LP-Bar music_analog, Seoul
Die letzten Säle waren beeindruckend, gewaltig, fesselnd – bleibende Erinnerungen. Daher haben wir uns entschieden, den Begriff eines Raumes für Musik etwas großzügiger zu interpretieren und mittels der music_analog Musikbar unserem Blick auf die Säle ein Reset zu verpassen.
Begibt man sich auf eine Konzertreise, besucht man nicht nur Konzertsäle, sondern sieht auch sonst ziemlich viel von der Welt. Ob das nun Schmieden für Hobeleisen in Japan sind oder Korbflechter in Lima – spannend ist es immer, wenn man mit den richtigen Kollegen die Städte erforscht. Oft genug suchen wir auch in der Freizeit Orte, an denen es um Musik geht, und wundern uns selbst darüber, dass wir noch nicht genug von dem Thema haben.
Ein besonders schöner dieser musikalischen Freizeitorte liegt mitten im hippen Seouler Stadtteil Gangnam (genau, der mit dem Style), nur einen Steinwurf entfernt vom Intercontinental COEX, einem Hotel, das wohl den meisten Geschäftsreisenden bekannt ist. Sollten Sie als Tourist in der Stadt sein, werden Sie sicher früher oder später den Bongeunsa-Tempelbezirk aufsuchen, der sich, zwei Ecken weiter, ebenfalls in dieser Gegend befindet.
Aufgrund der Restaurantdichte verschlägt es einen abends fast zwangsläufig in die lauten und schreiend bunt beleuchteten Gassen von Gangnam. Nach einem exzellenten und überraschend günstigen Bulgogi kann man sich dann zu späterer Stunde zum Tokyo Jazz Club begeben oder eben ein paar ruhigere Gassen weiter in die LP-Bar „music_analog“.
Nur ein paar Stufen, und man ist im schummerigen Souterrain. Und reibt sich sofort verwundert die Augen – sind das wirklich alles Schallplatten an den Wänden? Ja, aber wie viele genau, das kann auch der Besitzer nicht sagen, denn noch sind nicht alle im Computer erfasst. Spannenderweise geht man das Thema Musik im music_analog erfreulich offen und vorurteilsfrei an, aufgelegt wird alles, was auf analogen Tonträgern verfügbar ist. Da folgt Michael Jackson auf Beethoven auf John Coltrane auf AC/DC, gespielt wird, was die Gäste wünschen. Ebendiese Wünsche kann man mittels kleiner Zettel, die auf jedem Tisch bereitliegen, loswerden – und auf „seine“ Musik warten, während man entdeckt, was die anderen denn so hören. Fällt einem nun wirklich nichts ein, kann man mit einem der freundlichen Mitarbeiter durch die Untiefen der Datenbank forschen, die immerhin 32 000 LPs listet. Und das ist – wie schon gesagt – noch lange nicht alles.
Die Platten werden übrigens von Garrard-Laufwerken abgspielt, die über ein kleines Studer-Pult und Bryston-Endstufen die legendären JBL-Studiomonitore versorgen.
Meine Musikerkollegen versuchten wirklich, die Sammlung mittels noch so ausgefallener Wünsche in Bedrängnis zu bringen. Als aber selbst die unfassbar schöne Aufnahme des Beethoven-Violinkonzerts mit Josef Wolfsthal wie selbstverständlich auf den Teller wanderte, gaben sie sich geschlagen und konnten endlich genießen. Was ich mit einem Glas Golden Blue schon lange gemacht hatte. Hier kann man die Zeit vergessen, den Jetlag und die Probleme der Welt.
Musiktipps
Was auch immer Sie möchten – es ist so gut wie alles da.
music_analog
Teheran-ro 81-gil, 52-6
Gangnam-gu
Seoul
Südkorea