit der Auslieferung der Aktivmodelle starten kann. Das Konzept ist erstaunlich vielseitig: Ansteuern kann man die Aktiven wie jeden herkömmlichen „Selbstverstärkten“ über eine regelbare Quelle oder einen Vorverstärker. Alternativ bietet der Hersteller einen neu entwickelten Controller namens Ayers HD 10, der seinerseits viele Eingänge (inklusive HDMI) hinzufügt und die kabellose Funkvernetzung organisiert. Natürlich – warum schreibe ich das überhaupt? – kann man bereits erworbene passive Ayers-Modelle jederzeit nachrüsten lassen.
Das Auge isst schließlich mit
Nach einem abschließenden Rundgang durchs Lager sitze ich auch schon wieder im Auto und folge Carstensen. Wir fahren über einen Schleichweg vorbei an den Elbbrücken, durch ein weiteres Gewerbegebiet, mitten durch die neue Hafen-City und folgen der Elbe bis zur historischen Fischauktionshalle. Schräg gegenüber liegt das Stilwerk Hamburg, in dem Inklang mit seiner einzigen dauerhaften Vorführung residiert. „Wir haben die Idee von einem Händlernetz schon ganz zu Anfang verworfen“, erklärte Carstensen mir bereits früher. „Viel zu kompliziert, da irgendwie reinzukommen. Außerdem widerspricht es unserer „Built on Order“-Philosophie“. Inklang Produkte gibt es ausschließlich über den Konfigurator auf der Homepage des Unternehmens oder im Stilwerk, in dem uns Mitarbeiter Erik Laabs in Empfang nimmt. Eine bessere Umgebung könnte man sich wohl nicht ausmalen für die Präsentation von Lautsprechern, die es sich zur Aufgabe machen, mit dem Wohnraum zu verschmelzen. Der Showroom liegt genau gegenüber des Haupteingangs und ist eingebettet in eine Umgebung mit exklusiven Möbel- oder Accessoire-Geschäften. Direkt vor der Tür – für Carstensen vielleicht noch viel wichtiger – residiert ein erstklassiger Italiener. Und doch ist die repräsentative Geschäftsfläche nur ein Teil von Inklangs Vorführkonzept.
Seit einiger Zeit bieten die Hamburger ihren recht erfolgreichen „Probe-Weekender“ an: Gegen eine überschaubare Leasing-Gebühr kann man sich seine Wunsch-Ayers nach Hause senden lassen, um sie übers Wochenende auszuprobieren. Wenn einem gefällt, was man hört, kann man sich die Box über den Konfigurator ordern – die Leasing-Gebühr wird natürlich angerechnet. Eigens dafür ließ sich Inklang eine kleine Flotte von Flightcases anfertigen, die den sicheren Transport gewährleisten und für eine möglichst unkomplizierte Aufstellung sorgen. Dieselbe Art des „Über den Tellerrand Hinausdenkens“ offenbaren Aspekte wie das vierwöchige Rückgaberecht aller Produkte sowie die Rubrik “passendes HiFi“ in der Inklang Komponenten empfiehlt, die in Puncto Klang und Budget perfekt zu den jeweiligen Modellen passen. Hier findet man unter anderem Geräte von Arcam, NAD oder AVM – nur konsequent für einen Hersteller, der HiFi auch Menschen zugänglich machen will, die sich nicht weiter mit Aspekten wie der Geräte- oder Kabelwahl befassen möchten. Die soll es ja geben. Wie eingangs bereits erwähnt: Die Hamburger beweisen mit einer geradezu erstaunlichen Leichtfüßigkeit, dass auch in einem traditionellen Umfeld wie HiFi und Highend genug Raum für frische Denkweisen, spannende Ansätze und völlig neue Herangehensweisen ist.
Sollten Sie Lust auf ergänzende Lektüre haben: Den Test des Topmodells Ayers Five finden Sie hier.
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