WBT / Wolfgang B. Thörner – Revolution der Missachteten
Das schwächste Glied der Kette ist die Steckverbindung. In einer Stereoanlage liegt der Schwarze Peter damit beim gemeinen Cinchstecker. Vor WBT wurde er meist nicht beachtet.
Nicht selten werden Unzulänglichkeiten, die ohne Weiteres beseitigt werden könnten, klaglos hingenommen oder verdrängt, weil sie unabänderlich erscheinen. Manchmal bedarf es zu ihrer Überwindung aber nur einer auf geniale Weise einfachen Idee. Als der Technik- und Musik-Fan Wolfgang B. Thörner sich die Freude an seiner HiFi-Anlage nicht länger durch ungenormte Cinchstecker verderben lassen wollte, erkannte er schnell, dass bei der Lösung des Problems nicht komplexe Wissenschaft, sondern schlichte Präzisionsmechanik gefragt war.
Letztlich war wohl sein Vater schuld daran, dass Wolfgang Bernhard Thörner 1985 die Firma WBT aus der Taufe hob. Hätte der leidenschaftliche Bastler seinem Sohn nicht sein Faible für technische Details vererbt, wäre dieser trotz seiner Liebe zur Musik womöglich nie auf die Idee gekommen, sich eines Tages näher mit den Steckverbindungen von HiFi-Komponenten zu beschäftigen. Während der Vater seine Passion mit einer Modelleisenbahn auslebte, begeisterte sich der Sohn schon früh für elektronische Geräte und befasste sich als Schüler mit dem Bau von Lautsprechern und Verstärkern. Nach der Beendigung der Realschule in einem Lippstädter Internat entschied er sich dann allerdings zunächst für einen Beruf in einem anderen Metier: In seiner Heimatstadt Osnabrück machte er beim Fahrzeugteile- und Befestigungstechnikhersteller Gebr. Titgemeyer eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann und trat 1965 eine Stelle beim Automobil- und Karosseriebauunternehmen Karmann an, das damals das VW-Modell Karmann-Ghia sowie Käfer-Cabrios herstellte. Dort brachte er es vom Einkaufsdisponenten und technischen Verkäufer bis zum Assistenten des Einkaufsdirektors. Nach fünf Jahren Berufstätigkeit konnte er bei der IHK die Prüfung zum Industriekaufmann ablegen, ohne dafür noch einmal eine dreijährige Lehre durchlaufen zu müssen. Trotz dieser zusätzlichen Qualifikation musste er dann aber feststellen, dass seine weiteren Karriereaussichten ohne höheren Bildungsabschluss sehr begrenzt waren. So entschloss sich Thörner, nach über zehn Jahren im Berufsleben mit Mitte zwanzig noch einmal die Schulbank zu drücken und das Fachabitur an der Volkshochschule nachzuholen. Parallel dazu besuchte er Aufbauseminare an den Berufsbildenden Schulen der Stadt Osnabrück am Pottgraben und absolvierte anschließend ein Fachhochschulstudium in Betriebswirtschaft. Nach dem Abschluss 1975 kehrte er zunächst zu Karmann zurück, bevor er 1983 ein Studium der Psychologie an der Ruhruniversität Bochum aufnahm. Wolfgang Thörner verband damit die vage Vorstellung, Strategien zu entwickeln, die den mitunter belastenden zwischenmenschlichen Umgang in der Industriearbeitswelt verbessern könnten. Auch wenn sich diese Idee letztlich als Illusion herausstellte und er das Studium zugunsten der Gründung seiner Firma bereits nach drei Semestern vorzeitig beendete, sollten sich einige der dabei gewonnenen Erkenntnisse später, als es darum ging, seine Produkte zu vermarkten, gleichwohl als nützlich erweisen.
