Air Tight ATH-3, ATC-5, ATM-1S – Meisterhafte Reife
Übertrager, Röhren, lackierte Stahlgehäuse und keine Fernbedienung: Air Tight macht vieles anders – und alles richtig.
Zur To-do-Liste vieler Audiophiler gehört auch das: einmal einen der Röhrenverstärker gehört, besser noch besessen zu haben, die aus den Händen jener japanischen Entwicklerpersönlichkeiten kommen, deren Namen hierzulande respektvoll mit einem angehängten „-san“ ausgesprochen werden: Kondo-san, dessen Vollverstärker Ongaku lange Zeit den Titel „Teuerster Integrierter der Welt“ für sich beanspruchen konnte; Shindo-san, dessen grün lackierte Vor- und Endstufen nicht wenigen meiner schreibenden Kollegen als klangliches Normalnull dienen.
In diese Reihe gehört auch Miura-san. Atsushi Miura, Jahrgang 1934, Schwiegersohn des Gründers von Luxman. Er stieg 1956 in den Betrieb seines künftigen Schwiegervaters ein und blieb dort 28 Jahre. Sein Weggang hatte nicht zuletzt mit Luxmans Abwendung von der Röhre hin zum kostengünstigeren Transistor zu tun. Um weiter nach eigenem Gusto feine Röhrenverstärker bauen zu können, gründete Miura 1986 gemeinsam mit einem Partner das Unternehmen A+M Ltd. Der Markenname ihrer Produkte: Air Tight.
Mein Erstkontakt mit seiner Elektronik fällt zusammen mit der Entdeckung von Sonny Rollins’ „I’m an Old Cowhand“ vom Album Way Out West. Ich war sprachlos, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz Schlagzeug, Bass und Saxofon in den Raum projiziert wurden. Das ließ die waschmaschinöse Physis der bei diesem Anlass verwendeten Lautsprecher – die mir damals gänzlich unbekannten Kilimanjaro-Hörner von Wolf von Langa – völlig vergessen. Meine Versuche, das Erlebte in den eigenen vier Wänden zu replizieren, scheiterten kläglich.
Jetzt, Jahre später, dreht sich wieder Way Out West auf meinem dps 3. Vom MC-Generator meines Lyra Kleos erreicht das Musiksignal zunächst Air Tights Übertrager ATH-3. Der wurde vom Übersetzungsverhältnis 1:40, mit dem er serienmäßig ausgeliefert wird, auf 1:20 modifiziert – passend zu den 5,4 Ohm Innenwiderstand des Kleos. Nach diesem Pegel-Push geht es weiter in den ersten der beiden (!) zur Verfügung stehenden MM-Eingänge der Vorstufe ATC-5, die wiederum die Stereo-Endstufe ATM-1S aussteuert, und von dort schließlich in die röhrenfreundlichen Bassreflexboxen Ayon Seagull/c.
Und siehe da: Das einleitende „Hufgeklapper“ des Drummers kommt mit Schmackes und Effekt fast, aber eben nicht ganz aus der rechten Box. Es steckt erstaunlich viel Raum auf der pingpongmäßig abgemischten Platte. Links setzt Sonny Rollins’ Saxofon mit schmirgelfeinem Ton ein. Der Kontrabass erreicht über die Keramik-Tiefmitteltöner bemerkenswerte Kontrolle und Tiefgang. Die Musik lebt und hat eine fantastische Präsenz.
Das Air-Tight-Trio repräsentiert gewissermaßen das Einstiegsangebot der Manufaktur aus Osaka. Trotzdem muss niemand befürchten, sein Budget zu unterfordern: Der MC-Übertrager steht mit 2400 Euro in der Preisliste, die Vorstufe kostet 9900 Euro, und der Endverstärker wechselt für 8500 Euro den Besitzer. Der materielle, konstruktive und klangliche Gegenwert ist den kompakten Geräten nicht auf den ersten Blick anzusehen. Zumindest nicht, wenn das Auge an die leider zum Quasi-Standard gewordenen Allerwelts-CNC-Orgien aus Aluminium gewöhnt ist.
Bei Air Tight baut man ganz nach klassischer Methode aus 1,6 Millimeter dickem Stahl. Die Chassis sind makellos lackiert und immens steif, auch erstaunlich resonanzarm. Alle drei Geräte strahlen Zeitlosigkeit und Qualitätsbewusstsein aus, und ich kann mir allein schon bei ihrem Anblick problemlos vorstellen, mit ihnen alt zu werden.
