Gato Audio DIA-250S Vollverstärker – Neuer Schwung
Hört das Auge mit? Könnte man fast meinen. Denn der Gato DIA-250S im schwungvollen Dänen-Design hat nicht nur Kraft, sondern setzt auch optisch einen starken Akzent in einer zunehmend eintönigeren Welt.
In aller Kürze
Gutes und ausgefallenes Design trifft auf hervorragenden Klang – Geheimtipp für (Klang-)Ästheten. Preis 3790 Euro.
„Digital ist besser“, sang dereinst eine Band aus Hamburg. Gemeint war das natürlich nicht als optimistische Zukunftsempfehlung, sondern die drei in Retro-Sportjacken gewandeten Jungens von Tocotronic meinten das hintergründig-ironisch. Seitdem – viele Jahre nach Beginn des CD-Zeitalters – ist eine Frage weiterhin ungeklärt: Kann die digitale Welt eigentlich Spaß machen? Internet, Smartphone – das mag ja alles praktisch sein, wenn man sich eine Fahrkarte für die Bahn kaufen möchte. Aber wenn es um Dinge wie Sinnlichkeit geht, dann denken wir eher an ein Stelldichein im Heuschober oder einen alten Porsche 911 statt an Tinder oder Carsharing.
In der Welt der Musikwiedergabe verhält es sich ähnlich. Der Beweis, dass neue Technologien nicht allein innovativ, platzsparend oder verkabelungsfreundlich sind, sondern tatsächlich ein emotionales Musikerlebnis ermöglichen, steht grundsätzlich weiterhin aus. Einen Hinweis, dass digitale Signalverarbeitung nicht spröde und blutarm sein muss, liefert nun die dänische Firma Gato Audio. Auf deren Internetseite findet sich ein eingebundenes Youtube-Video: Man sieht, wie die Pedale von Porsche-Fahrzeugen heruntergedrückt werden. Im Gegenschnitt sind dann nicht etwa Tachonadeln zu sehen, sondern Anzeigeelemente von Audiowiedergabe-Komponenten aus dem eigenen Hause.
Mag man sich in weiten Teilen der audiophilen Welt allmählich damit abgefunden haben, dass Teile der Kette nunmehr digital sind und bleiben werden, so bestehen bei Verstärkern mit einem hohen Anteil an Digitaltechnik weiterhin beträchtliche Vorbehalte: zu kalt, zu langsam, mit komplexen Klangbildern von hoher Dichte schnell überfordert, fehlende Projektionsfähigkeit. Und kann ein Class-D-Verstärker eine Seele haben? Wohl kaum.
Dass es sich bei dem DIA-250S um etwas Besonderes handelt, spürt man gleich: Lediglich zehn Kilogramm wiegt das Gerät, ein Leichtgewicht, bei dem man gefühlsmäßig nicht auf die Idee kommt, es mit einem leistungsstarken Verstärker-Boliden zu tun zu haben. Wie das Vorgängergerät DIA-250, das noch nicht über eine Bluetooth-aptX-Schnittstelle verfügte, markiert auch das neue S-Modell optisch eine Sonderstellung. Es ist keine uniforme Kiste, sondern ein futuristisch geschwungenes Objekt – mehr tief als breit, Front und Seitenlamellen aus gebürstetem Aluminium und eine Furnier-Abdeckung wahlweise in Schwarz, Weiß oder – wie im Falle des Testexemplars – Walnuss. Die Front ist am linken und rechten Rand konvex, oben und unten hingegen konkav gewölbt. Es gibt zwei Taster für Standby-Betrieb und Quellenwahl. Weit auffälliger ist jedoch das großzügig dimensionierte Endlos-Shuttlewheel in der Mitte, das optisch aber geradezu erschlagen wird vom noch viel opulenteren Anzeigedisplay: Per Punktmatrixanzeige werden Lautstärke beziehungsweise Samplingrate oder Quelle sowie gegebenenfalls Warnmeldungen (etwa bei Überhitzung) angezeigt. Die bläulich-weiße Beleuchtung passt hervorragend zur matten Metallblende – die schiere Größe der Anzeige mag allerdings gewöhnungsbedürftig sein. Wer Musik gerne bei kompletter Verdunkelung hört, kann aber auf die Dim-Funktion mittels der mitgelieferten Fernbedienung zurückgreifen.
Das Design ist ungewöhnlich und mag polarisieren – so stellt man sich vielleicht eine Motorkomponente des Bugatti Veyron vor, aber nicht unbedingt ein Gerät, das ganz im Dienste der Klangschönheit steht. Skeptikern jedoch sei versichert: Man möchte den Anblick schon bald nicht mehr missen, schließlich gibt der DIA-250S sich schlicht und ergreifend so, wie er ist: als kraftvolle und abgerundete Persönlichkeit.
