Drei Höhepunkte des Stoner-Doom-Sounds – Auf der Spur von Black Sabbath
Große Virtuosen waren sie nicht – aber Meister darin, die Botschaften der Rockmusik auf massive, abgründige, düstere Grooves und Riffs zu reduzieren. Die ersten Alben von Black Sabbath (1970–1972) besaßen eine stilbildende Wirkung.
Am Ende fanden sie wieder zu ihren Anfängen zurück – ausgerechnet mithilfe eines ehemaligen Hip-Hop-Produzenten. “Is this the end of the beginning?”, so begann ihr letztes Album, “or the beginning of the end?” Nach fast 20 Jahren Studiopause klangen Black Sabbath 2013 noch einmal wie zu Beginn um 1970: elementar, fundamentalistisch, reduziert auf felsenharte Gitarrensounds und wenig drumherum. Da waren sie nun alle wieder beisammen: die lavaschweren, lavaträgen Grooves, die phlegmatischen Shuffles, die 30-sekündigen Intros mit anschließendem Tempowechsel, die nackten verminderten Quinten, die verzerrten Gitarrenklänge, die stolpernden Drumbeats, der grummelnde Bass und Ozzys monotone Litanei – und vor allem natürlich die zeitlupenhaften, unabweisbaren, ganz unvirtuosen Riffs von Tony Iommi.
Man hatte das ja fast vergessen. Denn schon um 1975 war der Band dieser sture, pure Groove des Beginns weitgehend verlorengegangen. Black Sabbath begannen damals mit allem Möglichen zu experimentieren, mit Keyboards, Streichern, Bläsern, Chören, anderen Leadsängern. Zunehmend klangen sie wie irgendeine beliebige Hardrock- oder Metalband. Der Sound ihrer Anfänge aber, der machte sich ohne sie selbstständig. Er inspirierte den kalifornischen Stoner-Rock und den Doom-Metal. Über die Jahrzehnte hat sich so manche Band auf Sabbaths früher, blutiger Klangspur bewegt.
Zum Beispiel Tyrant, die sich 1979 in Los Angeles gründeten und sich bald umbenannten in Saint Vitus – nach dem Sabbath-Klassiker „St. Vitus’ Dance“. Bandleader Dave Chandler sagt: „Als Tony nicht mehr mit Ozzy konnte und sich einem Kommerzsound unterwarf, waren Black Sabbath für mich gestorben. Ich wollte dort anknüpfen, wo die richtigen Black Sabbath mit ‚Sabotage‘ aufgehört hatten.“ Saint Vitus gelten bis heute als die prägenden Pioniere eines Sabbath-inspirierten Stoner-Rock-, Doom- und Sludge-Metal-Sounds. Träge, schmucklose Riffs, tief gestimmte Saiten, die lakonische Bassdrum, wiehernde Gitarren-Impros, eine ganz sparsame Sound-Ausstattung. Das Album Born Too Late (SST Records CD 082) von 1986 ist ihr Meisterwerk. Der damals neue Bandsänger Scott Weinrich sagte: „Diese Musik kommt aus dem Bauch. Sie hat diesen tiefen Ton und trifft dich an bestimmten emotionalen Punkten. Sie ist immer ein bisschen düster. Ich mag Musik, die dich bei den Eiern packt.“
Ebenfalls im Stoner-Country Kalifornien gründete sich 1990 die Band Sleep, die nur ganz zu Beginn ein Quartett war. Die verbliebenen drei Musiker haben nie verschwiegen, wovon ihre schleppenden, basstonlastigen, röhrenverstärkten Grooves kreativ vor allem inspiriert wurden: vom Cannabis-Konsum nämlich. Gelegentlich wurden Sleep als „die ultimative Stoner-Rock-Band“ gefeiert. 1993 entstand ihr bestes Album, Sleep’s Holy Mountain (Earache MOSH079CDFDR). Die Rhythmuswechsel, die Zwischenspiele, die hypnotischen Tempi, das scheppernde Schlagzeug und die spartanischen, sonoren Riffs setzen unüberhörbar bei den frühesten Black-Sabbath-Aufnahmen an. Bei „Dragonaut“ klingt gar Sabbaths „N.I.B.“ durch, „The Druid“ lässt einmal an „Electric Funeral“ denken. „Bis heute besitzen die ersten vier Sabbath-Alben eine magische Kraft“, sagt Bandleader Al Cisneros. „In einigen hundert Jahren wird man sie mit Beethoven oder Mozart vergleichen.“ Cisneros’ Leadgesang erinnert dagegen ein wenig an Jim Morrison selig. Mit über 10 Minuten ist der Song „From Beyond“ der längste auf dem Album.
Nicht aus Kalifornien, sondern aus Virginia kommen Freedom Hawk. 2003 gegründet, sind sie Vertreter einer ganz neuen Generation von Sabbath-Jüngern. Denn spiel- und produktionstechnisch geht das Quartett deutlich ambitionierter zu Werk und überschreitet dabei einige Stilgrenzen. Die Basis jedoch bleibt der bewährt düster-doomige Sabbath-Groove: „Als Band sind wir vom 70er-Jahre-Rock beeinflusst und vom 90er-Jahre-Stoner-Rock“, sagt der Bassist Matt Cave. Holding On (Small Stone Records SS-117) von 2011 war ihr drittes und bis dahin stärkstes Album. Der Bandsänger T.R. Morton kommt dabei in Ausdruck und Tonlage dem magischen Ozzy Osbourne ziemlich nahe. Das Performer Magazine beschreibt die Black-Sabbath-Orientierung eines Hawk-Konzerts: „Es geht nicht um Heavy und Growl, sondern um Power-Riffs und seelenvollen Rock in Metal-Verpackung. Der Sound ist mächtig, als würde man versuchen, einen Elefanten in eine Abstellkammer zu zwingen. Wände von Gitarrenriffs werden heftig hinausgestoßen, wachsen und bewegen sich in Wellen und Wogen.“
Saint Vitus, Born Too Late (SST Records CD 082)
Sleep, Sleep’s Holy Mountain (Earache MOSH079CDFDR)
Freedom Hawk, Holding On (Small Stone Records SS-117)