Waversa Wslim LITE – Flach und fein
Von Waversa aus Südkorea: ein Statement in Sachen Miniaturisierung, und doch ein vollwertiger Receiver
Der Waversa Wslim LITE ist ein Roon-zertifizierter Streaming-Receiver in einem aus dem Vollen gefrästen Aluminiumgehäuse, das problemlos als schicke Dockingstation für Macbooks durchginge. Apple-Gründer Steve Jobs hätte seine Freude daran gehabt, das nur 1700 Gramm wiegende Teilchen bei einem seiner Auftritte aus einem braunen Papierkuvert hervorzuzaubern: “Oh, one more thing…” – das Publikum wäre ausgeflippt.
Nun kommt der Waversa Wslim LITE aber nicht aus Kalifornien, sondern aus Südkorea. Der Name des Herstellers verbindet die englischen Begriffe „wave“ und „versatile“ und ist demzufolge auch so auszusprechen: [weivörsa]. Die Produktpalette des erst 2012 gegründeten Unternehmens ist hochinteressant. Sie beginnt mit kompakten Streamingkomponenten, mischt mit steigendem Preisniveau Phonoentzerrer und Geräte mit Röhrenbestückung dazu und endet mit einer hemmungslos luxuriösen Top-Serie aus DAC, Streamer, Phonoentzerrer, Line-Vorverstärker und Endstufen auf Röhrenbasis − Letztere sogar bestückt mit den legendären 300B-Trioden.
Spätestens jetzt dürfte klar sein: Waversa ist nicht irgendein ambitioniertes Start-up. Der Gründer und Kopf des Unternehmens ist ein koreanischer Top-Entwickler, dessen Auftraggeber unter den Elektronikgiganten des Landes, in der Medizin- und, ja, auch der Militärindustrie zu finden sind. HiFi ist sein Hobby, und 2012 hat er offensichtlich beschlossen, seine technischen Möglichkeiten auch mal zum puren Vergnügen zu nutzen und nebenbei ein wenig die Audio-Szene aufzumischen.
Zum Beispiel mit dem Wslim LITE. Der darf sich insofern Receiver nennen, als sich auf dem Platinchen, das kaum die Hälfte des 20 Millimeter flachen Gehäuses füllt, eine Verstärkersektion und ein UKW-Tuner finden. Genauso, wie man es kannte in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, als Receiver das praktische, weil vollintegrierte Zentrum so vieler HiFi-Anlagen bildeten. Aber dann sind da die digitalen Schnittstellen. Ein Netzwerkanschluss. Eine Bluetooth-Antenne. Und so viele Akronyme für Schaltungskniffe und proprietäre Algorithmen, dass schnell klar wird: Das ist ein Technologieträger. Ein Wolf im Aluminium-Schafspelz. Ein trojanisches, pardon, koreanisches Pferd.
Das Herz des Wslim LITE ist der Verstärker. Um in der Alu-Flunder zweimal 40 Watt an vier Ohm zu generieren, griff man auf integrierte Chip-Amps von Realtek zurück, deren Class-D-Endstufen trickreich verschaltet werden. Waversa nennt das Ganze „PPBTL“ – „Para-Para-Bridge-Tied Load“. Wem hier der vertraute Begriff „Brückenendstufe“ einfällt, der liegt nicht ganz falsch. Im kleinen Waversa arbeiten pro Kanal acht abwechselnd in Phase und invertiert agierende Verstärkereinheiten. Das Besondere: Sie können nach Bedarf zu- und abgeschaltet werden. Über das Bedienmenü lässt sich mit dieser Funktion experimentieren. Ziel ist es, passend zur angeschlossenen Box genau bedarfsgerecht zu verstärken und dadurch immer den optimal verzerrungsarmen Sound zu erreichen. Die Schaltung soll sich durch eine extrem geringe Ausgangsimpedanz, also einen hohen Dämpfungsfaktor auszeichnen und so auch anspruchsvolle Lautsprecher treiben können. Mit üblicher Messtechnik sei das anscheinend reichlich exotische PPBTL kaum zu fassen, berichtet der deutsche Vertrieb und erzählt von sich abschaltenden Laborkomponenten …
Die Endstufe des Wslim LITE wird direkt digital angesteuert, einen D/A-Wandler gibt es nicht. Das analoge Signal, das der integrierte Tuner erzeugt, wird hierfür in feinstes 24 -bit/384-kHz-Format konvertiert. Dafür zeichnet ein FPGA-Baustein verantwortlich, ein von Waversa programmierter Prozessor: der WAP (Waversa Audio Processor).
