Burmester B38 – Rock Solid
Anpassung an den Raum, interne Dämpfung − was haben wir nicht schon alles bei Lautsprechern gehört. Burmester verspricht nicht nur, sondern liefert!
Eine große Unbekannte, eine völlig vage Komponente ist Teil jeder Anlage und wird doch meistens ignoriert: der Raum, in dem die Komponenten spielen. Kritischer Punkt in dieser Kette ist die Stelle, an der der Schall entsteht und an den Raum ankoppelt. Nun können Lautsprecherhersteller nicht alle Lebenswirklichkeiten zwischen vollgestopftem Plüsch-Boudoir und aseptischer Glas-Beton-Architektur in ihren Entwicklungen berücksichtigen. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen an die jeweils passenden Schallwandler, als dass es das universal richtige Produkt geben könnte.
Es gibt mehrere Wege, damit umzugehen. In den meisten Fällen wird in einem messtechnisch „normalen“ Raum entwickelt, um ein Produkt zu entwerfen, das zuerst einmal nichts falsch macht; die akustische Anpassung an das Wohnzimmer obliegt dann dem Kunden. Naim verfolgte über Jahre hinweg eine andere Richtung: Alle Lautsprecher wurden auf direkte Wandaufstellung hin optimiert. So hatten die Entwickler wenigstens eine verlässliche und immer gleiche Größe zur Hand, mit der sie arbeiten konnten.
Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Lautsprecher anpassbar zu gestalten. Einzelnen Chassis kann man über einen Schalter bestimmte Elemente zur Vordämpfung in den Weg stellen, um so die Performance variieren zu können. Leider sind solche Anpassungen in der Regel äußerst zaghaft – ich erinnere mich an unterschiedliche beigelegte Kabel, deren Varianz im Nachkommabereich lag, und so verpuffte ihre schwache Wirkung im Hall der Wohnräume. Zu oft hatten wir Lautsprecher im Hörraum, deren unterschiedliche Schalterstellungen wir uns nach mehreren Versuchen einreden zu können glaubten. Der Wert einer solchen Aktion sei für den Kunden einmal dahingestellt.
Vor diesem Hintergrund können Sie sich meine Begeisterung vorstellen, als mir neue Lautsprecher mit eben einer solchen Anpassung angekündigt wurden. Teure Exemplare noch dazu. Schon sitzt man als Autor zwischen den Stühlen, möchte den in den meisten Fällen freundlichen und vom eigenen Produkt überzeugten Hersteller nicht vor den Kopf stoßen, dem Lesser aber auch nicht verschweigen, dass für viel Geld alter Wein in neuen Schläuchen angeboten wird. Sie verstehen sicher meine Sorge.
Wie voreilig von mir, hätte ich doch aus meiner Erfahrung mit Burmester wissen können, dass die Berliner keine halben Sachen abliefern. Wobei „halbe Sachen“ bei einem Gewicht von einem guten Zentner pro schlanker Box sowieso die falsche Formulierung ist. Entsprechend groß war die Mühe, diese eleganten Säulen aus der Verpackung zu befreien und ins Wohnzimmer zu transportieren. Das muss Sie allerdings nicht weiter interessieren, denn in diesem Segment gehört der Aufbau durch den Fachhändler zum Service dazu.
Die neue Kreation von Burmester hört auf den Namen „B38“ und folgt formal ihren Geschwistern B10, B18 und diversen Vorgängern: eine ästhetisch-schlanke Säule, die Montagefläche der Chassis mit Aluminium abgesetzt, ein schon aus anderen Burmester-Lautsprechern bekannter 17 Zentimeter durchmessender Seas-Mitteltöner, darüber ein Air-Motion-Transformer. Dieser ist allerdings ein neues Bauteil, an dessen Entwicklung Burmester auch beteiligt war, um die eigenen Wünsche endlich weitestgehend erfüllen zu können. Denn wir wissen: Je besser das Chassis passt, umso weniger unter Umständen klangschädliche Korrektur ist in der Weiche nötig. Der mit 32 Zentimetern sehr großzügig dimensionierte und mit einer auf Papier basierenden Verbundmembran ausgerüstete Tieftöner sitzt wie bei den größten Lautsprechern des Hauses auf der Seite. Hier wurde der gewissenhaften Verspannung mit dem Gehäuse besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet, um nicht die ganze Box durch die enormen Kräfte dieses Treibers ins Wanken zu bringen.