Rückseitig kann man sich von den vielfältigen Anschlussmöglichkeiten überzeugen. Konnektivität wird großgeschrieben: USB und S/PDIF optisch sowie koaxial für digitale Quellen und zwei Paar Cinchbuchsen plus ein XLR-Eingang für analoge, stehen symmetrischen und unsymmetrischen Ausgängen gegenüber – mit der Bluetooth-Antenne ist alles da, was eine Schaltzentrale des modernen Geräteparks so braucht. Schallwandler werden über Bananenstecker angeschlossen oder per blanker Litze oder Kabelschuh geklemmt. Erfreulich – und das hat man selten – auch die angenehm knappe und ausgezeichnet verständliche Bedienungsanleitung, die die Inbetriebnahme mit fast schon britischem Understatement schildert und mit einer klaren Empfehlung endet: „Enjoy!“
Als Gato Audio vor einigen Jahren auf der Bildfläche erschien, waren es nicht allein Fragen des Designs – auf die man sich in Dänemark ja traditionell bestens versteht –, welche die internationale Fachpresse auf sich aufmerksam machten. Bei den Verstärkern wie dem Topmodell AMP 150, das mit knapp 7000 Euro in gemessener, aber nicht unerreichbarer Ferne zum getesteten Einsteigermodell angesiedelt ist, fiel insbesondere die Schaltungstechnik auf, die auf einem genauen Pairing der MOSFETs basiert. Denn unglücklicherweise benehmen sich auch baugleiche Transistoren nicht grundsätzlich identisch, sondern sind einer gewissen Schwankungsbreite unterworfen. Hörbar wird dies in minimalen Verzerrungen, die sich in einem Klangbild niederschlagen, das nach einiger Zeit als anstrengend empfunden wird.
Auch die neue Version des DIA-250S fügt sich in diese Linie. Er arbeitet mit je einem Paar schneller und verlustarmer MOSFETs pro Kanal in der Ausgangsstufe. Gato Audio verwendet Bauteile von International Rectifier, einem alteingesessenen amerikanischen Schaltungspezialisten, der nunmehr Teil des Infineon-Konzerns ist. Und vielleicht kommen wir hier der Sache schon ein wenig auf die Spur: Denn „digital“ ist nicht immer digital – und Class D zwar eine Aufeinanderfolge von Ein- und Aus-Schaltzuständen, die sich aber nicht in Bits und Bytes ausdrücken lassen. Entgegen dem allgemein herrschenden Sprachgebrauch ist Class D nämlich gar nicht digital, es handelt sich vielmehr um eine sogenannte Pulsweitenmodulation, die es auch vor der digitalen Revolution schon gab.
Trotzdem ist der DIA-250S keine analoge Kiste aus der vermeintlich guten alten Zeit. Schließlich gibt es einen integrierten D/A-Wandler, der auf einem PCM-1794-Konverter von Burr-Brown basiert. Eingehende digitale Signale – also beispielsweise auch solche aus dem Taschentelefon – werden auf 24 bit und 192 kHz upgesampled, um intern mit dieser Wortbreite beziehungsweise Frequenz weiterzurechnen. Den USB-Treiber auf einem Rechner zu installieren ist unbedingt empfehlenswert, da dies eine Zuspielung über asynchrones USB mit nativen 24/196 erlaubt, ohne dass zuvor noch die Rechenkünste des DIA-250S gefragt wären oder gar der Rechner selbst die Taktung vornimmt. Etwas retro wirkt an dieser Stelle der Umstand, dass die Treibersoftware auf CD-ROM mitgeliefert wird.
Was ereignet sich also, wenn man den DIA-250S unter Strom setzt? Kurz gesagt: Erstaunen. Der Griff zu der in schwarzes Metall eingefassten Fernbedienung ist natürlich die allererste Maßnahme. Schließlich ist Leistung angekündigt, Power, da will man natürlich umgehend wissen, wie schnell der Nachbar Sturm klingeln kann, wenn man auf den Plus-Taster für die Lautstärke tippt. Zunächst führt dies dazu, dass die Punktanzeige die Ziffern wechselt und dabei den Eindruck vermittelt, als würden die Zahlen mit einer Drehbewegung nach oben gleiten – was tatsächlich sehr anmutig ausschaut. Und während die Ziffern sich weiterschieben und dann irgendwann auch die Zehnerstelle der Anzeige wechselt, wird aus Erstaunen purer Unglaube: Warum wird das denn nicht lauter? Tatsächlich ergibt sich nicht das Empfinden zunehmender Lautstärke. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass die Musik an Präsenz, an Dringlichkeit zulegt – und zwar sehr eindrucksvoll! –, das Erlebnis eines ansteigenden Pegels bleibt aber auf nahezu geheimnisvolle Art und Weise aus: Das Klangbild bleibt klar und in seinen Proportionen unverändert konturiert, subjektiv treten keine Klanganteile unzulässig hervor. Weder rumpelt und pumpelt der Bass, noch kommt es in den Höhen zu Aufdringlichkeiten. Die Musik scheint also nicht einfach irgendwie „lauter“ zu werden – es ist einfach nur „mehr“ von ihr da.