In all den Jahren hatte Thörner seine Freizeit hauptsächlich seiner Musiksammlung gewidmet und wann immer es ihm möglich war und nötig erschien, neue HiFi-Komponenten ergänzt. Bereits mit Mitte zwanzig war er stolzer Besitzer einer High-End-Anlage aus einem Michell-Transrotor-Plattenspieler, einem Tandberg-Receiver, einem Röhrenverstärker von Braun und einem Lautsprecherpaar Acoustic Research AR-3a. Während seine Elektronikkomponenten in den folgenden Jahren immer besser wurden, änderte sich allerdings nichts an der mangelhaften Qualität ihrer Steckverbindungen. Die ungleichmäßige Verarbeitung insbesondere der Cinchstecker und -buchsen, bei denen es sich seinerzeit unabhängig von der Marke fast ausnahmslos um Billigfabrikate aus Asien handelte, führte immer wieder zu Störungen der Signalübertragung bis hin zu kompletten Tonausfällen. War ihm dies anfangs noch als zwar lästiges, aber hinnehmbares Übel erschienen, kam ihm mit jeder technischen Verbesserung seiner Stereoanlage stärker zu Bewusstsein, welch bedeutenden Einfluss die Steckverbinder als schwächstes Glied der Kette auf die Musikwiedergabe hatten. Nachdem sein Leidensdruck um das Jahr 1980 herum ein kritisches Maß erreicht hatte, fasste Wolfgang Thörner den Entschluss, sich der Sache selbst anzunehmen. Er rief frühere Kollegen bei Karmann an und erkundigte sich nach der Adresse einer Dreherei, die in der Lage wäre, hochwertige Steckverbinder herzustellen. Als diese ihn allerdings nach den genauen Durchmessern von Plus- und Minuspolen fragte, blieb ihm mangels offizieller Normen nichts anderes übrig, als bewaffnet mit einer Schieblehre durch verschiedene HiFi-Geschäfte zu ziehen und die Steckverbindungen möglichst vieler dort ausgestellter Geräte zu vermessen. Dabei zeigte sich, dass die Außendurchmesser der den Pluspol enthaltenden Mittelstifte von RCA-Steckern von 3,05 bis 3,45 Millimeter variierten, während die Durchmesser der den Minuspol enthaltenden Außenkontakte der Buchsen zwischen 7,95 und 8,55 Millimetern lagen. Die logische Konsequenz aus diesen Ergebnissen hätte eigentlich darin bestehen müssen, die Cinchverbindung durch ein neues, präzise genormtes Steckerformat zu ersetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass über 98 Prozent aller Audiogeräte über RCA-Steckverbinder verfügen, musste die Durchsetzung eines neuen Standards ein Gedankenspiel bleiben. Statt eine alternative Lösung zu ersinnen, galt es daher, eine Möglichkeit zu finden, die Schwachstellen der Cinchverbindung zu neutralisieren. Schließlich kam Wolfgang Thörner der Einfall, den Außenkontakt des Steckers nach dem Vorbild des Futters einer Bohrmaschine mit einem Spannzangenmechanismus zu versehen, durch den sich der Stecker individuell auf die verschiedenen Außendurchmesser der Buchsen einstellen ließ. In weniger als drei Monaten war der Prototyp seines Steckers WBT-0100 fertiggestellt. Nach der Anmeldung des Patents stellte sich für ihn zunächst die Frage, ob er seine Idee verkaufen oder selbst vermarkten sollte. Die begeisterten Reaktionen verschiedener HiFi-Händler, denen er seine Erfindung präsentierte, überzeugten ihn aber schnell davon, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Da er seine gesamten Ersparnisse für die Entwicklung des Prototyps aufgebraucht hatte, musste er zunächst einen Kreditgeber finden. Wie es der Zufall wollte, war die Sparkasse Essen just zu dieser Zeit auf der Suche nach Investitionsobjekten für ihre neu gegründete Beteiligungsgesellschaft und stellte Wolfgang Thörner ein Startkapital von 500 000 D-Mark zur Verfügung, mit dem er seine Firma WBT ins Leben rufen und in Essen mit der Produktion seiner Stecker beginnen konnte.
In der Folge konnten sich Thörners Steckverbinder rasch am Markt etablieren und erlangten internationale Bekanntheit, sodass das junge Unternehmen bald Bestellungen aus der ganzen Welt erhielt. Heute liegt der Anteil der Exporte, die inzwischen in 42 Länder vor allem in Europa, den USA, Kanada, Asien und Ozeanien gehen, bei über 80 Prozent. Neben dem Fachhandelsverkauf gewann das OEM-Geschäft, das heute 60 Prozent des Umsatzes ausmacht, schnell an Bedeutung. Der große Erfolg von WBT rief allerdings schon bald wenig zimperliche Konkurrenten auf den Plan, die deutlich billigere, vor allem in China, Taiwan und Singapur hergestellte Plagiate vertrieben und dem Unternehmen das Leben schwermachten. Da es bis heute kein Rechtshilfeabkommen zwischen Deutschland und China gibt, ist die Durchsetzung der Patentrechte in solchen Fällen gemäß Wolfgang Thörner nach wie vor sehr schwierig, zumal mittlerweile alle Arten von Produkten einfach im Internet bestellt werden können. „Die bekannten Versandplattformen reagieren zwar schnell auf Meldungen von Rechteinhabern und sperren die betreffenden Anbieter“, erklärt Thörner, „aber genauso rasch setzen diese ihre illegale Verkaufspraxis kurzerhand unter neuem Namen fort.“ Die einzige Möglichkeit, sich trotz solch unlauterer Methoden am Markt zu behaupten, bestehe laut dem Firmengründer darin, seine Produkte stetig weiterzuentwickeln.
