Album-Doppel: Bluesbreakers – Tobias Hoffmann Trio
Guitar Breakers
Die Blues-Sammlung seines Vaters – noch Schellackplatten! – brachte ihn früh auf den Geschmack. John Mayall wurde ein Fan der schwarzen Musik Amerikas, studierte die Bluessänger und -instrumentalisten, erlernte Gitarre, Klavier, Mundharmonika. 1963 ging er nach London und gründete die Bluesbreakers – und so heißt seine Band noch heute. Das erste Album der Bluesbreakers (ein Livemitschnitt) war allerdings ein Flop, sodass die Plattenfirma den Vertrag sofort wieder auflöste. Als dann aber der junge Eric Clapton – er war noch keine 20 – die Yardbirds verließ, schlug Mayall zu und sicherte sich die Dienste dieses sensationellen Gitarristen. Die beiden vertieften sich in den elektrischen Chicago-Blues, begeisterten einander für Otis Rush, Freddie King, Buddy Guy. „Ich entwickelte mich in kurzer Zeit sehr stark“, erinnerte sich Clapton später an die Zeit mit den Bluesbreakers, „als würde jemand aufs Gaspedal drücken.“ Die neuen Bluesbreakers mit Clapton machten so viel Eindruck, dass die Plattenfirma einen neuen Vertrag mit Mayall schloss. Im Frühjahr 1966 entstand sein erstes Studioalbum. Es war der Beginn der britischen Blues-Rock-Revolution.
Claptons Sound auf dieser Platte wurde zur Hauptsache. Weil Freddie King eine Gibson Les Paul spielte, hatte sich Clapton auch eine zugelegt. Dazu einen Marshall-Verstärker, der voll aufgedreht diesen verzerrten, dicken, rauen, nachklingenden Gitarrensound ergab. Die Lautstärke machte dem Toningenieur im Studio zwar zu schaffen, aber die Band bestand darauf, dass sie genauso aufgenommen wurde, wie sie im Konzert klang. (Nur hin und wieder hört man eine zweite, nachträglich aufgenommene Gitarrenstimme.) Songs von Otis Rush und Freddie King machen den Anfang – der Wechsel in den Shuffle-Rhythmus in Rushs „All Your Love“ wurde dann zur Blaupause für Fleetwood Macs „Black Magic Woman“. Nicht alle Songs sind Gitarrenfeatures – Mayall hat Glanznummern an der Mundharmonika („Another Man“, „Parchman Farm“, „It Ain’t Right“) und brilliert außerdem als Sänger, Organist und Pianist. Clapton gibt sein Gesangsdebüt im Robert-Johnson-Klassiker „Ramblin’ On My Mind“.
Das Album der Bluesbreakers schaffte nicht nur den Sprung vom Blues in die Popcharts – sein Einfluss war überwältigend. „Diese Männer haben nicht einfach nur den Blues destilliert. Sie haben ihn in etwas Neues verwandelt. Nach dieser einmaligen Explosion wirklich elektrischer 12-Takte-Musik sollte der Bluesrock auf Jahre hinaus den ‚Underground‘ beherrschen“, schreibt BBC-Mann Chris Jones. In der Tat begannen zahlreiche Londoner Rockbands ihre Karriere mit Bluesrock-Tönen à la Mayall & Clapton: Ten Years After, Jethro Tull, Manfred Mann, Fleetwood Mac, Led Zeppelin … Diese eine Platte machte Mayall zum Vater des britischen Bluesrock, Clapton zum Gitarrengott und die Gitarrenimprovisation überhaupt zum Zentrum der Rockmusik. Claptons Instrument hieß später nur noch die „Bluesbreaker Les Paul“, der Amplifier wurde als „Marshall Bluesbreaker“ bekannt. Claptons Gastspiel bei Mayall war allerdings kurz. Nur drei Monate nach Erscheinen des Albums gab er schon sein erstes Konzert mit Cream, der eigenen Band.
Auch das Coverfoto von 1966 ist ein Klassiker. Von links: John Mayall, Eric Clapton, John McVie (Bass) und Hughie Flint (Schlagzeug). Clapton blättert in einer Ausgabe des Kinder-Comics The Beano – angeblich hatte er keine Lust auf den Fototermin. Diesem witzigen Detail verdankt die Platte auch ihren Ehrennamen „The Beano Album“. (Claptons Gitarrenmodell firmiert gelegentlich auch als „Beano Les Paul“.) Das berühmte Gruppenbild wurde 2013 vom Tobias Hoffmann Trio liebevoll nachgestellt. Von links: Tobias Hoffmann (Gitarre), Etienne Nillesen (Schlagzeug), Frank Schönhofer (Bass). Nicht nur das Beano-Comic kehrt hier wieder (wenn auch eine andere Ausgabe). Auch die Blüte im Vordergrund und die Sitzhaltung der Musiker ahmen das Cover-Vorbild nach.
So hingebungsvoll wie das Foto auf dem Cover ist die Musik auf 11 Famous Songs Tenderly Messed Up – es sind passenderweise durchweg Coverversionen. Britisches ist mit dabei – Stücke von den Beatles und Fleetwood Mac („Albatross“) –, aber auch Nummern von Jimi Hendrix, Bob Dylan und sogar Rio Reiser. Natürlich gehört beim Jazzgitarristen Hoffmann ein Jazzpaket ebenfalls dazu – mit Stücken von Gershwin, Mingus, Monk, Miles und Wayne Shorter. Doch wie auch immer: In diesen wilden, eklektischen Trio- und Solo-Versionen lösen sich die Genregrenzen ohnehin auf. „Je mehr ich mich mit Jazz, Blues, Rock usw. auseinandersetze, desto mehr verschwinden diese Kategorien“, sagt Hoffmann. „Es gibt so viele Querverbindungen – oder wir erfinden einfach welche.“ Mit entsprechend viel Fantasie und wenig Respekt gehen Hoffmann und seine Mitspieler zur Sache. Die Tonarten, Akkorde, Melodien und Rhythmen der Originale sind bei ihnen nicht unantastbar. Außerdem spielen Noise, Free, Aggression, Punk, Psychedelik und Anarchie kräftig mit herein. Der amerikanische Bassist Greg Cohen schreibt dazu: „Diese Trio-Aufnahme erforscht eine Myriade von Stimmungen und Epochen der populären Musik.“ Dass auch Clapton zu Hoffmanns Helden gehört, ist selbstverständlich. Noch einmal: ganz großer Gitarrenstoff.
John Mayall & The Bluesbreakers With Eric Clapton (Deram 844 827-2)
Tobias Hoffmann Trio: 11 Famous Songs Tenderly Messed Up (Klaeng Records 003)