Doch belassen wir es zunächst bei solch anfänglicher Kraftmeierei und nähern uns dem DIA-250S auf eine eher zarte Tour. John Patitucci greift auf dem Opener „Quasimodo“ des Albums One More Angel gleich beherzt zu – was bei der Justage der Lautstärke übrigens zum umgekehrten Erlebnis führt: Die Dringlichkeit des furiosen Intros, ehe das Stück in eine gemächlichere Gangart findet, scheint auch durch schnelles Zurückfahren der Lautstärke kaum zu bändigen zu sein. Sauber jedoch zu hören, ob auf Zimmerlautstärke oder ein wenig darüber: das lebendige Spiel auf dem Ride-Cymbal von Paul Motian, bei dem es auf ein genaues Herausarbeiten des unter der Attack des Stockanschlages liegenden Grundrauschens des Beckens ankommt. Was keine kleine Aufgabe ist, da das Becken in seiner Charakteristik sehr trocken ist, von Motian aber nichtsdestotrotz regelmäßig angecrasht wird, woraufhin umgekehrt die Attack zurücktritt und einem heftigen White Noise weicht. Das Hörerlebnis, das der DIA-250S verschafft, lässt hier an Transparenz und räumlicher Anordnung keine Wünsche offen.
Eigentlich jedoch darf nach dem Tod von Mark E. Smith, der unlängst zu beklagen war, aus gewissermaßen religiösen Gründen keine andere Musk mehr laufen als die von The Fall. Einen kursorischen Überblick über das weit gefächerte Œuvre des letzten großen Bandleaders verschafft die Sammlung A-Sides 1978–2016 auf drei CDs. Ein bekanntes Problem bei Mark E. Smiths musikalischen Äußerungen ist die Textverständlichkeit, da zu einem ausgeprägten Manchester-Dialekt noch Nuscheln und wohl auch Trunkenheit hinzukommen. Gleichzeitig sind die lexikalischen Anforderungen an Nicht-Muttersprachler enorm. Im Zusammenspiel mit den Neat-Momentum-Standboxen, die Bässe anständig und Höhen exzellent zeichnen, erweist sich der Vollverstärker als echte Waffe: Im Abbildungsbereich der menschlichen Stimme haben die Schallwandler nämlich durchaus Defizite. Doch nun scheint es, als wäre Mark E. Smith direkt auf dem Barhocker nebenan – was für einen Fan ein ebenso verstörendes wie beglückendes Erlebnis ist.
Überflüssig zu erwähnen, dass der Verstärker von Gato Audio so richtig Spaß macht, wenn es um Krawall und Remmidemmi geht – ob Queens Of The Stone Age oder Karajan, John Zorn oder System Of A Down, ist da einerlei. Der DIA-250S verhält sich so unauffällig und neutral, wie man es von einem Verstärker erwartet. Was er aber zweifelsohne hat, ist tatsächlich so etwas wie Seele: Er sticht wohltuend aus dem unendlich scheinenden Angebot von Verstärkern heraus, die unterschiedliche Konzepte und Ausstattungsmerkmale haben mögen, aber sich klanglich immer stärker aneinander angleichen. Der DIA-250S verfärbt nicht und betreibt auch keine Schönmalerei, hat aber eine eigene Nuance, ja: Persönlichkeit. Er unterscheidet sich angenehm vom ausnivellierten Mainstream und verschafft für unter 4000 Euro ein eindrucksvolles Hörerlebnis – das wesentlich teurer klingt.
Gato Audio bietet das Netzwerkplayer-Modul NPM als Upgrade für diverse Modelle an. Das NPM arbeitet als ROON-Endpunkt, unterstützt aber auch Tidal, Qobuz, Deezer und UPnP/DLNA als App-gesteuertes Stand-alone-Gerät. Es lässt sich zum Beispiel in die Vorstufe PRD-3S (ausführlicher Test hier), aber auch in die Vollverstärker DIA-250S (unseren Testkandidaten) und DIA-400S integrieren. Der hier vorgestellte DIA-250S würde mit integriertem Netzwerkplayer dann das Kürzel DIA-250S NPM tragen und 4740 Euro kosten. Das nachträgliche Upgrade eines vorhandenen Voll- oder Vorverstärkers mit dem NPM-Modul schlägt mit 1000 Euro zu Buche. Gato Audio betont darüber hinaus, dass auch ältere Modelle mittels Update auf den jeweils aktuellen Stand gebracht werden können.
Info
Vollverstärker mit DAC
Gato Audio DIA-250S
Funktionsprinzip: Class-D-Vollverstärker
Leistung (8/4 Ω): 2 x 250 W/2 x 500 W
Eingänge analog: Line symmetrisch (XLR), 2 x Line unsymmetrisch (Cinch)
Eingänge digital: USB, 2 x S/PDIF (Toslink, Cinch), aptX Bluetooth 4.0
Ausgänge: symmetrisch (XLR), unsymmetrisch (Cinch)
Ausführungen: gebürstetes Aluminium mit wählbaren Furnieren in Schwarz, Weiß oder Walnuss
Maße (B/H/T): 32,5/10,5/42 cm
Gewicht: 10 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 3790 Euro
Kontakt
Gato Audio
Marielundvej 28,
2730 Herlev
Denmark