Synthesis A40 Virtus – Von wegen kleiner Italiener …
In Conny Froboess’ Sommerhit von 1962 wird die Mär vom „kleinen Italiener“ besungen. Der Synthesis A40 Virtus kommt zwar auch aus Italien, steht aber eher wie ein riesiger Fels in der Brandung. Und das nicht nur mit seinen gut 35 Kilogramm Gewicht.
„Wir haben da ’nen kleinen Röhren-Amp“, wurde mir der Synthesis von unserem Chefredakteur schmackhaft gemacht. Klar, dachte ich. Röhre und klein dazu – müsste für mich passen. Doch dann rollte ein üppiger Speditionslaster vor meine Haustür. Zwei kräftige Männer hievten eine Europalette auf den mitgeführten Hubwagen und ließen die Ladung grinsend vor dem staunenden Empfänger ab. Kurz schauten mich die beiden flehend an, ob ich für diesen Kraftakt vielleicht etwas Trinkgeld springen lassen könnte. Da war er nun: Der „kleine“ Italiener!
Alles etwas größer
Die schönen Synthesis-Produkte hatte ich schon häufig auf Bildern im Netz bestaunt. Für mich als Röhren-Freak zählt da auch das Design. Und diese Verstärker haben eben das gewisse Etwas, ohne das die Technik einfach nur langweilig daherkäme. Den Testprobanden könnte ich mir ohne weiteres im Ambiente von Kapitän Nemos „Nautilus“ vorstellen. Besonders die nach vorn gerundete Röhrenabdeckung über der fein geschwungenen Front mit dem riesigen Lautstärkeregler präsentiert sich nostalgisch, aber immer noch modern genug, dass der Synthesis auch Mitte des 19. Jahrhunderts schon als futuristisch gegolten hätte. Zwar ist das gut so und sicher auch irgendwie EU-konform – Röhren muss man heutzutage immer schön abdecken. Aber seine wahre Schönheit offenbart der Synthesis erst, nachdem man die vier kleinen Schrauben samt Abdeckung entfernt hat und damit den unverschleierten Blick auf das Ensemble freigibt. Man will die Glaskolben ja auch glühen sehen.
Beim A40 sind das vor allem vier bauchige KT66-Endstufenröhren, die mir als Gitarristen sofort bekannt vorkommen. Diese Röhren waren auch in den ersten Marshall-Verstärkern verbaut, die durch Legenden wie Jimi Hendrix oder Eric Clapton berühmt wurden. Das „KT“ steht für „Kinkless Tetrode“, ein von Osram Marconi schon in den dreißiger Jahren entwickeltes Äquivalent zur Beam Power 6L6. Sie ist robuster und natürlich größer als eine herkömmliche 6L6-Röhre. Das Attribut „kinkless“ gibt Rückschluss auf ihre Klangeigenschaften, die eine typische Überhöhung im Mittelhochtonbereich (der „Kink“ eben …) erfreulicherweise vermissen lassen und daher weicher, natürlicher und linearer klingen. Beliebt ist diese Röhre auch aufgrund ihres wuchtigen Grundtons.
Davor, halb versenkt, befinden sich die beiden Vorstufenpaare. Auch hier fällt eine Besonderheit auf. Während als erste Stufe pro Kanal ganz standardmäßig eine ECC83 eingesetzt wurde, entschieden sich die Entwickler bei der Treiberstufe für die deutlich größere 12BH7 – ein stromhungriger, aber klanglich durchaus veredelter Ersatz für die sonst häufig verwendete 12AU7. Das sieht schon sehr gut aus.
