MFE Tube One SE19 – Spielwiese mit Röhren
Der Vorverstärker als Herz und Hirn einer Anlage: Kaum ein analoger Preamp verkörpert diese Definition mit so viel Inbrunst wie MFEs Tube One.
In aller Kürze
Die MFE Tube One SE19 ist keine Vorstufe, vielmehr eine Plattform für zahllose Möglichkeiten, seine persönliche Traumvorstufe auf Röhrenbasis zu realisieren. Angesichts des Klangs und der Optionen überaus günstig. Preis um 9690 €.
Hier glimmt mehr. So viel mehr, dass sich manche „Röhrenvorstufe“ glatt die Frage gefallen lassen muss, ob sie diese Bezeichnung auch wirklich verdient. In der MFE Tube One SE19 kommen die Glaskolben nämlich nicht nur in Gestalt eines Pärchens Doppeltrioden in der Ausgangsstufe zum Einsatz. Hier beginnt das große Glühen schon im geregelten Netzteil, wo sich gleich drei Röhren um Gleichrichtung und Stabilisierung kümmern. Weitere vier Glaskolben stecken in der Phono-Sektion. Ganz klar: Hier ist ein Überzeugungstäter am Werk, und auf dessen Weg ist kein Platz für Silizium.
Michael Franken heißt der Mann, dessen Initialen zusammen mit dem ersten Buchstaben von „Electronic“ den Firmennamen bilden. MFE gibt es seit 1991, man feiert also gerade den 30. Geburtstag. Die Vorstufe Tube One ist fast genauso alt, 1993 wurde die erste Generation vorgestellt. Sie wird kontinuierlich modellgepflegt, die neueste Version trägt eine Neunzehn im Namen und sagt uns damit das Jahr der letzten Überarbeitung an: 2019.
Mit Äußerlichkeiten müssen wir uns nicht lange aufhalten. Design findet nicht statt, oder anders gesagt, es ordnet sich unter – sogar so weit, dass Schalter an die Unterseite des Gehäuses wandern und dort ertastet werden müssen. Technisch sicher sinnvoll im Interesse extrem kurzer Leitungen, vom Bedienkonzept her allerdings das glatte Gegenteil von intuitiv. Die Bedienungsanleitung sollte die erste Zeit also in Griffweite bleiben. Aber das ist ja bei funktionsmächtigem Werkzeug nichts Ungewöhnliches.
Denn das ist der Röhren-Vorverstärker MFE Tube One SE19: ein Werkzeug. Und was für eins. Nicht vergessen, wir sind hier voll analog und massiv röhrenbestückt! Das macht die Sache gleich noch viel eindrucksvoller. Der Tube One SE19 kann Hochpegel, und er kann Phono. Er kann Cinch und XLR-symmetrisch, und er kann MM und MC. Tape-Schleife und Monitor-Out? Vorhanden. Schick – aber jetzt geht’s erst richtig los. Es gibt getrennte, deaktivierbare Bass- und Höhenregler. Einen Rumpel- und einen „Rausch“-Filter. Einen Kopfhörerausgang. Einen Mono-Schalter. Einen Phasen-Umkehrschalter für den XLR-Ausgang. Einen Abschwächer für das Ausgangssignal. Die Wahlmöglichkeit zwischen kurzer und etwas längerer Anstiegszeit der Signalverarbeitung (wofür auch immer). Kurz: Das Gerät ist eine Spielwiese.
Nimmt man die schier überbordenden Möglichkeiten dazu, die mitgelieferten Röhren gegen äquivalente Typen eigener Wahl zu tauschen, ist schnell klar, dass der MFE Tube One im Grunde nur nach den Kriterien Verarbeitung und Features objektiv zu bewerten ist. Alles andere lässt sich schließlich entweder vorab beim Hersteller nach Kundenwunsch einrichten oder später vom Besitzer nach Gusto verändern und dem Geschmack bzw. den Erfordernissen in der eigenen Anlage anpassen. Darum an dieser Stelle der Hinweis: Alle folgenden Klangbeschreibungen gelten einzig und allein für die von Michael Franken sozusagen schlüsselfertig angelieferte Konfiguration.