Die Vorstufe ATC-5 und die Stereo-Endstufe ATM-1S weisen einige kluge, kaum anderswo anzutreffende Ausstattungsmerkmale auf. Da wären etwa die zwei Phonoeingänge des Pres. Der ist mit seiner einen Gutteil des Gehäusevolumens einnehmenden Entzerrerabteilung ohnehin ein auf die anspruchsvolle Vinyl-Fraktion zielendes Gerät. Dort sind Betreiber von mehr als einem Laufwerk bzw. mehr als einem Tonarm gar nicht mal so selten. Es finden aber nicht nur zwei Tonabnehmer Anschluss, das entzerrte Signal wird außerdem an einem mit „Equalizer Out“ beschrifteten Ausgang für externe Weiterverarbeitung bereitgestellt. Der vollausgestattete Preamp lässt sich tatsächlich auf seine Funktion als Phono-Pre reduzieren. Ein Feature, dessen Nutzen sich mir nicht unmittelbar erschließt, einmalig ist es aber allemal.
Die Endstufe verfügt zusätzlich zum üblichen Vorstufeneingang über einen Hochpegel-Input an der Front. Weil direkt daneben zwei kanalgetrennte Pegelregler sitzen, lässt sich die ATM-1S als puristischer Vollverstärker an einem Quellgerät betreiben. Das kann eine sexy Minimal-Kette ergeben – vorausgesetzt der Betreiber findet Freude am parallelen Drehen von zwei Potis.
Die Technik der Air Tights beschreibt ein Begriffspaar perfekt, das sich im Prospekt zur Endstufe findet: „orthodox circuitry“. Miura-san versucht nicht, das Rad neu zu erfinden. Stattdessen vertraut er auf das Potenzial erprobter Schaltungsklassiker. Der Zauber seiner Verstärker entsteht dann aus der Art der Umsetzung und aus den verwendeten Bauteilen.
In der Phonosektion der Vorstufe stecken selektierte 12AX7-Doppeltrioden von Electro Harmonix. Die Entzerrung nach RIAA-Norm besorgt im Tiefton eine passend ausgelegte Gegenkopplungsschleife. Ein Kondensator-Widerstand-Netzwerk übernimmt die Höhenabsenkung. Die Doppeltrioden 12AT7 von JJ Electronic und Electro Harmonix im Hochpegelzweig arbeiten in Kathodenfolgerschaltung. Die zwei Pärchen EL34-Leistungspentoden der Endstufe erzeugen die angegebene Maximalleistung von 2 x 36 Watt (8 Ohm) im Ultralinearbetrieb – hier stand eine Schaltung aus dem britischen Hause Mullard Pate.
Unter den durchweg feinen Bauteilen stechen die Trafos und das Lautstärkepoti heraus. Die Netztrafos wickelt Air Tight selbst, die enorm klangkritischen Ausgangsübertrager der Endstufe wie auch die Übertragerkapseln im ATH-3 fertigt der bestens beleumundete japanische Spezialist Hashimoto. Der in einem wuchtigen Messingzylinder verbaute Pegelregler ist das pièce de résistance des – mit seinen blauen und schwarzen Potis allgegenwärtigen – Herstellers Alps. Air Tight bietet dieses selten anzutreffende Schmuckstück auch zum Nachrüsten an. Kostenpunkt: 1400 Euro.
Vor- und Endstufe verzichten auf Platinen und sind frei über Lötstützpunkte verdrahtet. Die damit einhergehende Handarbeit nimmt der Hersteller gern in Kauf. Im Gegenzug verspricht er maximale Kontrolle der sich über Körper- und Luftschall ins Gerät einschleichenden Resonanzen. Unerwünschte Mikrofonieeffekte sollen so weitgehend eliminiert werden.
Wie es die Air Tights mit Vinyl und Jazz halten, wissen wir ja nun schon: Dynamik und Groove stimmen, die Raumdarstellung gelingt weitläufig und präzise. Im Duell mit meinem MC-Entzerrer bauer audio phono zeigt das (kostspieligere) Gespann aus Übertrager und Röhrenentzerrer dem Transistorgerät aus München die Rücklichter. Alle Schallereignisse wirken deutlicher, sind akkurater im Raum gestaffelt. Wir gut die integrierte Phonoabteilung der ATC-5 wirklich ist, ermittle ich, indem ich einen fast doppelt so teuren, mit Silberdraht auf nanokristallinem Kernmaterial gewickelten Übertrager der Berliner Manufaktur Consolidated Audio vorschalte. Ja, da geht noch mehr. Beim fulminanten Livemitschnitt Horowitz in Moscow stehen die vielen Nebengeräusche des offenbar schwer hustengeplagten Moskauer Publikums wie gemeißelt und poliert in der Tiefe des Konzertsaals. Der Applaus zwischen den Stücken kommt „fleischiger“ als mit dem japanischen Step-up. Der spielt im direkten Vergleich einen Tick vordergründiger. Ein sehr guter Übertrager, keine Frage – aber der Star ist in dem Moment der aufwendige MM-Part der Vorstufe, der höchsten Weihen entgegenstrebt.