Die mächtigen Trafos stammen ebenfalls aus hauseigener Entwicklung. Bausteine, auf denen das Unternehmen sogar einst begründet wurde. Synthesis beliefert auch, wen würde es wundern, Hersteller von Gitarrenverstärkern mit diesen Kraftpaketen. Die 35 Kilogramm Gesamtgewicht zeugen von den verschwenderisch üppigen Eisenkernen dieser Trafos ebenso wie das aus vollen Alublöcken gefräste Chassis, und nur so sitzen diese auch wirklich stabil und schwingungsfrei. Man steht hier nun wirklich mal vor einem echten Boliden, den man aus eigener Kraft kaum noch aufs HiFi-Rack heben kann … Der Rest ist schnell erklärt. Im Hinterteil liegen sämtliche Anschlüsse; neben den vier trotz unterschiedlicher Bezeichnung identischen Aux-Eingängen auch USB- und S/PDIF-Schnittstellen, hinter denen zwei WM8740-Dual-Mono-Wandler arbeiten. Die digitalen Zugänge verarbeiten Signale mit maximal 24 Bit und 192 Kilohertz.
Ein Charakterkopf
Jedes Mal, wenn ein Röhrenverstärker im Hörraum steht, beginnt mit Sicherheit irgendein vielleicht zufällig beim Hörtest anwesender Besucher die Diskussion über Sinn und Unsinn dieser längst tot geglaubten Technologie. Und selbst wenn das ausbleibt, scheiden sich die Gemüter bei der Vorliebe für bestimmte Endstufenbestückungen oder breiten das unter Röhrenliebhabern offenbar unerschütterliche Manifest der klanglichen Überlegenheit von Single-ended-Class-A-Schöngeistern aus. Unsinn, sage ich dann. Jedem das Seine!
Der A40 hat eben auch eine sehr gut definierte Zielgruppe. Und um diese zu beschreiben, sitze ich schließlich hier und beschäftige mich mit dem Charakter solcher Produkte. „Röhre“, das muss nicht nur Begeisterung für vermeintlich weichen oder künstlich aufgeblähten Klanggenuss heißen. Selbst die Beatles oder Miles Davis haben einst ihre Aufnahmen über Röhrenverstärker abgehört. Auch hier haben wir wie bei allen anderen Produkten die Qual der Wahl und brauchen natürlich gemäß persönlichen Vorlieben und Wohnverhältnissen den möglichst perfekten Zuschnitt.
Der A40 überzeugt im Hörraum zunächst durch seine enorme Kraft. Das mächtige Äußere offenbart sich ebenso im Klang. Auch tönt alles größer, wuchtiger und massiver als bei einem Halbleiter-betriebenen Mitbewerber mit gleicher Leistungsangabe. Und genau das macht ihn zum idealen Spielpartner etwa für mittelgroße Standboxen, die sich an einem Class-A-Pendant mit vielleicht zweimal 8 Watt kaum rühren würden. Die D/A-Wandler deuten ganz klar auf die heutzutage weit verbreitete Speisung aus dem PC oder Tablet. Doch ganz so einfach ist das auch nicht – einen kleinen Exkurs zum Charakter der Röhrentechnik muss man da schon über sich ergehen lassen. Gleichgültig, welche Vorteile man dem Röhrenklang zusprechen mag, in der Summe können Vollverstärker wie dieser auch zickig sein.
Frisch ausgepackt klang der A40 bei mir alles andere als verführerisch. Ganz im Gegenteil! Das Klangbild wirkte zunächst nicht ausbalanciert, lückenhaft und kaum musikalisch. Da ich aber weiß, dass solche Verstärker Zeit brauchen, ehe sie ihren Charakter auch ausbreiten dürfen, war das für mich keine Überraschung. Als Kunde solcher Produkte muss man Geduld mitbringen. Nach ein paar Stunden Aufwärmung fängt der Bolide an, wie von einem unsichtbaren Algorithmus gesteuert die „Übertragungsereignisse“ in harmonische Ordnung zu bringen. Und nach ein paar Tagen erst präsentiert er wie bei einem verspäteten Abgang eines Edel-Rotweins seine volle Güte. Es scheint fast, als müsse er sich an die jeweils neue Umgebung gewöhnen.