Der Fuß ist eine besondere Entwicklung, die ich mir bei so vielen anderen Lautsprechern auch wünschen würde: Auf einer massiven Stahlplatte sitzt eine Dämpfungsschicht, darauf eine Aluminiumbasis, die mit dem Gehäuse verbunden ist. Heraus kommt dabei ein Feder-Masse-System, das den schweren Lautsprecher weitgehend vom Boden entkoppelt, gleichzeitig alle anderen Untersetzer überflüssig macht. Was für ein Gewinn für den Anwender!
Da ich die Produktinformationen noch nicht gelesen hatte, wartete gleich beim Aufstellen die erste Überraschung auf mich: eine mit einem samtigen Stoff bezogene Bodenplatte, keine Spikes oder sonstigen Füße. Die Box lässt sich auf dieser Basis wunderbar leicht in die gewünschte Position oder auch mal aus dem Weg schieben. Selten ging eine saubere Positionierung so leicht von der Hand.
Die ersten Töne – es lief Bruckners Achte Sinfonie mit Lorin Maazel und den Berliner Philharmonikern – überforderten meinen Raum gänzlich. Es dröhnte und wummerte, dass es schon längst keine Freude mehr war. Ich erinnerte mich an die Anpassung und ging bei der Konfiguration auf Nummer sicher: Schalter auf „Minus“, Schaumstoffstopfen in die nach hinten gerichteten Bassreflexöffnungen. Neuer Versuch. Eine völlig andere Welt! Jetzt schon fast etwas zu schlank, dafür bis ans letzte Streicherpult exemplarisch durchhörbar. Was war passiert? Wie kann diese simple Änderung eine so extreme Wirkung zeitigen? Um das zu klären, holte ich mein Messequipment aus dem Studio, baute es im Wohnzimmer auf und versuchte nachzuvollziehen, was die einzelnen Maßnahmen bringen.
Jedes Zimmer reagiert auf Anregung durch Lautsprecher anders, daher sind meine Erkenntnisse nur ein Snapshot, der hier und jetzt gilt. Man kann sie nicht auf den Punkt auf jede andere Situation übertragen, allerdings sieht man schon recht deutlich, wohin die Reise geht. Der Unterschied zwischen den Schalterstellungen „Plus“ und „Minus“ bewirkt zwischen circa 40 und 160 Hertz eine recht breitbandige Änderung, deren Zentrum bei ungefähr 90 Hertz satte fünf Dezibel beträgt. Das ist mehr als nur leicht hörbar. Der Schaustoffzylinder, mit dem man die Bassreflexöffnung verschließen kann, nimmt, wenn er vollständig in der Öffnung sitzt, im sehr ähnlichen Bereich knappe zehn Dezibel weg. Kombiniert und gerundet kann man also sagen, dass man mit Schalter und Stopfen in Schritten von fünf Dezibel anpassen kann. Da der Stopfen aber auch stufenlos verschoben werden kann, sind die Möglichkeiten fast unerschöpflich.