Die Mission des WAP ist es, alle digitalen Eingangssignale (das Gerät versteht PCM und DSD, der Wandler geht bis 32 bit/768 kHz mit) vor ihrer Einspeisung in die Endstufe in absolute Höchstform zu bringen. PCM-Material wird auf 24 bit/1,5 MHz hochgesampelt. Dann durchläuft der Datenstrom eine meines Wissens einzigartige Signalverarbeitung namens WAP/X. Hier werden dem Musiksignal Oberwellen beigemischt, wie sie bei der Wiedergabe über Röhren-Amps entstehen − also vom Gehör als angenehm empfundene geradzahlige Vielfache der Grundfrequenzen. Waversa will auf diesem Weg erreichen, dass digitale Musik „ergreifend real, plastisch räumlich und natürlich“ klingt. WAP/X lässt sich über das Bedienmenü auch abschalten.
Die Äußerlichkeiten des koreanischen Flachmanns sind kurz und knapp beschrieben. Mittig in der Front und leicht schräg nach oben weisend sitzt ein kleines, klug programmiertes und hervorragend ablesbares Display, das durch die Menüs führt. Rechts daneben bieten sechs Druckknöpfe Zugang zu allen Funktionen. Eine mitgelieferte Apple-Fernbedienung hilft bei der Steuerung vom Sofa aus. Zum Zeitpunkt des Schreibens ist eine umfassende Steuer- und Streaming-App noch in Arbeit. Das, was sich unter dem Namen „Wremote“ im App-Store findet, bietet nicht viel mehr als Zugang zu Firmware-Updates. Auf kurzen Druck auf die Menü-Taste zeigt der Waversa im Display eine Webadresse an, über die am Handy oder Tablet eine Steueroberfläche für die Gerätefunktionen aufgerufen werden kann. Empfohlen wird ansonsten die Bedienung via Roon, genauso funktionieren auch alle dem DLNA-Standard folgenden Apps wie etwa mconnect oder Bubble UPnP.
Die Anschlüsse umfassen USB-A und -B sowie optisches und elektrisches S/PDIF für die Nutzung des Wslim LITE als D/A-Wandler. Streaming ermöglicht eine RJ45-Buchse, außerdem ist eine Stummelantenne für den Empfang von Bluetooth-Signalen (mit aptX) zu finden sowie eine Antennenbuchse für UKW-Empfang (eine Wurfantenne wird mitgeliefert). Auch Zuspiel per AirPlay ist möglich. WLAN fehlt, kann aber via Dongle am USB-A-Anschluss nachgerüstet werden. Dort findet auf Wunsch auch eine USB-Festplatte Anschluss. Das externe Netzteil für die 24-Volt-Versorgung würde, um einen Klassiker des HiFi-Journalismus zu paraphrasieren, auch einem ausgewachsenen Notebook gut zu Gesicht stehen.