Im Hochpegel-Betrieb, wahlweise gefüttert vom Aqua-DAC und vom CD-Player Electrocompaniet EMC-1UP, wickelt das japanische Verstärkergespann den Hörer in Sekundenschnelle um den kleinen Finger. Die Raumdarstellung ist wirklich exquisit, auch in Sachen Plastizität von Stimmen und Instrumenten bleiben keine Wünsche offen, wobei die Japaner angenehm kompakt und lebensnah abbilden und nichts ungebührlich aufblasen. Das Auflösungsvermögen wirkt anfangs weniger spektakulär, als ich es mir erhofft hätte, erweist sich aber nach längerem Hören doch als erstklassig – anscheinend geht meine Silvercore-Rowland-Kombi da schlicht exhibitionistischer zu Werk als die überaus harmonisch agierenden Air Tights,
Ich möchte wetten, dass Miura-san seine Geräte mit klassischer Musik und klein besetztem Vokal-Jazz abstimmt. Da ist ein sanftes Glühen in Stimmregistern, bei Cello, Saxofon, Flöte, das die Aufmerksamkeit magisch zum musikalischen Ausdruck lenkt und, das behaupte ich einfach mal, nur mit ganz viel Erfahrung und Können zu erreichen ist. Einfach bezaubernd, wie gut gemachte, unkomprimierte Aufnahmen zum Leben erwachen. Ich höre meine Sampler des audiophilen New Yorker Labels Chesky, als wäre es das erste Mal, und kriege mich kaum ein vor Begeisterung, wie tief die Kirche resoniert, in der Badi Assad mit ihrer Gitarre sitzt. Oder mit welch irrem Drive die vom Produzenten Knut Becker mit nur einem Stereo-Kugelflächenmikrofon aufgenommenen 14 Berliner Flötisten eine Arie aus der Oper Carmen interpretieren.
Wer ist der Zauberer? Die ATC-5 macht Platz für meine Silvercore linestage two. Sofort ist der Klang nüchterner. Der Hörer wird vom Teilnehmer zum Beobachter. Die Silvercore ist das Arbeitsgerät. Die Air Tight ein Genussmittel, das ich, nachdem das geklärt ist, gleich wieder in Betrieb nehmen möchte. Die Endstufe ATM-1S hat während all dem übrigens stoisch durchgereicht. Ein idealer Partner zum Musikant ATC-5, der exakt tut, was ihm aufgetragen wird, und so schnell an keiner Lautsprecherlast in die Knie gehen dürfte. Der Bassdruck, den die in dieser Disziplin dann doch überlegene Silvercore aus der ATM-1S herausholen konnte, war übrigens eine Schau. Klangen EL34 je besser?
Der optische Eindruck hat nicht getäuscht. Die Air Tights sind zeitlos schön – und zeitlos gut. Sie verkörpern Wertigkeit und Reife wie nur wenige andere Mitbewerber. Was sie zu etwas Besonderem macht, ist der Fokus auf den emotionalen Kern der Musik. Gleichzeitig bedienen sie mit größter Selbstverständlichkeit höchste highendige Ansprüche an Bandbreite, Auflösungsvermögen, Raumdarstellung und Dynamik. Verstärker, mit denen man alt werden möchte.
Wir meinen
Topaktuelle Klassiker, penibel aufgebaut aus feinsten Zutaten. Technisch blitzblank, klanglich waschechtes High End, dazu emotional schlicht betörend.
Info
MC-Übertrager Air Tight ATH-3
Übersetzungsverhältnis: 1:40 (32 dB)
empfohlene Tonabnehmer-Impedanz: 1–7 Ω
Besonderheit: Übersetzungsverhältnis 1:20 möglich (Umlöten erforderlich)
Maße (B/H/T): 14/8/20 cm
Gewicht: 1,5 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 2400 €
Röhren-Vorverstärker Air Tight ATC-5
Konzept: Röhrenvorstufe mit Phono
Eingänge: 3 x Line, 2 x Phono (MM)
Ausgänge: 2 x Line, 1 x Phono direkt
Ausstattung: Balance-Regler, Mute-Schalter
Maße (B/H/T): 40/9/26 cm
Gewicht: 9 kg
Preis: 9900 €
Röhren-Endverstärker Air Tight ATM-1S
Konzept: Push-Pull-Stereo-Röhrenendstufe mit EL34
Eingänge analog: 1 x Line In (Cinch) an der Rückseite, 1 x Line In (Cinch) an der Front
Ausgänge: 1 x Lautsprecher (Schraubklemmen)
Ausgangsleistung: 2 x 36 W (8 Ω)
Besonderheiten: kanalgetrennte Lautstärkepotis, Bias-Einstellung per Zeigerinstrument und Drehregler
Maße (B/H/T): 37/29/23 cm
Gewicht: 22 kg
Garantiezeit: 2 Jahre
Preis: 8500 €
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