Hier laufen die B38 jetzt in Stellung „Minus“ mit nur leicht eingeschobenem Schaumstoff. Für meinen Raum scheint das die ideale Mischung darzustellen. Also geht es nun an das „richtige“ Hören, natürlich mit anderer Musik, um ein freies Ohr zu bekommen. Béla Bartóks Konzert für Orchester dreht sich auf dem Plattenteller (Sir Georg Solti, Chicago Symphony Orchestra, Decca). Einige Dinge fallen sofort auf: Die B38 klingt verbindlicher als die früheren Modelle, mit denen ich das Vergnügen hatte. Auch sie fühlt sich Dieter Burmesters Idealen von direkter Ansprache und Liveatmosphäre verpflichtet, bettet diese Tugenden allerdings in einen etwas „milderen“ Gesamtklang. Vielleicht könnte man sagen, dass Liveklang ohne PA-Attitüde geliefert wird. Das Klangbild ist zudem über alle Register hinweg enorm stabil. Das ist ein Terminus, der musikalisch erst einmal nicht viel sagt. Ich bin mir aber sicher, dass Sie alle wissen, was ich damit meine. Die fanfarenartigen Einsätze von Blechbläsern und Pauken im ersten Satz stehen völlig selbstverständlich im Raum. Nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe sauber und glaubhaft aufgebaut. Keine Pegeländerung lässt dieses Bild auch nur im Mindesten schwanken. Jeder kleine Einwurf der Streicher bekommt Raum und Farbe – egal was in den lauteren Gruppen des Orchesters gerade passiert.
Zudem ist der Sweetspot der B38 erfreulich groß. Die Pegeländerung (das habe ich nicht gemessen) kann bei einer Änderung von 20 bis 30 Grad nicht mehr als höchstens drei bis vier Dezibel betragen, denn auch auf dem Sofa neben dem ideal stehenden Sessel hört man vollständig und sauber.
Bei Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk (Mstislaw Rostropowitsch, LPO, EMI, über Tidal), einer viel zu selten gespielten Oper, die ich Ihnen nicht genug ans Herz legen kann, beeindrucken die B38 mit einer enormen Fähigkeit zur Differenzierung im Grundtonbereich. Lautsprecher, die in diesem Maße dynamisch und klangfarblich auch in tiefen Frequenzen auffächern können, habe ich wirklich noch nicht oft gehört. Die hier so oft spielende Kombination von Kontrabässen, Celli, Bassklarinette und großer Trommel lässt sich mühelos entwirren. Wo man sonst nur tiefes Gemurmel hört, serviert die Burmester fein differenzierte Charaktere. Chapeau.
Solide wie ein Fels, so steht die B38 im musikalischen Geschehen. Dabei gibt sie dem Klang Raum und blockiert ihn nicht, wie es großen Boxen leicht einmal passiert. Die anwenderfreundlichen Punkte Basis und Einstellbarkeit vervollständigen ein attraktives Paket, das man trotz seines Preises wirklich empfehlen kann.
Wir meinen
Ausgewogener und dennoch involvierender Klang, dazu eine überragende Usability. Burmester zeigt mit der B38, wie man seinen Kunden wirklich etwas bietet.
Info
Lautsprecher Burmester B38
Konzept: 3-Wege-Standlautsprecher, Bassreflex
Bestückung: neu entwickelter Air-Motion-Transformer, 17-cm-Mitteltöner (Glasfasermembran), 32-cm-Tieftöner (Papier-Verbundmembran) in Side-Firing-Anordnung
Terminal: Single-Wire für Banana und Gabelschuhe, Bi-Amping-Terminal optional erhältlich
Besonderheiten: 4 Möglichkeiten für Anpassung der Basswiedergabe an die jeweilige Wohnraumakustik, computerberechnetes Feder-Masse-Dämpfungssystem zur Entkopplung des Lautsprechers vom Boden
Empfindlichkeit: 86 dB
Impedanz: 4 Ω
Übernahmefrequenzen 150 Hz/2400 Hz
Übertragungsbereich 37 Hz bis 30 000 Hz
Ausführungen: Schwarz matt, Weiß matt, Amerikanischer Nussbaum, Mittelgrau
Gewicht: 51,5 kg
Maße (B/H/T): 21/117/46 cm
Garantiezeit: 2 Jahre (5 Jahre nach Registrierung)
Preis: um 18 800 €
Kontakt
Burmester Home Audio GmbH
Wilhelm-Kabus-Straße 47
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Telefon +49 30 7879680