Der Waversa Wslim LITE hat eine klangliche Schokoladenseite, und die lautet: Dreidimensionalität. Wie sich die Musik von den Lautsprechern ablöst, wie sie plastisch gestaffelt wird und mit welcher Leichtigkeit und Auffächerung der räumlichen Details das passiert, ist verblüffend. Ich genieße das bei feinsinnigen Klassik- und Jazz-Aufnahmen, aber genauso bei exquisit produzierter elektronischer Kost wie dem Remix-Album Re:ECM des DJs Ricardo Villalobos. Der zweite Track „Recat“ sollte auf Präsentationen des kleinen Waversa Pflichtprogramm sein. Im Bass liegt hier das melodische Geschehen, das der Wslim LITE locker und rhythmisch perfekt sicher auf die Bühne lupft. Darüber hat der Klangtüftler Villalobos eine ungemein kunstvolle Klangbrandung gelegt, die auf einer guten Anlage an den Seitenwänden des Hörraums nach vorne zu schwappen scheint. Absolut beeindruckend, wie sich der Alu-Winzling dieser hochkomplexen Produktion annimmt.
Mit dem kleinen Waversa lässt es sich auch durchaus laut hören. An der Souveränität meiner Rowland-Endstufe kann er nicht kratzen, aber man muss schon deutlich über Zimmerlautstärke gehen, um die Grenzen seiner 40 Watt auszuloten. Immer wieder eine Schau ist das ungemein offene, filigrane und präzise aufgelöste Klangbild und die Lebendigkeit der enorm energieeffizient laufenden PPBTL-Endtufen.
So, und nun das Beste − das kommt ja bekanntlich zum Schluss. Bei Waversa hat man ein eigenes digitales Netzwerk-Übertragungsprotokoll namens „WNDR“ (Waversa Network Direct Rendering) entwickelt. Das soll auf die Bedürfnisse von kontinuierlichem Audiostreaming hin optimiert sein. Alle Streamingkomponenten von Waversa haben WNDR integriert und schalten automatisch in diesen Modus, sobald sie mit einem Familienmitglied verbunden werden. Ich hatte leider nicht die Möglichkeit, diese Betriebsart zu testen, aber der Hersteller verspricht ungeahnte klangliche Fortschritte.
Und jetzt wirklich nur noch „one more thing“: Wenn dieser Artikel erscheint, soll eine Erweiterung namens „Wslim LITE DS“ (für Docking Station) verfügbar sein. Die wird unter anderem analoge Eingänge (Hochpegel, wahlweise symmetrisch, und sogar Phono!) sowie einen Kopfhörerausgang bieten. Ich sagte es ja: ein koreanisches Pferd.
Wir meinen
Eine perfekte Zweitanlage, die unerschrocken Erstanlagen herausfordert. An den Lautsprechern sollte nicht gespart werden, der flache Koreaner hat viel zu bieten.
Info
Netzwerk-Receiver Waversa Wslim LITE
Konzept: Class-D-Vollverstärker mit UKW-Tuner, DAC und Streaming
Eingänge digital: LAN (DLNA, ROON, AirPlay, WNDR), 1 x USB, 1 x S/PDIF elektrisch, 1 x S/PDIF optisch, Bluetooth (aptX), 1 x USB für Datenträger
Eingänge analog: Antenne UKW
Ausgänge: 1 x Lautsprecher (Schraubklemmen)
Ausgangsleistung: 40 W (4 Ω)
Besonderheiten: Apple-Fernbedienung, externes Schaltnetzteil, Upsampling auf 24 bit/1,5 MHz, digitale Korrekturen via Waversa Audio Processor (WAP), eigenes Übertragungsprotokoll WNDR
Ausführungen: Aluminium silber
Maße (B/H/T): 30/22/20 cm
Gewicht: 1,7 kg
Garantiezeit: 3 Jahre
Preis: um 1800 €
Kontakt
ATR – Audio Trade Hifi-Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim a. d. Ruhr
Telefon +49 208 882660
Mitspieler
Musikserver: Innuos Zenith Mk III
D/A-Wandler: Aqua La Voce S3
Vorverstärker: Silvercore linestage two
Endverstärker: Jeff Rowland Model 2
Lautsprecher: Ayon Seagull/c
Kabel: Fadel Art, Sun Audio, TMR, HMS, Phonosophie, ViaBlue
Zubehör: Selbstbau-Rack