Bevor es losgeht, noch ein paar Worte zur Technik. Die bloß oberflächlich zu streifen wäre angesichts des Gebotenen eine Sünde. Ich tu’s trotzdem – weil ich gar nicht anders kann! Michael Franken gibt in der Bedienungsanleitung einen schnellen Überblick, der füllt schon drei Seiten. Er beginnt beim Netzteil, das nicht nur in der Gleichrichtung, sondern auch beim Längsregler und der Stabilisierung auf Röhren setzt. Der hier generierte Heizstrom für die Vorstufenröhren lässt sich mittels DIP-Schaltern von den voreingestellten 300 Milliampere auf die Hälfte reduzieren, was noch mehr Röhrentypen den Einsatz im Tube One ermöglicht.
Der Phonoentzerrer nimmt die Hälfte der Hauptplatine ein. Direkt hinter den Eingangsbuchsen sitzt in einer abschirmenden Metallkapsel ein Step-up-Trafo (kurz: SUT), der das Signal von MC-Tonabnehmern hochtransformiert. Über einen darunter am Geräteboden montierten Wippschalter lässt er sich deaktivieren, wenn ein MM-System angeschlossen ist. Die Impedanz ist im MC-Zweig standardmäßig auf 200 Ohm eingestellt. Selbstverständlich lassen sich auf der Platine aber auch andere Werte stecken bzw. ein SUT mit einem anderen Übersetzungsverhältnis einbauen. Die folgende Schaltung arbeitet dreistufig. Im Testgerät waren als Röhren pro Kanal je eine Doppeltriode PCC88 als rauscharme Eingangsstufe und eine PCF80 verbaut, die in ihrem Glaskolben ein Trioden- und ein Pentodensystem vereint und dank eines niedrigen Ausgangswiderstands die folgende Line-Stufe sicher ansteuert. Dort finden sich Doppeltrioden des Typs PCC85, die ein symmetrisches und ein unsymmetrisches Ausgangssignal liefern.
Ich schließe den MFE-Pre mithilfe des mitgelieferten Netzkabels an meinen AudioQuest Niagara 3000 an. Das Kabel ist keine Verlegenheitsstrippe vom Grabbeltisch, sondern überaus solide Handarbeit aus dem Hause MFE mit Folienschirm, für Phase und Masse jeweils doppelt vorhandenen Kupferleitern und stabilen Steckern. Die Vorstufe zeigt mittels Phasenleuchte die korrekte Steckerposition an, ein weithin schmerzlich vermisstes Feature, das Bände spricht über Michael Frankens Arbeitsweise. Ebenso wie die etatmäßige Fernbedienung im dickwandigen Aluminiumgehäuse, die ausschließlich Lautstärke und die Mute-Funktion steuert und den Tube One vermutlich auch von der Garage aus erreichen würde. Es scheint jedenfalls keinen Winkel zu geben, von dem aus der IR-Sensor an der Gerätefront kein Signal erkennt. Sehr angenehm.
„Wie klingt denn der MFE?“, fragt mich mein audiophiler Freund W., dessen rein digitale Anlage mit entzerrten Aktivlautsprechern nicht weiter entfernt sein könnte vom Konzept des Tube One SE19. Ich antworte: „Dicht, substanzreich, ohne jeglichen Exhibitionismus. Sehr reif.“ W. gefällt das: „Wenn’s ein Wein wäre, würde ich sofort probieren wollen.“
Der MFE ersetzt in meiner Anlage den ebenfalls röhrenbestückten Silvercore linestage two. Völlig abgesehen davon, dass jener ein an Purismus kaum zu überbietendes Gerät ist, sind das auch klanglich zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Der Silvercore sucht sich seine Gegner im Lager der transistorisierten Hochleistungsvorstufen, denen er in Sachen Auflösung, Räumlichkeit und Dynamik ungeniert auf die Pelle rückt. Die Röhrenbestückung macht sich nur subtil, fast unterbewusst bemerkbar.
