Gurke am Ventilator zur Wahlwiederholung
Illustration: Ralf Wolff-Boenisch
Kennen Sie das? Man denkt an dieses und ist innerhalb von Sekundenbruchteilen bei jenem. Wobei „dieses“ zum Beispiel der Einkauf beim Supermarkt um die Ecke ist, und „jenes“ ein Spiralnebel weit jenseits hinter Beteigeuze. Das Hirn assoziiert sich mit Lichtgeschwindigkeit in fantastischem Freestyle vom Hölzken aufs Stöcksken. Ein gesunder und natürlicher Reflex zur vorrübergehenden internen Blockierung all der Breaking News, die derzeit das Nervensystem überreizen. So lande ich zum Beispiel in wenigen Wimpernschlägen vom Hafen von Entenhausen bei einem auf dem Trampolin springenden Schaf und dann bei „Nothing Else Matters“ von Metallica, gespielt auf dem Banjo.
Das geht so: Ich lese derzeit wieder einmal in den gesammelten Werken von Donald Duck-Zeichner Carl Barks. Gestern Abend Band 7 der Barks Library mit meiner Lieblingsgeschichte, „Lore aus Singapore“, 1946 im Original als „Singapore Joe“ erschienen. Darin streunen Tick, Trick und Track durchs Stückgutterminal im Hafen von Entenhausen: „Seht nur, was die dicken Schiffe für aufregende Sachen aus Übersee mitbringen!“ – „Da ist Tee aus China!“ – „Fischbein aus der Antarktis“ – „Getrocknete Lämmerschwänze aus Tibet“. Und aus einem schwarzen Sack tönt eine Stimme: „Und die gute Lore aus Singapore.“
Die gute Lore ist ein sprechender Papagei. Und da fällt mir sofort Chico ein, ebenfalls Papagei, zu Hause in einem realen Wildpark in der englischen Grafschaft Lincolnshire. Chico wurde mir vor wenigen Wochen von meinem Youtube-Algorithmus vorgestellt: Er kann Hits von Beyoncé, Katy Perry und Lady Gaga singen, und zwar in täuschend echter Stimmlage. Von Chico bin ich via Hirn-Handstützüberschlag rückwärts schnell bei jener russischen Krähe, die in einem halbminütigen Filmchen, via WhatsApp bei mir gelandet, auf einem Plastikdeckel Snowboard fährt. Ha-ha, und erst das trampolinspringende Schaf, das meine jüngste Tochter mir, frisch ausgestattet mit ihrem ersten Handy, weiterleitete. Und der neue Wellnesstrend aus den Niederlanden: koe knuffelen beziehungsweise Kuhkuscheln, wo man es sich zwecks Stressreduzierung mit Kühen auf der Weide gemütlich macht.
Lustiges Landleben, auch in Finnland: Da hatte ich erst kürzlich die skandinavische Hinterwäldlerkapelle Steve’n’Seagulls entdeckt, die mit Banjo, Akkordeon und Löffeln die Hits von Metallica, AC/DC und Iron Maiden spielt. An dieser Stelle macht mein Hirn nun einen Spagat, für den ich aber nichts kann. Ich bin plötzlich bei Fynn Kliemann aus dem niedersächsischen Landkreis Rothenburg/Wümme, Vertreter der Berufsgruppe „Youtuber“ und bei den MTV Europe Music Awards nominiert als Bester Deutscher Act. Mit seiner Musik, der neue Hit heißt „Schmeißt mein Leben auf den Müll“, kann ich nichts anfangen. Dass seine Fans via Instagram einen wahrhaft kreativen Wettbewerb ins Leben gerufen haben, um die Telefonabstimmung zu beeinflussen, finde ich recht charmant. Da werden schön absurde Methoden vorgestellt, wie sich beim Smartphone im Fünf-Sekunden-Abstand die Wahlwiederholung drücken lässt. Mit einer Gurke am Ventilator, einem Würstchen auf der Modelleisenbahn, der Banane auf dem Plattenspieler. Hühner, die beim Körnerpicken für Fynn voten …
Ach, bei pickenden Hühnern fällt mir ein, dass ich heute Abend eine Hühnersuppe kochen könnte. Hopp, schnell zum Supermarkt um die Ecke. Und von da weiter zu den Spiralnebeln weit hinter Beteigeuze. Ich muss los …
PS: Unnützes Wissen, Teil 15: Ein ganzes Maishühnchen (oder einen Roaster) mit Salz, 2 Möhren, ¼ Sellerie, 1 Zwiebel und 2 Knoblauchzehen eine Stunde kochen. Parallel ein Kilo Möhren in vier Zentimeter lange Spalte schneiden, ¼ Sellerie und 1 Petersilienwurzel kleinwürfeln, 1 Stange Lauch in Scheiben schneiden. Hühnchen aus Topf nehmen, Haut entfernen, Fleisch lösen. Zerkochtes Gemüse aus Topf fischen und wegwerfen. Frisches Gemüse in die Brühe, kochen. Zum Schluss Hühnerfleisch dazu, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Fettaugen an Oberfläche abschöpfen. Mit Buchstaben- oder Fadennudeln servieren.