Im Rahmen ihrer Forschungen zur weiteren Verbesserung von Cinch- und Lautsprecherverbindern fanden Thörner und seine Mitarbeiter heraus, dass die massiven Metallverbindungselemente der zunächst von WBT angebotenen Classic-Serie bei all ihrer Solidität auch Nachteile hatten: Ähnlich einem Kondensator verhalten sich die Metallmassen wie elektrische Zwischenspeicher und wirken sich dadurch negativ auf die Dynamik des Signals aus. Neben diesem „Massespeichereffekt“ haben nach den Erkenntnissen von WBT auch Wirbelströme einen bedeutenderen Einfluss auf das Signal, als früher angenommen wurde. Durch das von ihnen induzierte Magnetfeld, das dem umgebenden Magnetfeld entgegenwirkt, kommt es bei hohen Signalfrequenzen zum sogenannten Skin-Effekt, einer Erhöhung des Widerstands im Innern des Leiters und damit einer Verlagerung des Stromdurchflusses in seine äußeren Bereiche. Die Folge sind laut Thörner nichtlineare Signalverzerrungen, die nicht korrigierbar sind. Um solche Effekte zu minimieren, entwickelte WBT Anfang der 2000er Jahre mit großem finanziellem Aufwand die nextgen-Serie. Statt aus massivem Messing gedrehter Steckverbinder kommen hier Signalleiter aus reinem Kupfer oder Feinsilber zum Einsatz, die durch eine spezielle Kunststoffummantelung stabilisiert werden. Auf diese Weise wird nicht nur die Leitfähigkeit deutlich erhöht, sondern auch die Metallmasse um etwa 90 Prozent verringert, was nach Angaben des Herstellers die Substanz sowie die Räumlichkeit des Klangbildes infolge des geringeren Massespeichereffekts merklich erhöht. Die weitgehende Eliminierung von Wirbelströmen führe darüber hinaus zu einem klareren Signal. Laut Thörner ist der messtechnische Nachweis der elektromagnetischen Phänomene bislang zwar noch schwierig, im Blindverfahren durchgeführte Hörtests ließen jedoch keinen Zweifel an den klanglichen Verbesserungen. Außer Cinchsteckern und -buchsen umfasst das Sortiment von WBT Bananenstecker, Kabelschuhe und Polklemmen. Dank eines Wellenwiderstands von 75 Ohm bieten die Steckverbinder und Buchsen die Möglichkeit der Übertragung breitbandiger analoger und digitaler Signale von bis zu einem Gigahertz. Abgesehen von den qualitativen Vorteilen ist die Produktion der nextgen-Serie durch die Einsparung von wertvollem Kupfer und Zink sogar ressourcenschonender und mit weniger Emissionen verbunden, zwei Punkte, die neben der Digitalisierung mit dem Ziel einer Smart Factory mit sich selbst organisierenden Fertigungsanlagen und Logistiksystemen für WBT von großer Bedeutung sind.
Derzeit erfolgt die Fertigung der WBT-Produkte zu 50 Prozent im Essener Werk. Das heute über 17 Mitarbeiter verfügende Unternehmen besitzt neben der Montagehalle eine eigene Kunststoffspritzerei. Die Drehteile werden aus dem Schwarzwald bezogen, wo dieses Handwerk eine lange Tradition hat. Auch die Herstellung der Stanzbiegeteile übernimmt ein Zulieferer aus Deutschland. In den nächsten Jahren plant WBT weitere Verbesserungen der nextgen-Serie, für die Wolfgang Thörner noch viel Entwicklungspotenzial sieht. Auf ihrer Basis will das Unternehmen einen Flächenleiter entwickeln, um Mikrovibrationen zu minimieren, die sich negativ auf den Klang auswirken können. Nähere Details dazu möchte der Konstrukteur zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht preisgeben – es werde sich aber wieder einmal zeigen, „dass mitunter weniger mehr“ sein könne.
Privat ist Wolfgang B. Thörner ein großer Freund der italienischen Oper, schätzt aber auch Rock- und Popmusik und zählt zu seinen Lieblingssängerinnen und -sängern neben Anna Netrebko und Luciano Pavarotti neuerdings auch Adele. Als der Entwickler vor über 32 Jahren beschloss, sich seinen Musikgenuss nicht länger durch die Unzulänglichkeiten von Steckverbindungen beeinträchtigen zu lassen, konnte er nicht ahnen, dass er damit eine Revolution anstoßen würde. Während viele High-End-Hersteller ihre Geräte heute standardmäßig mit Buchsen und Steckern von WBT ausliefern, sind auch die Konkurrenzprodukte insgesamt von merklich höherer Qualität als damals. Die Lorbeeren dafür, der dunklen Seite der Anlage überhaupt Beachtung zu schenken, gebühren zu Recht Wolfgang B. Thörner, kurz WBT.
Leise oder laut?
Laut.
Analog oder digital?
Analog.
Röhre oder Transistor?
Röhre (aber auch gute Transistorverstärker).
Schallplatte oder Download?
Schallplatte (oder gute CD). Lieber gut gemachtes analoges Medium als mäßig gemachtes digitales.
Waldlauf oder Fitnessstudio?
Walking.
Trend oder Tradition?
Tradition.
Tee oder Kaffee?
Meistens Kaffee.
Salat oder Steak?
Steak.
Wein oder Bier?
Bier.
Berge oder Meer?
Berge.
Buch oder Bildschirm?
Buch.
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Opernhaus.
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Beatles.
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Standby oder Stecker ziehen?
Standby.
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