Dagegen zeigt der MFE durchaus Charakter. Der Tube One SE19 spielt genau, aber entspannt, hochauflösend und doch warm. Mit seiner in sich ruhenden, homogenen Wiedergabe, mit seiner Art, Töne, Geräusche, Stimmen plastisch nachzuzeichnen, unterstützt er das Verständnis des Gehörten.
Ich habe meine Anlage in den letzten eineinhalb Jahren fundamental umgekrempelt und konnte dadurch Aspekte wie Bandbreite, Dreidimensionalität, Dynamik und Feinstauflösung auf ein Niveau bringen, von dem ich lange nur zu träumen wagte. Die Kehrseite der Medaille: Ich höre jetzt viel zu oft an der Musik vorbei. Nebengeräusche und Hallaureolen drohen nicht selten zu den wahren Stars zu werden. Der Tube One hat mich hier für Wochen wieder geerdet. Nicht, indem er Informationen unterschlagen hätte. Der MFE ist ein waschechter High-End-Bolide und reicht die Qualitäten exzellenter Quellgeräte wie meines dps-Plattenspielers oder des Aqua-DACs ohne auch nur mit der Wimper zu zucken durch. Aber er tut das mit einer inneren Ruhe, einem Sinn fürs Melodische, dass ich gar nicht anders kann als an die 28 Jahre Reife zu denken, die in dieser Vorstufe stecken. Hier greift ein Rädchen ins andere, und man spürt jede Sekunde, welche enorme Erfahrung in diesem viel zu unprätenziösen Preamp steckt.
Subjektiv rastete der Klang mit Klassik vollkommen ein. Als ich meine Referenz-Stücke mit Gidon Kremer und Truls Mørk spielte, waren das Geigen- und Cellotöne von betörender Echtheit, mit einem Schmelz zum Süchtigwerden. Liebhabern von Streichinstrumenten kann ich den MFE gar nicht warm genug ans Herz legen. Vinyl-Hörern sei gesagt, dass MC-Tonabnehmer auf hohem Niveau betreut werden, der kleine Übertrager aber, wie nicht anders zu erwarten bei Tonabnehmern vom exquisiten Schlage meines Lyra Kleos, zum limitierenden Faktor wird. Die Entzerrerschaltung ist allerdings so gut, dass sich das Investment in einen Spitzen-Step-up, der gerne auch mal so viel wie der ganze Tube One SE19 kosten kann, absolut lohnt. Das zu erzielende Plus an Offenheit, Plastizität, Fein- wie Grobdynamik ist umwerfend.
Der MFE Tube One SE19 ist ein einmaliges Konzept. Kompromisslos auf Röhren setzend, gebaut für höchste klangliche Ansprüche – aber vor allem flexibel wie kein zweiter Vertreter seiner Gattung. Im Grunde also ein Angebot an den Hörer, sich unter diesem Modellnamen einen passgenau zugeschnittenen Weltklasse-Vorverstärker auf den Leib schneidern zu lassen. Und damit für sehr lange sehr glücklich zu werden.
Info
Vorverstärker MFE Tube One SE19
Konzept: Röhren-Vorstufe mit geregeltem Röhrennetzteil und integriertem Phonoentzerrer
Eingänge: 1 x Phono (MM/MC), 5 x Line-In (2 x XLR, 3 x Cinch), Tape/Monitor
Ausgänge: 1 x symmetrisch (XLR), 1 x unsymmetrisch (Cinch), Tape/Monitor direkt, Kopfhörer 6,3-mm-Klinke
Besonderheiten: Schalter für Mono/Stereo, Tape/Monitor, Phase, Klangregelung, Rumpelfilter, Rauschfilter, Verstärkung MM/MC; IR-Fernbedienung, hauseigenes Netzkabel, zahllose Varianten für Design und Ausstattung auf Wunsch möglich
Ausführung: Frontplatte Aluminium schwarz, silbergrau, rot oder champagnergold
Maße (B/H/T): 48/11/34 cm
Gewicht: 8 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 9690 €
Kontakt
MHW Audio GmbH
Burgsiedlung 1
87527 Sonthofen
Telefon +49 8321 6078900