Außerdem mögen Röhrenverstärker sauberen Strom. Daher sollte man vermeiden, ihn an der Steckerleiste mit Schaltnetzteilen zu betreiben. Ich vertraue hier stets auf den Feldmann-Netzsymmetrierer oder gleich auf ein Labornetzteil, das dem Verstärker praktisch Batteriestrom liefert. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entwickelt sich mit dem A40 mit der Zeit unweigerlich eine Freundschaft, die sich durch nichts mehr erschüttern lässt. Dann ist es sogar schwer, ein „falsches“ Kabel zu finden, unnötig, tagelang Lautsprecher zu positionieren oder die vier Stücke zu finden, mit denen dieser Verstärker wirklich gut klingt. Das Einzige, was praktisch jeder Röhrenverstärker bestraft, sind diese meist künstlich auf laut und mehr Höhen geregelten Remasterings berühmter Lieblingsaufnahmen. Zu viel Input am Eingang gefällt den meisten Vorstufenröhren gar nicht. Aber dazu später mehr.
Geachtet dieser Voraussetzungen hält es der A40 mit Rock’n’Roll genauso gut wie mit Kammermusik. Auch die Wandler machen einen ausgezeichneten Job. Seine Stärken liegen in der hohen Dynamik, den unglaublich kontrolliert aufspielenden Bässen und der überraschenden Genauigkeit im Hochton. Viele Röhrenverstärker komprimieren oder verzerren im Vergleich viel zu früh. Dem A40 scheint das egal. Ist er einmal eingespielt, malt er jedwede Musik so farbenfroh in den Raum wie einst das alte Röhrenradio im Wohnzimmer meiner Familie. Nur kann er das viel, viel lauter, ohne dabei seine Balance zu verlieren. Im Einzimmerapartment braucht man das vielleicht nicht. Aber wer freistehend wohnt und gerne auch mal die Party rockt, der kann hier seine Erfüllung finden. Und wem das nicht genügt: Mit dem A100 bietet die Virtus-Serie sogar noch eine Version mit doppelter Leistung.
Feinarbeit bei Synthesis
Wie eingangs erwähnt, bieten die frei zugänglichen Vorstufenröhren für den Liebhaber auch einige Möglichkeiten, mit dem Klangcharakter des A40 zu experimentieren. Wer moderne und daher meist überlaute Masterings bevorzugt, sollte den Austausch der beiden ECC83 gegen ECC81 probieren. Hierbei wird der Eingangspegel meist so weit entschärft, dass man auch ruhig wieder laut drehen darf, ohne dass die Röhren damit überfordert scheinen. Außerdem bietet dieser Röhrentyp meiner Meinung nach noch etwas mehr Trennschärfe und Auflösung. Und wer weiter tunen möchte, kauft sich beim Röhrenhändler dafür gleich gute alte New-Old-Stock-Ware etwa von Telefunken, Siemens oder Philips. Dadurch werden nun wirklich sämtliche möglichen Ecken und Kanten verrundet.
Der A40 eignet sich perfekt für Röhrenliebhaber, die auch gerne mal aufdrehen. Zu seinen Lieblingsdiziplinen gehören Rock’n’Roll genauso wie livehaftige Darstellung von Kammermusik oder die Beschallung der nächsten Techno-Party. Und all das ist für einen Röhrenverstärker schon ziemlich viel. Angesichts der makellosen „Heavy duty“-Verarbeitung geht auch der Preis voll in Ordnung!
Wir meinen
Ein rundum solider Röhren-Vollverstärker, dem die Musik und der bevorzugte Abhörpegel völlig egal sind. Kurzum: ein traumhafter Allrounder.
Info
Vollverstärker Synthesis A40 Virtus
Konzept: intergrierter Röhren-Vollverstärker mit DAC-Einheit
Röhrenbestückung: 4 x KT66 (Endstufenröhren), 2 x ECC83 (Doppeltrioden), 2 x 12BH7 (Treiber)
Eingänge analog: 4 x Aux (Cinch)
Eingänge digital: DAC-Eingänge für USB-B (24/192), S/PDIF elektrisch (24/192)
Ausgänge: Single-Wire (Banana, Gabelschuhe)
Eingangsimpedanz: 50 kΩ
Eingangsempfindlichkeit: 150 mV
Ausgangsleistung (4 bis 8 Ω): 2 x 40 W Class A/B
Zubehör: Fernbedienung
Maße (B/H/T): 41/23/50 cm
Gewicht: 35 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: um 4990 €
Kontakt
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